Kaufmanns Bayreuth-Bashing

Juli 5, 2025
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Damals war noch alles gut: Jonas Kaufmann als Lohengrin bei den Bayreuther Festspielen. (Foto: Bayreuther Festspiele)

Jonas Kaufmann kritisiert den »Grünen Hügel« und startet einen Frontalangriff auf Regisseure wie Lotte de Beer und Romeo Castellucci – in Erl will er alles anders machen.

English summary: Opera star Jonas Kaufmann promotes his new role as artistic director in Erl with bold statements and visible ego. Ticket sales lag, and the program revolves heavily around him. In a provocative interview, he criticizes Bayreuth, Regietheater, and directors like Lotte de Beer and Castellucci. 

Wie Jonas Kaufmann da auf Instagram für die Oper Picture a Day Like This im Festspielhaus Erl wirbt, mutet schon etwas befremdlich an: Der Hausherr sitzt mit verschränkten Armen, umgeben von fünf Personen als Staffage, deren Aufgaben man nicht erfährt – und ganz nebenbei wartet das Orchester auf den Probebeginn. Dass die Erl-Intendanz von Jonas Kaufmann noch nicht ganz rund läuft, lässt sich sowohl daran erkennen, dass beim Ticketverkauf noch Luft nach oben ist als auch daran, dass das Programm noch sehr um den Intendanten selbst kreist. All das hält Kaufmann allerdings nicht davon ab, einen Rundumschlag gegen Kolleginnen und Kollegen zu starten: Bayreuth habe Angst vor seinem Erl, sagt er und in Inszenierungen von Regisseuren wie Lotte de Beer oder Romeo Castellucci fühle er sich unwohl.

All das erklärte er im österreichischen Magazin News. Wer sich bei dessen erzkonservativem Kultur-Opi, Heinz Sichrowsky (der in Deutschland weitgehend unbekannt ist), aufs Sofa setzt, weiß, dass der von seinen Gesprächspartnern in erster Linie eines erwartet: Provokation. Und Kaufmann – naiv oder geplant? – liefert.   

Die Bumerang-Kritik

Fraglich, ob er dabei merkt, wie seine Bayreuth-Kritik gleichzeitig auch sein eigenes Selbstverständnis als Sänger in Frage stellt. Bayreuth müsse inzwischen »auf Erl aufpassen«, sagt Kaufmann, da die Tiroler Festspiele unter seiner Leitung mit hochkarätigen Wagner-Produktionen zur Konkurrenz geworden seien. »Ich höre gerüchteweise aus Bayreuth, dass man sich früher wegen der Konkurrenz mit Salzburg gesorgt hat. Jetzt müssen sie auch auf Erl aufpassen, weil wir in den nächsten fünf Jahren, bis zum Ende meines Vertrages, jeden Sommer einen großen Wagner-Titel bringen«. 

Neben der »Gerüchte«-Küche erklärt der Tenor auch, warum er selber nicht mehr am Grünen Hügel zu sehen ist: »Ich habe dort 2010 ein einziges Mal gesungen, den Lohengrin. Im nächsten Jahr wurde ich von der Wiederaufnahme ausgeschlossen, weil die Proben total über den Haufen geworfen waren und ich gleichzeitig in London Tosca aufgezeichnet habe. Seither habe ich nie wieder was gehört. Bayreuth als Werkstatt, wir schließen uns hier acht Wochen ein, und am Ende sehen wir … das hat viele Leute, die international im Geschäft sind, abgeschreckt. Zumal sich die Gagen nicht mit Wien und anderen Spitzenhäusern vergleichen können.« Mit anderen Worten: das Prinzip Bayreuth widerspricht offensichtlich Kaufmanns Sängerbild des Jet-Setters, der gern dorthin reist, wo am besten bezahlt wird. 

Rundumschlag gegen das Regietheater

Aber damit noch nicht genug: Kaufmanns Rundumschlag geht weiter. Nun gegen das Regietheater. »Mir sind Regisseure lieber, die das Stück im Vordergrund stehen lassen«, sagt er und startet einen Angriff auf die Intendantin der Volksoper Wien, Lotte de Beer und deren Aida in Paris: »Sie sagte uns: ‚Ich bin eine moderne Frau und kann diese klassischen Mechanismen nicht ohne Kommentar so stehen lassen‘,« berichtet Kaufmann aus dem Nähkästchen und kritisiert ihre Arbeit. »Dabei ist die Sache klar: Da sind zwei Völker, die sind sich in vielen Dingen so ähnlich wie Russland und die Ukraine. Trotzdem führen sie Krieg miteinander, und es geht nicht darum, ob einer schwarz angemalt ist und der andere nur dunkelbraun. Es geht einfach darum, ein Ambiente zu erschaffen.« Kaufmann greift auch den Münchner Tosca-Regisseur »Kornél Mundruczó« scharf an, der die Oper ins den italienischen Faschismus verlegte – in ein Filmset von Pier Paolo Pasolini. »Eine Besetzungscouch im Filmmilieu«, kritisiert Kaufmann, »bei Puccini sind die Emotionen so klar, dass ich als Sänger nicht weiter weiß, wenn zu den Emotionen kein Anlass ist«, und auch in Romeo Castelluccis Münchner Tannhäuser habe sich der Tenor unwohl gefühlt. Wir schweigen an dieser Stelle über die »Gerüchteküche«, mit welch merkwürdigen Anrufen sich der Intendant Jonas Kaufmann bei seinen Regie-Anfragen Abfuhren abholen soll.

Er will in Erl jetzt alles anders machen. Kaufmann betont, dass er sich als Intendant der Festspiele vor allem auf künstlerische Qualität und Werktreue konzentrieren wolle. Die Festspiele seien bewusst als Wagner-Festival gegründet worden, das sich auch zeitgenössischer Musik öffne, aber nicht auf »Best-of«-Programme. Schauen wir mal, ob das Publikum und vor allen Dingen der Rest der Opernwelt dem Intendanten in Zukunft folgen wird, der sehr überzeugt von sich ist und viele andere ziemlich blöde findet.

Transparenzhinweis: Der Autor moderiert das Open Air der Bayreuther Festspiele

Axel Brüggemann

Axel Brüggemann arbeitet als Autor, Regisseur und Moderator. Er war als Kulturredakteur und Textchef bei der Welt am Sonntag tätig und schrieb danach für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Heute veröffentlicht er u.a. im Tagesspiegel, im Freitag, der Jüdischen Allgemeinen oder in der Luzerner Zeitung. Er arbeitet für Radiosender wie den Deutschlandfunk, den WDR oder den HR. Seine Fernsehsendungen und Dokumentationen (für ARD, ZDF, arte oder SKY) wurden für den Grimmepreis nominiert und mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. Brüggemann schrieb zahlreiche Bücher u.a. für Bärenreiter, Rowohlt, Beltz & Gelberg oder FAZ Buch.

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