
Willkommen in der neuen Klassik-Woche,
heute mit einem klugen Gespräch mit Michel Friedman, einem Blick auf den Musik-Beipackzettel von Eckart von Hirschhausen und einem süßen Streit um die besten Mozartkugeln.
Michel Friedman kritisiert Joe Chialo

Wumms! So hört sich eine moralische Ohrfeige an: Berlins Kultursenator Joe Chialo und der Regierung von Berlins Regierendem Bürgermeisters Kai Wegner fehle es an Wertschätzung gegenüber der Kultur. Das erklärt der Publizist und Jurist Michel Friedman im heutigen BackstageClassical Podcast (zu lesen und zu hören hier). »Die Berliner Kulturszene wurde von oben herab behandelt, als wären die Sparmaßnahmen reines Verwaltungshandeln«, so Friedman. Er bemängelt die »dilettantische und respektlose« Kommunikation der Politik mit den Kulturinstitutionen. »Es geht nicht nur ums Geld, sondern um Wertschätzung. Kultur ist ein menschliches Grundbedürfnis und darf nicht gegen andere Notwendigkeiten ausgespielt werden.« Die Haltung der Politik schwäche den Wert der Kultur, was Friedman gerade in Zeiten wachsender autoritärer Tendenzen für gefährlich hält. Friedman spricht am 1. und 2. Februar bei Konzerten des DSO in der Berliner Philharmonie über Menschenrechte. Auf dem Programm stehen Werke von Lili Boulanger, Arnold Schönberg, Richard Strauss und Johannes Brahms.
Podcasts bei BackstageClassical
BackstageClassical hat einen eigenen Podcast und spricht hier regelmäßig mit Menschen über die klassische Musik und ihre Wirkung auf Politik und Gesellschaft. Abonnieren Sie unseren Podcast, um keine Folge zu verpassen auf Spotify, apple Musik, oder überall, wo es Podcasts gibt. Hier unsere letzten Folgen:
- Rainer Heneis von der Stiftung Mozarteum über Musik in Zeiten der Krise
- Julia Ronge, Kustodin am Beethoven-Haus über Autographe
- Viktor Schoner, Intendant in Stuttgart über die Zukunft des Theaters
- Susanne Moser, Intendantin der Komischen Oper über Einsparungen

Intendanten streichen Spielpläne zusammen
Friedmans Kritik an der Berliner Kulturpolitik ist mehr als berechtigt. Nachdem die Komische Oper wegen der drastischen Sparmaßnahmen die für Juni 2025 geplante Inszenierung von Gerd Natschinskis Musical Mein Freund Bunbury gestrichen hat, erklärte nun auch Staatsopern-Intendantin Elisabeth Sobotka, dass sie auf Grund der erwarteten Kürzungen von fünf Millionen Euro eine Premiere für die Saison 2025/26 absagen müsse. Um welche Oper es sich handelt, verriet sie nicht. An der Verpflichtung von Anna Netrebko will Sobotka indes festhalten: »Wir brauchen allerbeste Künstler und allerbeste Darstellung, das verstehe ich unter Exzellenz.«
Klassik lieber mit Beipackzettel
Ich möchte Ihnen einen wunderbaren Text von Antonia Munding bei BackstageClassical ans Herz legen. Sie hat sich gefragt, was alternde Promi-Männer wie Harald Schmidt, Reinhold Messner oder Thomas Gottschalk zur Klassik treibt und dekliniert das Phänomen am Beispiel von Fernseh-Doktor Eckart von Hirschhausen durch. Munding erklärt, warum es die Musik an sich unterwandert, wenn sie als Gute-Laune-Allheilmittel ohne Nebenwirkungen verkauft wird: »Selbst wenn Hirschhausen in bester Absicht versucht, mit Musik die Welt zu retten, sollten wir genau das kritisch hinterfragen. Nicht nur, weil er ein zweifelhafter Experte auf dem Feld der klassischen Musik ist und über ihre Auswirkungen auf das Gehirn des Menschen eigentlich erschreckend wenig weiß. Auch, weil Beethovens Pastorale und Messiaens catalogues des oiseaux nicht wirklich zum Kuscheln taugen.« Lesenswert!
Mozart nicht mehr in Gold gewickelt

Bei Salzburg muss man ja immer aufpassen, was man genau schreibt (in unserer Sache gibt es noch immer nichts Neues). Und das gilt wohl auch, wenn es sich um Geschmacksbewertungen bei Mozartkugeln handelt. Also: Mirabell stellt seine Mozartkugelproduktion ein. Nicht schlimm, haben wir bei BackstageClassical geschrieben, uns schmeckten die blauen Kugeln von der Firma Fürst eh besser. Aber dafür kassierten wir einen launigen Leserbrief, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte: »Ich lese gerade auf BackstageClassical, Experten hielten die Mozartkugeln vom Café Fürst für die einzig wahren. Ich halte mich auf diesem Gebiet auch für einen Experten und sage Ihnen: Das ist falsch. Die einzig wahren Mozartkugeln kommen vom Café Habakuk in der Linzer Gasse. Nougat, das nach Nuss schmeckt, Marzipan, das nach Mandel schmeckt – und nicht nur süß, eine Schokoladenhülle, die – richtig gekühlt – wunderbar knackt beim Reinbeißen. Besser geht es nicht.« Geschmackssache eben!
Neuordnung der GEMA
Unsere Berichterstattung über die Neuordnung der Verteilungskriterien bei der GEMA hat letzte Woche für allerhand Aufhorchen gesorgt. Zeitungen wie die Welt haben das Thema aufgegriffen und über das Ringen der Komponistinnen und Komponisten berichtet. Sie haben Angst, dass sie in der neuen Verteilung der Gelder in Zukunft schlechter abschneiden und die klassische Musik marginalisiert wird. Inzwischen haben erste Gespräche zwischen GEMA, den Komponierenden und den ebenfalls betroffenen Musikverlagen stattgefunden. Man hat zunächst Stillschweigen vereinbart und will die neuen Kriterien in den Wertungen (etwa die Frage, ob die Vergabe in Zukunft aufkommensorientiert stattfinden soll) untereinander besprechen. Nachdem sich letzte Woche bei uns bereits Moritz Eggert zu Wort gemeldet hat, ist dessen Statement inzwischen in voller Länge bei den Kollegen der nmz zu lesen. Im VAN Magazin äußert sich auch der Komponist Helmut Lachenmann: »Die im Mai drohende Neuregelung sieht eine grausame Herabsetzung und damit Beeinträchtigung der Lebensqualität vieler selbstlos der Kunst dienenden Komponisten vor, sie verrät auch den Mangel an Einsicht in deren Kostbarkeit in einer Zeit zunehmender Oberflächlichkeit und geistfeindlich standardisierten und kurzatmigen Nützlichkeitsdenkens, das uns beängstigen sollte.«

Die italienische Nudel-Carmen
Gestern musste ich einfach einen Brief an den Nudelhersteller Barilla schreiben, als ich diese Werbung auf deutsch »im RTL« gesehen habe: »Hallo Barilla, wir Opern-Nerds schauen durchaus auch Soap-Operas und Reality-Oper wie Dschungelcamp. Gestern lief in der Pause (Sam hatte gerade »Ich bin ein Star, holt mich hier raus« gerufen) Eure Werbung, und mir ist fast die Kakerlake aus dem Mund gefallen! Ihr werbt da mit dem Slogan »Erlebe die italienische Art, Sauce aufzunehmen« für Eure (tatsächlich leckere) Barilla Al Bronzo. Aber Euch ist schon klar, dass die Musik dazu aus der Oper Carmen kommt, oder? Also von einem Komponisten aus dem Baguette-Land Frankreich (!), die im Tapas-Land Spanien (!) spielt! Nicht, dass wir von BackstageClassical da klugscheißen wollen, aber war Verdis Rigoletto schon von der Pizzza-Connection und Choco Crossies besetzt? Nicht Mal Wagner-Pizza wirbt mit dem Walkürenritt. Also, solltet Ihr noch italienische Opern-Nummern suchen: Wie wäre es mit Musik vom leidenschaftlich kochenden Spaghetti-Komponisten Gioachino Rossini? Und wenn Ihr Mal einen Clip mit echter Italianità macht – dann hätten wir eine geeignete Werbefläche für nudelbegeisterte Opernfreaks! Just saying, äh: »Sto solo dicendo«. Also, Mit einem dreifachen »Auf in den Kampf, Torero«
Personalien der Woche
Die Pianistin Gabriela Montero fordert europäische Veranstalter gegenüber BR Klassik auf, El Sistema-Jugendorchester nicht mehr einzuladen. »Diese Orchester gehören dem Regime und dienen als Propaganda-Apparat für Maduro«, erklärte Montero im Interview. +++ Die norwegische Sopranistin Lise Davidsen hat bekanntgegeben, dass sie sich nach der Aufführungsreihe von Fidelio an der Metropolitan Opera im März 2025 vorübergehend aus dem Opernbetrieb zurückziehen wird. Grund ist ihre Schwangerschaft, sie erwartet Zwillinge. +++ Zum Wintersemester 2025/26 führt die Hochschule für Musik und Theater München einen neuen Masterstudiengang »Musikvermittlung« ein. Im Schnittfeld von Kunst und Bildung angesiedelt, reagiert er spezifisch auf das Anforderungsprofil an Musikvermittler*innen in einer von hoher kultureller Diversität geprägten Gesellschaft.

Und wo bleibt das Positive, Herr Brüggemann?
Ja, wo zum Teufel bleibt es denn? Vielleicht ja hier: Auf unseren Bühnen geht es auch weiterhin äußerst kreativ zu. Gestern Abend hatte in Berlin Tobias Kratzers Inszenierung von Die Frau ohne Schatten Premiere, BackstageClassical wird heute noch ausführlich berichten. Georg Rudiger war derweil für uns in Straßburg und hat sich eine äußerst gelungene Inszenierung von Les Contes d‘Hoffmann von Lotte de Beer angeschaut: »Lotte de Beer emanzipiert in ihrer fantasievollen, intelligenten Inszenierung die Muse und macht sie zum Spiegel für Hoffmanns Narzissmus.« (die ganze Kritik gibt es hier). Und ich werde mir heute Abend die Aufführung von Der Kaiser von Atlantis und dem Mozart Requiem mit Omer Meir Wellber an der Volksoper in Wien anschauen und natürlich ebenfalls bei BackstageClassical berichten. Es lohnt sich, also auf unserer Seite vorbeizuschauen. Verpassen Sie keinen Artikel, wenn Sie uns bei Instagram, Facebook oder – unser neuer Liebling! – BlueSky folgen.
In diesem Sinne: halten Sie die Ohren steif
Ihr
Axel Brüggemann