In seine Kolumne NORDLICHT schreibt Stephan Knies heute über den Opernloft in Hamburg – hier gibt es große Oper im kleinen Format
Auch heute strahlt ein NORDLICHT aus Hamburg. Dieses Mal nicht mit einem Gastspiel (wie dem Bridges Kammerorchester in der Elbphilharnonie Ende August), sondern in Form eines dauerhaften Opernsaals samt atemberaubendem Blick auf den Hafen und eigener Elbterrasse. Hier werden Wege gesucht und gefunden, Musiktheater als klein besetztes, überschaubar langes, in sich wirklich attraktives Format anzubieten. Das Label mag sich in den letzten Jahren geändert haben (aus Oper in 90 Minuten ist inzwischen Oper in kurz geworden) – der Inhalt ist unverändert gut. Und oft besser als so manche Inszenierung an »richtigen« Opernhäusern. Wie sieht er aus?
DIE NORDLICHT-KOLUMNE Natürlich sterben Oper, Theater und Konzerte mit klassischer Musik in Deutschland nicht sofort aus. Vielerorts stehen sie nicht einmal auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Aus dem Norden aber hört man bemerkenswert oft etwas von Theaterneubauten, von Erfolgsmodellen und inspirierenden neuen Formaten. Solche »Nordlicht«-Erfahrungen wird diese Kolumne von Stephan Knies in Zukunft vorstellen.
Für drei bis sechs Sängerinnen und Sänger sowie rund drei Instrumentalisten wird eine bekannte Oper auf links gedreht, bisweilen neu zusammengesetzt, recht häufig in einen neuen Kontext gestellt und so einem ziemlich oft begeisterten Publikum vorgestellt. Die räumlichen Möglichkeiten werden für jede Produktion ganz neu erkundet, es bleibt immer spannend, was wohl im jeweils neuen Stück Musiktheater passieren wird. Auch für die Fassungen gibt es kein Standard-Schema: Beim großartigen Ring in 90 Minuten (der pausiert leider gerade) wurde eine intelligente Geschichte gebastelt mit vielen Texteinschüben, um die komplexe Story halbwegs durchschaubar zu machen. Bei La Traviata (läuft aktuell) gibt es nur Musik, die aber überall im Haus. Einen Überraschungserfolg landete das Team um Intendantin Inken Rahardt, Geschäftsführerin Yvonne Bernbom und Betriebsdirektorin Susann Oberacker zur diesjährigen EM mit der Fußballoper. Die beiden Bestandteile des Titels mussten sich zu Beginn der Produktion beschnuppern – vom Ergebnis war auch das Feuilleton begeistert und inzwischen müssen Zusatzvorstellungen angesetzt werden. Auch der Opernslam oder die Krimi-Oper Mord auf Backbord lehnen sich an andere Unterhaltungsformate an und haben hier zahlreiche Fans.
Bislang in der Nordlicht-Kolumne
- Reportage über Islands Harfe
- Oslos junges Klassik-Publikum
- Finnlands Wagner-Wunder
- Das Bridges Kammerorchester
Im Publikum finden sich viele Neulinge, die hier zum ersten Mal Oper erleben (das Modewort immersiv ist im Marketing immer mit dabei), ohne strengen Verhaltenskodex (man darf auch was trinken im Saal) und eben nicht vier Stunden lang. Aber auch Stammgäste der Staatsoper finden den Weg hierher zum alten Fährterminal im Altona, um hier einen unterhaltsamen, oft blitzsauber inszenierten Abend in einzigartiger Kulisse zu genießen. Á propos Fährterminal: Die AIDA (das Schiff, nicht die Oper) legt regelmäßig abends direkt vor dem Haus ab. Die Vorstellungen werden so angesetzt, dass das geräuschvolle Manöver vorbei ist, wenn der Vorhang sich hebt. Aber immer wieder mal hat die AIDA Verspätung und tutet der Traviata mitten in ihre Arie hinein. Manche Künstler irritiert´s, viele im Publikum amüsiert´s. Ich jedenfalls werde noch öfters nach Hamburg ins Opernloft fahren und Freunde mit und ohne Theater-Hintergrund und auch mein Kind mitbringen.