Mit dem Amtsantritt von Donald Trump ist die US-amerikanische Kulturlandschaft auch im Bereich der klassischen Musik in eine Phase tiefgreifender Spannungen und Umbrüche geraten. Eine Bilanz.
English summary: Since Donald Trump took office, U.S. classical music has faced deep cultural and political upheaval. Project 2025, developed by the Heritage Foundation, drives cuts to diversity programs and promotes a nationalist cultural agenda. Artists like Christian Tetzlaff and Rhiannon Giddens protest through cancellations. The Kennedy Center becomes a battleground, while Europe responds with criticism and solidarity.
Das Project 2025, das bereits vor der zweiten Amtszeit Donald Trumps in der Heritage Foundation entwickelt wurde, sieht schrittweise, fundamentale Eingriffe in die Kulturpolitik der USA vor. Und es scheint noch immer das Playbook der Trump-Administration zu sein: Diversitäts- und Inklusionsprogramme stehen auf der Streichliste, ebenso wie die Förderung von Projekten, die sich mit Minderheiten, Gleichstellung oder kritischen gesellschaftlichen Themen befassen. Alte Quoten oder Programme für Diversität sind ersatzlos gestrichen und keine Grundlage mehr für die Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen. Das betrifft nicht nur Museen, Theater und Konzerthäuser, sondern auch Schulen und Universitäten, wo die als »woke Propaganda« diffamierte Aufklärung über verschiedene Lebensformen bereits verboten wurde.
Auch die Förderung von Projekten, die sich mit Transgender-Themen befassen, ist untersagt. Behandlungen für Transgender-Jugendliche unter 19 Jahren wurden verboten, und Transgender-Personen dürfen nicht mehr im Militär arbeiten. Diese Maßnahmen spiegeln sich auch in der Kultur wider: Darbietungen, die Minderheiten oder alternative Lebensformen thematisieren, sind in öffentlich geförderten Häusern nicht mehr erwünscht.
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Durch die sogenannten Schedule F-Dekrete wurden bis zu 50.000 Bundesangestellte als »politisch besetzt« definiert und können nun ohne Kündigungsschutz entlassen werden. Das ermöglicht Trump und seiner Administration, unliebsame Mitarbeiter auch in Kultureinrichtungen durch loyale Kräfte zu ersetzen. Und genau das passiert auch.
Hotspot Kennedy Center
Das Kennedy Center in Washington gilt als Herzstück der amerikanischen Kulturszene mit jährlich über 2.000 Veranstaltungen. Seit Trumps Amtsantritt hat sich das Haus zu einem Brennpunkt politischer Auseinandersetzungen entwickelt. Trump feuerte das bisherige Kuratorium, setzte sich selbst als Vorsitzenden ein und besetzte das Gremium mit loyalen Parteifreunden, darunter konservative Medienpersönlichkeiten. Er kündigte an, »keine Drag-Shows oder andere anti-amerikanische Propaganda« mehr zu dulden und versprach eine »goldene Ära der amerikanischen Kunst und Kultur« – eine programmatische Wende hin zu patriotischem Pathos und weg von Diversität und kritischer Kunst.
All das hat inzwischen zu Konzertabsagen und Boykotten geführt. Der deutsche Geiger Christian Tetzlaff kündigte im März 2025 an, seine geplante US-Tournee inklusive eines Auftritts in der Carnegie Hall abzusagen. Der ungarische Pianist András Schiff, der bereits wegen der politischen Lage in seinem Heimatland Ungarn gegen autoritäre Kulturpolitik protestierte, sagte ebenfalls alle US-Konzerte ab. Auch die amerikanische Sängerin Rhiannon Giddens, bekannt für ihre Wurzeln in der Roots- und Opernmusik, sagte ihren Auftritt im Kennedy Center ab, nachdem Trump dort die Führung übernommen hatte. Sie verlegte ihr Konzert in ein anderes Washingtoner Haus und kritisierte die Übernahme als Teil einer breiteren Kampagne gegen »woke« Kultur.
Die Atmosphäre im Kennedy Center ist seither von Unsicherheit und Protest geprägt. Künstlerinnen und Künstler, die früher gerne dort auftraten, distanzieren sich öffentlich, manche tragen T-Shirts mit Aufschriften wie »ANTI TRUMP AF« auf der Bühne. Rhiannon Giddens betont die Bedeutung der künstlerischen Freiheit: »Das Kennedy Center war einst ein Ort der Begegnung, jetzt ist es ein Schauplatz politischer Vereinnahmung. Ich kann nicht Teil davon sein«.
Bruce Springsteen Kampf
Im Rock Bereich ist es besonders Bruce Springsteen, der Donald Trump die Stirn bietet. Springsteen nutzte den Auftakt seiner Europa-Tournee, um die US-Regierung von Trump scharf zu kritisieren. Er bezeichnete sie als »korrupt, inkompetent und verräterisch« und warnte das Publikum vor autoritären Tendenzen. Springsteen hatte sich bereits im US-Wahlkampf klar für die Demokraten positioniert und vor einer zweiten Amtszeit Trumps gewarnt.
Trump reagierte prompt und heftig. Auf seinem Social-Media-Kanal beleidigte er Springsteen als »aufdringlichen Trottel« und »dumm wie ein Felsen«. Er drohte dem Musiker indirekt und veröffentlichte ein KI-generiertes Video, in dem er einen Golfball auf Springsteen abschlägt, der diesen auf der Bühne zu Boden gehen lässt. Das Video wurde als symbolische Racheaktion gewertet. Derartig offene Schlagabtausche gibt es in der Klassik derzeit noch nicht. Bei BackstageClassical erklärte die Komponistin Missy Mazzoli über ihre Oper The Listeners: »In dieser Oper gibt es die Figur Howard, die als charismatischer Sektenführer die Verletzlichkeit der Menschen sieht, und sie für seine Zwecke instrumentalisiert – ein Mikrokosmos der Trump-Welt. Ich möchte jede Gelegenheit, jeden Auftritt nutzen, um mich laut über die Freiheit und ihre Bedrohung zu äußern.«
Europas Reaktion
Europa blickt indes skeptisch auf das kulturelle Leben in der Trump-Ära. Die europäische Musikwelt reagiert auf Einschüchterungen, Verbote und Entlassungen in der US-Kulturszene mit Absagen und öffentlicher Kritik. Aber auch mit Verständnis: Künstlerinnen und Künstler wie Anne Sophie Mutter oder Franz Welser-Möst erklären, dass es gerade jetzt wichtig sei, die zum großen Teil privat finanzierte Kultur durch Solidarität und Konzerte zu unterstützen. Boykotte würden in erster Line jene bestrafen, die die kulturellen Einschränkungen der Trump-Ära eh bekämpfen würden.
Natürlich wird auch über die Auswirkungen des amerikanischen Kulturkampfes auf die europäische Gesellschaft diskutiert. Die Philosophin Seyla Benhabib warnt vor einer globalen »kulturellen Hegemonie progressiver Milieus«, die von Trump-Anhängern gezielt angegriffen werde – ein Kampf, der sich nicht nur auf die USA beschränkt, sondern auch in Europa geführt wird. Um so wichtiger ist das Ziel der EU, eine gemeinsamen europäischen Strategie zu entwickeln, um die eigenen kulturellen Werte zu schützen und die Gefahren einer Polarisierung abzuwehren.