
Willkommen in der neuen Klassik-Woche,
heute geht es darum, wie Mäzene die Kunst in Hamburg und Bayreuth fördern wollen, um die Tiefen der GEMA und um die Ratlosigkeit der Kultur in der aktuellen politischen Situation.
Zweite-Liga Oper für Hamburg?

Die Pläne für ein neues Opernhaus in Hamburg stehen offenbar kurz vor dem Abschluss – das melden verschiedene Medien. Mäzen Klaus-Michael Kühne will wohl 330 Millionen Euro für ein neues Haus geben, das eventuell im Baakenhöft in der Hafencity entstehen soll. Die Pläne klingen ambitioniert, die Fertigstellung wird für 2030 bis 2032 angestrebt. Die bestehende Staatsoper an der Dammtorstraße, die unter Denkmalschutz steht, soll als Kulturstätte erhalten bleiben. Allein diese Zahlen zeigen, dass hier viel Wunsch und wenig Realität regiert: 330 Millionen werden sicherlich nicht reichen, und auch die fünf Jahre bis zur Fertigstellung scheinen eher unwahrscheinlich. Abgesehen davon, dass Kühne in der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit seines Konzerns viele Fragen nicht beantwortet hat, schaffte er es mit seinen HSV-Geldern nicht einmal, den Club in die 1. Liga zu bringen. Dabei müsste die Staatsoper nach Kent Nagano und Georges Delnon künstlerisch ebenfalls endlich wieder aufsteigen. Deshalb wäre es vielleicht besser, alle Mittel in das Programm der neuen Intendanz von Tobias Kratzer und Omer Meir Wellber zu geben.

Gesellschaft der Feinde Bayreuths
Wie nervig private Klassik-Mäzene sein können, hat sich diese Woche auch in Bayreuth gezeigt: Plötzlich hatte die Gesellschaft der Freunde eine Million Euro, die sie den Festspielen – zweckgebunden an Inszenierungen von Tobias Kratzers Tannhäuser und dem Lohengrin mit Christian Thielemann – geben wollte. Der Haken: Die Planungen für die Jubiläumssaison 2026 sind längst abgeschlossen, und die Gesellschaft hat als Trägerin der Festspiele 2024 eine Million Euro weniger überwiesen als sie gesetzlich gemusst hätte – schon damals begleitet von schlechtgelaunter Kritik am Programm von Katharina Wagner. Nun nuschelte der Vorsitzende Georg Freiherr von Waldenfels irgendetwas von »rüder Abweisung«. BackstageClassical hat noch Mittwoch Nacht die Festspiel-Antwort online gestellt, die am kommenden Tag auch in anderen Medien erschien. Von rüder Ablehnung keine Spur! Wer Freunde wie von Waldenfels hat, braucht keine Feinde mehr. Mein Kommentar.
Kultur und die rechte Macht
Was für eine Woche! Deutschland streitet um parlamentarische Mehrheiten mit Hilfe der AfD. Ex-Kulturstaatssekretärin Monika Grütters hat sich dem CDU—Votum verweigert, Michel Friedman ist aus der CDU ausgetreten (hier sein Interview mit uns zu Musik und Demokratie). In Österreich hat die Zusammenarbeit der konservativen ÖVP mit der rechtsnationalen FPÖ in den letzten Jahren für eine schleichende Normalisierung der Nationalisten gesorgt, derzeit finden Koalitionsgespräche statt, nach denen Herbert Kickl erster »Volkskanzler« der FPÖ werden könnte. Und die Kultur? Die schaut weitgehend still zu: Kaum Protest, keine Rücktrittsdrohungen an Bundestheatern und überhaupt: Man wolle mehr für die Demokratie tun als gegen andere Gruppen zu polemisieren, heißt es auf Anfrage von BackstageClassical oft. Von der Wiener Staatsoper kam erst gar keine Antwort. Ich habe in einem Stimmungsbericht aufgeschrieben, was hinter den Kulissen der Österreichischen Kulturinstituitionen vorgeht, und was eine FPÖ Kanzlerschaft für die Häuser bedeuten würde.

Exekution mit Zimmer-Hymne?
Muss das denn sein? Der deutsche Oscar-Komponist Hans Zimmer soll angeblich die Nationalhymne des Königreichs Saudi-Arabien, Aasch al-Malik (Lang lebe der König), neu arrangieren. Der saudi-arabische Unterhaltungsminister Turki Alalschich hat Zimmers grundsätzliche Zusage bestätigt. Neben der Hymne gibt es offensichtlich auch weitere Projekte mit Zimmer, etwa ein arabisches Musical namens Arabia, ein großes Konzert und Filmmusik für Die Schlacht von Jarmuk. Was treibt einen Künstler, die Hymne eines Landes aufzupeppen, in dem Frauenrechte und Meinungsfreiheit noch immer nicht groß geschrieben werden und in dem jedes Jahr knapp 200 Menschen hingerichtet werden?
Der GEMA Deep Dive
In den letzten Wochen haben wir bei Backstage den Streit um die neue Verteilung der GEMA-Gelder intensiv verfolgt – besonders den Protest der Klassik-Künstlerinnen und -Künstler. Nun habe ich mich mit den Protagonisten des Klassik-Marktes unterhalten, um in einem Deepdive-Podcast Licht in die Dunkelkammer der GEMA zu bringen. In der aktuellen Folge von »Alles klar, Klassik?« rede ich mit dem politischen Sprecher der GEMA, dem Direktor Michael Duderstädt. Er erklärt, wie die GEMA funktioniert, wie gemeinsam um neue Wege gerungen wird und warum auch Weihnachtsmärkte zur Kasse gebeten werden. Ich spreche mit Johannes Everke, er ist Geschäftsführer des BDKV, des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft und plädiert für ein harmonisches Miteinander mit der GEMA. Und natürlich kommt auch ein Künstler zu Wort, der Komponist und Vizedirektor der sächsischen Akademie der Künste, Franz Martin Olbrisch. Der Podcast beleuchtet die Einnahme- und Verteilungskriterien der GEMA und verfolgt, wie sich die Verwertungsgesellschaft neuen Herausforderungen wie der Künstlichen Intelligenz annimmt.

5 Jahre Petrenko in Berlin
Fünf Jahre ist Kirill Petrenko Chefdirigent der Berliner Philharmoniker – ein Glücksfall für das Orchester! Unangefochten sind die Berliner wieder auf Platz eins der internationalen Klangkörper gerückt: Jedes Konzert ein Abenteuer, das Repertoire ist für das Orchester ebenso spannend wie für das Publikum. Und vor allen Dingen: Die Berliner Philharmoniker bleiben unter Petrenko nicht stehen, sondern fordern sich selber und ihr Publikum immer wieder neu heraus. Zur anstehenden Feier der gemeinsamen Arbeit hat das Orchester Interviews mit dem Chefdirigenten auf einer Seite zusammengefasst.
Personalien der Woche
Nach Vorwürfen haben sich das Theater Würzburg und Intendant Markus Trabusch im Dezember getrennt (BackstageClassical hat berichtet). Nun hat Georg Rootering kommissarisch die Intendanz des Mainfranken Theater Würzburg übernommen. +++ Auf seinem Facebook-Profil hat Andreas Ottensamer angekündigt, seine Position als Soloklarinettist bei den Berliner Philharmonikern nach 14 Jahren aufzugeben. Er will sich fortan um seine Karriere als Dirigent, Solist und Kammermusiker kümmern. +++ Die Freiburger Erzdiozöse hat einen interimistischen Leiter der Domsingschule eingesetzt. Aber damit kann sie den schwelenden Konflikt nach dem Rauswurf von Boris Böhmann kaum beruhigen. +++ Was war denn da los bei der Trauerfeier für Bremens Intendant Michael Börgerding? Beschimpfte Bremens Kulturstaatssrätin Carmen Emigholz kritische Journalisten wirklich mit dem politisch sehr belasteten Wort »Journaille«? Ein strenger taz-Kommentar von Benno Schirrmeister. Gerade in diesen Tagen sollten wir alle auch sprachlich ein wenig abrüsten!

Und wo bleibt das Positive, Herr Brüggemann?
Ja, wo zum Teufel bleibt es denn? Vielleicht ja hier! Es gibt sie noch, die Abende, an denen man ein Opernhaus anders verlässt als man es betreten hat. An der Volksoper in Wien bringen der Choreograph und Regisseur Andreas Heise und der Dirigent Omer Meir Wellber zwei Meisterwerke zusammen: Mozarts Requiem und die Oper Der Kaiser von Atlantis, die Viktor Ullmann im KZ Theresienstadt komponiert hat. Eine kongeniale Perspektivverschiebung, wenn der Tod am Ende ein Tänzchen mit dem Kaiser aufführt, und Mozart die Gewalt des Endes liebevoll umarmt. All das tut anderthalb Stunden lang mehr als gut. Und am Ende liegt der Trost in der tiefen Erkenntnis, dass unser eigenes Ableben eine Umarmung sein kann – die man zuzulassen lernen kann. Aber bis es so weit ist, kämpfen wir einfach weiter für das Gute, Schöne und Hehre.
In diesem Sinne: Halten Sie die Ohren steif.
Ihr
Axel Brüggemann