Im zweiten Teil seiner Nordlicht-Kolumne reist Stephan Knies nach Island und stellt eines der erfolgreichsten Veranstaltungszentren vor: die Harpa.
Wie praktisch, das Wahrzeichen dient sogar als Sturmbremse für die Innenstadt: Der eisige Arktiswind bricht sich an der Diamanthülle von HARPA – und in der Fußgängerzone pfeift es weniger. Viel wichtiger ist es für die Fußgänger von Reykjavik aber, dass sie ihr Wahrzeichen auch von innen nutzen können: für Firmungen, Familienanlässe, Firmenfeiern. Deutsche Förderantragleser fänden garantiert, dass das Wort »Soziokulturelles Zentrum« am besten die Hauptfunktion des Baus beschreibt. Denn die füllt den Löwenanteil der 1500 (!) Veranstaltungen pro Jahr aus.
Benötigen Sie Konferenzzimmer? Dolmetscherkabinen? Open spaces? Einen Indoor-Spielplatz? Oder lieber Restaurants zum Feiern? Oder doch lieber einen Kammermusiksaal? Alles da! Sie sind Tourist und haben aurora borealis live verpasst? Hier gibt es ersatzweise die passende kitschige Nordlicht-Show.
DIE NORDLICHT-KOLUMNE Natürlich sterben Oper, Theater und Konzerte mit klassischer Musik in Deutschland nicht sofort aus. Vielerorts stehen sie nicht einmal auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Aus dem Norden aber hört man bemerkenswert oft etwas von Theaterneubauten, von Erfolgsmodellen und inspirierenden neuen Formaten. Solche »Nordlicht«-Erfahrungen stellt diese Kolumne von Stephan Knies vor.
Der Renner sind aber Silfurberg (Silberberg) und Norðurljós (Nordlicht), zwei mittelgroße Konzert- und Multifunktions-Säle für jeweils rund 800 Gäste. Diese sind fast immer ausgebucht: »Manchmal wünsche ich mir, wir hätten noch drei davon, ich könnte sie alle durchgehend vermieten«, sagte mir Ásta Ólafsdóttir, die HARPA-Marketingchefin.
Fast hätte es den Wunderbau nicht gegeben – es waren zwei weitere Frauen, die nach dem Baustopp während der Finanzkrise 2008 das halbfertige Betonskelett vollenden halfen, gegen alle Widerstände und Geldknappheit: Bürgermeisterin Hanna Birna Kristjánsdóttir und die damalige Kultusministerin und heutige Premierministerin Katrín Jakobsdóttir.
Jetzt aber zu Eldborg, dem Hauptsaal, benannt nach einem Vulkankrater des Landes: Hier spielt das Iceland Symphony Orchestra über 30 Programme (!) im Jahr, hier kommt jedes Frühjahr sogar eine Opernproduktion heraus, hier treten Weltklasse-Orchester und –Solisten auf, die auf halbem Weg zwischen Europa und Amerika Station machen wollen. Das alles für ein Land, das weniger Einwohner hat als der Bezirk Berlin-Mitte! Und das klappt, die Konzerte sind voll, HARPA ist ein Gemeinschaftsprojekt, und jeder will dabei sein.
Übrigens: Während Corona wollte man in Wien das Radiosinfonieorchester abschaffen – derweil wurden hier in Island sechs Konzerte zusätzlich im Fernsehen übertragen und die Radio-Übertragungen drastisch nach oben gefahren. Ganz vorne mit dabei: Chefdirigentin Eva Ollikainen (noch eine Frau also!), nach derzeitiger Mode nur 6 Wochen im Jahr im Land, aber dann umtriebig. Ein Modell, das 2026 allerdings endet. Fazit: Die Harfe klingt! Manchmal sogar an der diamantenen Außenhaut. Dann, wenn der Wind pfeift.
Hier geht es zur Homepage der HARPA
Zum ersten Teil der Nordlicht-Kolumne: der Erfolg Norwegens