Willkommen in der neuen Klassik-Woche,
heute mit Fragen an unsere Kulturpolitiker und auffällige Intendanten. Außerdem: Gewinnen Sie zwei Tickets für die Bayreuther Festspiele.
Das Versagen der Kulturpolitik
Versagt unsere Kulturpolitik? Auch diese Woche trudelten in der Redaktion von BackstageClassical immer neue Berichte ein über die Situation am Theater Meiningen rund um den Intendanten Jens Neundorff von Enzberg: von einem unmöglichen Umgangston ist da die Rede, von konkreten Beispielen schlechter Führung, von zahlreichen Kündigungen im Ensemble, von privaten Interessen innerhalb der Kulturpolitik und von der Angst, dass Bürgermeister Fabian Giesder und Thüringens Staatssekretärin für Kultur, Tina Beer, die Vorwürfe, die vom Ensemble eingereicht wurden, vergessen werden. Gleichzeitig haben wir diese Woche von einer Abfindung gelesen, welche die Stadt Köln dem Dirigenten François-Xavier Roth zahlen wird, nachdem man das Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst hat. Der wahre Skandal besteht hier darin, dass die Vorwürfe gegen Roth nun nicht mehr aufgearbeitet werden sollen, da kein offizielles Dienstverhältnis mehr besteht. Offen, ob je untersucht wird, welche Rolle Orchesterdirektor Stefan Englert gespielt hat – und was er von den Vorwürfen gegen Roth wusste. Beim SWR – so hört man – soll diese Woche eine Entscheidung über die zukünftige Zusammenarbeit mit Roth fallen, Orchesterdirektorin Sabrina Haane hatte bereits öffentlich erklärt, wie schade es wäre, wenn der Vertrag aufgelöst würde. Und dann ist da noch Kassel: Dort haben Oberbürgermeister Sven Schoeller und Kulturminister Timon Gremmels nun den Dirigenten Ainārs Rubiķis verpflichtet – erneut gegen den Willen des Orchesters. Die internen Streitereien mit Intendant Florian Lutz dürften durch diese Verpflichtung neue Brisanz bekommen. Ich habe mir all diese Fälle einmal genauer angeschaut und in einem Essay aufgeschrieben, warum gerade die Kulturpolitik derzeit so dermaßen versagt. BackstageClassical wird sich diese Woche mit den einzelnen Vorwürfen noch einmal an die jeweils politisch Verantwortlichen wenden.
Weitere Einblicke in das Bergson
Während München über sein Konzerthaus streitet, wird immer klarer, dass das Bergson Kunstkraftwerk ein wirklich spannender und alternativer Ort für modernen Kunst-Konsum werden könnte. Die Veranstalter selber sprechen von »Münchens innovativstem Konzertsaal«. Tatsächlich gibt es inzwischen 100 Ensembles mit denen das Bergson zusammenarbeitet (das berichtet die SZ) und eine spannende Akustik, in der man den Nachhall im Konzertsaal technisch variieren kann. Musik, Kulinarik und Kunst werden im Bergson zusammen gedacht, weshalb nun auch Ausstellungen mit Anselm Kiefer, Flaz, Xenia Hausner oder Agnes Questionmark zu sehen sein werden.
Gewinnen Sie Bayreuth-Karten mit BackstageClassical und Geldermann
Die Bayreuther Festspiele eröffnen dieses Jahr mit einer Neuproduktion von Tristan und Isolde (Katharina Wagner im exklusiven BackstageClassical-Podcast). Am 24. Juli und am 30. Juli gibt es erneut ein kostenloses Open-Air auf dem Grünen Hügel. Ich freue mich, Sie dort gemeinsam mit dem Bayreuther Festspielorchester und Nathalie Stutzmann begrüßen zu dürfen. Dank der Geldermann Privatsektkellerei kann BackstageClassical diese Woche zwei Karten für die Aufführung von Tristan und Isolde am Samstag, den 3.8.2024, verlosen und dazu einen Festspiel-Cuvée Tristan und Isolde aus dem Hause Geldermann (ein Genusserlebnis mit Noten von Quitte, Pfirsich und einem Hauch von Kräutern und Brioche). BackstageClassical wird innerhalb dieser Woche dazu eine Instagram-Story posten, wenn Sie uns dort in einem Kommentar verraten, was Sie an Tristan und Isolde begeistert, nehmen Sie automatisch an der Verlosung teil. Der Gewinner wird kommenden Montag an dieser Stelle bekannt gegeben (der Rechtsweg ist ausgeschlossen). Also folgen Sie uns am besten sofort auf Instagram. Geldermann ist zum sechsten Mal in Folge offizieller Partner der Bayreuther Festspiele, in der Festspielzeit können Gäste die Bayreuther Festspiel-Cuvée und alle anderen Qualitäten von Geldermann auf dem Grünen Hügel an den Sektbars genießen.
Baggert Berlin weiter?
Der Zoff um den eventuellen Baustopp der Komischen Oper geht weiter (BackstageClassical hatte berichtet). »Wir sind bereits in der Sanierung, wir befinden uns hier jetzt auf einer Baustelle und jede Verzögerung, jedes Anhalten, jeder Baustopp würde zu einer Kostenexplosion führen«, sagt Intendantin Susanne Moser dem rbb. »Das ist natürlich für uns jetzt ein ganz wichtiger Schritt, dass die Politik sich weiter zu diesem Bauvorhaben bekennt, weil das jetzt zu stoppen ist viel zu spät“, sagt Moser. Deutsche Theater, die nach dem Krieg gebaut oder renoviert wurden, sind in dieser Zeit überall renovierungsbedürftig. Wir haben uns an dieser Stelle und im Podcast mit Serge Dorny, Annrett Baumast und Christian Kircher immer wieder die Frage gestellt, ob die Kultur Renovierungen von zum Teil mehr als einer Milliarde überhaupt noch vermitteln kann. Nun haben auch Matthias Alexander in der FAZ und Manuel Brug in der Welt das Thema aufgenommen.
Höhepunkte bei BackstageClassical
- Ein bewegender Nachruf von Monika Mertl auf den Pianisten und Puppenspieler Norman Shetler.
- Lisa Jopt und Carsten Brosda über ihre Positionen im Theater-Tarifstreit.
- Feuilleton-Rundblick: Ist Aix-en-Provence das bessere Salzburg?
- Der Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals Christian Kuhnt über Justus Franzt und Musik für alle.
Brucknerhaus will Intendanten entlassen
Der Intendant des Brucknerhauses in Linz, Dietmar Kerschbaum soll nach einstimmiger Empfehlung des LIVA-Aufsichtsrats entlassen werden. Eine Compliance-Prüfung habe »weitere, schwere Verfehlungen« von Kerschbaum an den Tag gebracht, heißt es. Diese betreffen In-sich-Geschäfte, Nebentätigkeiten und Nebenbeschäftigungen, Dienstreisen, Spesen, Vergabevorgänge und »ein den Compliance-Richtlinien völlig widersprechendes Führungsverhalten«. Kerschbaum selbst erwägt juristische Schritte: »Eine Anzeige wegen Vorverurteilung und Rufmordes behalte ich mir vor«, sagte er. »Es geht um meine Reputation, ich verlange, dass diese wieder hergestellt wird.« Auch hier ist übrigens die Rolle der Kulturpolitik spannend: Einer der größten Ankläger des Intendanten ist Bürgermeister Klaus Luger, der Kerschbaum lange den Rücken stärkte. Offen auch die Frage, ob die Linzer Kulturpolitik Kerschbaum schon vor seiner Bewerbung Informationen zugespielt hat.
Personalien der Woche
Der Intendant des Schleswig-Holstein Musik Festivals, Christian Kuhnt, spricht im BackstageClassical-Podcast über den Erfolg beim Publikum, seinen Umgang mit Festival-Gründer Justus Frantz und die Kritik, dass große Festivals an ihre Grenzen stoßen. +++ Überraschend ist der Chef der New York Philharmonic, Gary Ginstling, zurückgetreten. In einer Erklärung heißt es, dass das Orchester eine andere Leitung brauche, Ginstling dem designierten Chefdirigenten Gustavo Dudamel aber alles Gute wünsche. +++ Letzten Dienstag wurde in Moskau die Regisseurin und Dichterin Jewgenija »Schenja« Berkowitsch zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Der Vorwurf: Eine ihrer Produktionen rechtfertige »Terrorismus«. Der Spiegel berichtet über die systematische schlechte Behandlung politischer Gefangener in Russland. Nach der Lektüre fragt man sich, wie es möglich ist, dass Künstler im Westen über diesen Umgang mit Kunst und Kultur schweigen können. +++ Die anstehende 170 Millionen Euro teure Sanierung des Bayreuther Festspielhauses wird von Bund und Freistaat jeweils zur Hälfte getragen – die Stadt Bayreuth wird nicht an den Kosten beteiligt. +++ Iván Fischer wird neuer Chefdirigent des European Union Youth Orchestra. +++ »Die Dresdner sind Zwillinge der Wiener«, das sagte Christian Thielemann in seiner Abschiedsrede an seine Staatskapelle Dresden nach einer bewegenden Mahler-Aufführung.
Und wo bleibt das Positive, Herr Brüggemann?
Ja, wo zum Teufel bleibt es denn? Ich habe es diese Woche in Rendsburg erlebt. Dort habe ich für das Schleswig-Holstein Musik Festival einen Workshop mit Schülerinnen und Schülern der Herder-Schule geleitet. Und ich sage Ihnen: Die Zukunft ist noch nicht verloren! Vor allen Dingen habe ich selber viel über die Nachrichten-Gewohnheiten der Schülerinnen und Schüler gelernt: Lange Reportagen über das Festival-Orchester und ein XXL-Podcast? Ja, wurden auch gemacht, aber es mussten eben unbedingt auch sehr amüsante Reels für Insta produziert werden. Drei Tage lang haben die Jugendlichen Konzerte besucht und Künstlerinnen wie die Geigerin Bomsori Kim oder die Dirigentin Holly Hyun Choe getroffen. Herausgekommen sind kurzweilige und spannende Stücke, von denen ich Ihnen hier besonders den zweiteiligen Podcast über die Zukunft der klassischen Musik von Livia Storm und Jolie Büchner ans Herz legen möchte: den gibt es hier.
Ach so: BadenBadens Festspielhaus-Intendant Benedikt Stampa hat den Klassik-EM-Tipp von BackstageClassical gewonnen. Er setzte sich mit 5 Punkten vor Sven Friedrich, Daniel Hope, Christian Kuhnt und Andrés Orozco Estrada durch. Stampa war der Einzige, der auf einen Sieg von Spanien gesetzt hat. Der Tenor Piotr Beczała braucht (darf?) sich nun doch keinen Aston Martin kaufen – er hatte mit seinem Manager gewettet, dass er sich einen britischen Wagen kauft, wenn England Europameister wird. Aber das Team verlor im Finale 2:1 gegen Spanien. Hier noch Mal alle Tipps.
In diesem Sinne, halten Sie Ihre Ohren steif
Ihr
Axel Brüggemann