Noch immer bedeutet Journalismus in der Kultur oft: Kritik. Dabei zeigen Fälle wie Teodor Currentzis, François-Xavier Roth, aber auch das Verhalten einiger Intendanten und die prekären Verträge der Branche, dass gerade in der Kultur Recherchejournalismus wichtig ist
Kultur ist nicht nur die Tapete unseres Alltags. Sie ist – im Idealfall – ein freier Diskursort, und im Problemfall: Ort politischer Propaganda. BackstageClassical versteht sich nicht nur als Nachrichten- und Rezensionsportal, sondern versucht auch hinter die Kulissen des Klassik-Betriebes zu schauen. Wir tun das im Umgang von Intendantinnen und Intendanten mit ihrer Macht, bei der Problematik prekärer Verträge in der Kultur, bei der Ungleichbehandlung von Menschen mit Einschränkungen und natürlich auch, wenn es politisch wird.
Kontinuierlich begleiten wir etwa die Russland-Verflechtungen von Teodor Currentzis, haben die Netzwerke seiner Geldgeber aufgedeckt, europafeindliche Posts seiner Musiker und ihn immer wieder persönlich um Stellungnahme gebeten. Viele Medien haben unsere Berichterstattung aufgegriffen. Gerade erschien in der New York Times ein kritischer Bericht, der schlussfolgert: »Was wird aus seinem Lebenswerk, wenn er weiterhin den Spaatz zwischen dem Westen und der russischen Politik schaffen will? Krieg ist oft auch ein moralischer Testfall, und Currentzis Erbe wird auch daran gemessen, wie er sich heute verhält.«
Wir haben uns auch immer wieder um das Vorgehen des SWR – besonders von Programmdirektorin Anke Mai und Orchestergesamtleiterin Sabrina Haane – in dieser Causa gekümmert, mit dem Ergebnis, dass die Kolumne von BackstageClassical-Gründer Axel Brüggemann beim Sender gestrichen wurde.
Um so wichtiger ist es, dass auch Magazine wie VAN innerhalb der Kultur recherchieren: Die Kolleginnen und Kollegen haben maßgeblich die Vorwürfe gegen den Dirigenten François-Xavier Roth recherchiert.
Auch hier sorgt investigativer Journalismus für Druck: Die Badische Zeitung berichtete vor fast zwei Wochen, dass 48 Musikerinnen und Musiker sich gegen den SWR gestellt haben. Letzten Montag hatten wir das hier bei BackstageClassical aufgegriffen, einen Tag später berichtete auch der BR, und heute kommentiert Christian Wildhagen in der NZZ: »Das von der Leitung des Orchesterbereichs beim SWR gewollte Stillschweigen zur Causa Roth wurde inzwischen ohnehin durchbrochen. (…) Mit der wohlmeinenden Idee einer zweiten Chance für Roth dringen die SWR-Verantwortlichen schon länger nicht mehr durch. Für den Sender wird der öffentlich ausgetragene Konflikt zunehmend zum Problem: Neben Shitstorms im Netz mehrt sich die Zahl verunsicherter Abonnenten und Sponsoren. Ebenso dürften künftige internationale Auftritte mit Roth vielerorts kaum mehr vermittelbar sein. Das alles erhöht den Druck auf den SWR, bald eine klare Entscheidung zu kommunizieren. Alles andere als eine vorzeitige Vertragsauflösung wäre eine Überraschung.« Bei BackstageClassical haben wir das Thema mit ganz unterschiedlichen Meinungen debattiert.
Es zeigt sich also immer wieder, wie dringend nötig auch in der Kultur ein Journalismus ist, der hinschaut, Missstände aufdeckt – und eine offene Debatte aus allen Perspektiven führt.
Über genau diese Notwendigkeit hat sich Axel Brüggemann im neuen Podcast von Kulturmanager Fabian Burstein unterhalten. Hier ist die aktuelle Folge des Podcasts Bühneneingang: