Der Intendant der Oper Stuttgart, Viktor Schoner, fordert neue Tarifverträge für die Orchester, mehr Dialog mit den Musikdirektoren und ärgert sich über die Gerüchteküche in München.
Der Intendant der Oper Stuttgart, Viktor Schoner, sucht nach neuen Wegen des Musiktheaters. Und er steht immer wieder in der öffentlichen Debatte. Gerade haben er und sein Musikdirektor Cornelius Meister beschlossen, getrennte Wege zu gehen. Kurzfristig war Schoner auch als Intendant für München im Gespräch. Wie kam es dazu, und wie kann es mit der Kommunikation der einzelnen Gruppen an einem Theater klappen – darüber und über seinen neuen Spielplan spricht Schoner im Podcast Guten Morgen, … (hier für alle Formate)
Schoner glaubt, dass das Regietheater der alten Schule (»das, was man in den USA European Trash nennt«) seit spätestens 2020 am Ende ist. Nun müsse man nach neuen Formen suchen. Schoner verweist auf Skandinavien und Asien, wo in den letzten Jahren erfolgreich Kultureinrichtungen gebaut wurden, um Städten ein Zentrum zu geben. Theater müssten sich auch in Europa inzwischen eher als Kulturzentren verstehen, in denen unterschiedliche kulturelle Strömungen aufgenommen würden. Außerdem brauche es an deutschen Theatern neue Strukturen, um die Balance von Musik-Abteilungen (Orchestern) und Intendanz neu zu justieren. »Es geht auch um die Frage: Wie sieht das Orchester von morgen aus?«, sagt Schoner, »da ist der derzeitige Flächentarifvertrag sicherlich nicht hilfreich.« Schoner gibt dem Vorsitzenden der GMD-Konferenz, Marcus Bosch, Recht, der im Podcast von BackstageCassical gefordert hatte, dass der Dialog zwischen Intendanzen und Musikdirektionen verbessert werden müsse. »Ich kenne das im Idealzustand zwischen Bachler und Petrenko in München«, sagt Schoner, »Gérard Mortier, der auf Gastdirigenten gesetzt hat, statt auf einen GMD ist mit diesem Ansatz eher gescheitert. Dialog bedeutet jeden Tag zu sprechen.«
Über das Gerücht, dass er als Intendant in München im Gespräch sei, sagt Schoner: »Ich habe mich über die Debatte wirklich geärgert, auch weil die Behauptung eines Journalisten vollkommen an den Haaren herbeigezogen war. Es gab und gibt tatsächlich keine Gespräche mit der Münchner Kulturpolitik.«
Auszüge aus dem Podcast:
Viktor Schoner über Dirigenten und Intendanten
»Der Umgang zwischen Intendanten und Dirigenten ist ein großes Thema. Es ist eine zentrale Frage an großen Häusern, wie man miteinander umgeht. Am Ende gibt es auf allen Seiten große Künstler-Egos. Der GMD hat natürlich auch Verantwortung für eine Abteilung innerhalb des Hauses, und Marcus Bosch hat Recht, dass wir die Zusammenarbeit von allen Seiten ernst nehmen müssen. Ich kenne das im Idealzustand zwischen Nikolaus Bachler und Kirill Petrenko in München. Gérard Mortier hat auf Gastdirigenten statt auf einen GMD gesetzt – und ist damit eher gescheitert. Dialog bedeutet jeden Tag zu sprechen.«
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»An Häusern wie Kassel (hier streiten Intendant Florian Lutz und das Orchester, die Red.) herrscht vielleicht gerade eine etwas andere Art der Kommunikation, das ist eher eine Wiederholung von Halle. Aber am Ende muss es darum gehen, dass alle miteinander sprechen. Es geht ja nicht nur um das Verhältnis von Intendant und GMD, die Theater-Familie ist ja noch viel größer. Das Orchester ist ja anders organisiert als Tänzer oder Schauspieler. Da wird sich in den nächsten 30 Jahren viel wandeln – egal, ob die Orchester das wollen, oder nicht.«
Über nötige Strukturveränderungen
»Letztlich bleibt es wohl auch eine Frage der Strukturen an den Theatern. Wahrscheinlich muss man mit Blick auf die öffentlichen Kassen auch an die Tarifverträge ran. Das wird mit Sicherheit heikel, aber das stellt gleichzeitig auch die Frage: Wie sieht das Orchester von morgen aus? Da ist der derzeitige Flächentarifvertrag sicherlich nicht hilfreich.«
Über Regisseure als Intendanten
»Es gibt ein großes Problem mit Künstlerpersönlichkeiten in Leitungspositionen. Das ist nicht per se Scheiße, aber ich muss Barrie Kosky da auch widersprechen. Die Komische-Oper-Zeit von ihm war natürlich geil – vor allen Dingen aber, weil seine eigenen Inszenierungen geil waren.«
Über die Trennung von Cornelius Meister
«Cornelius und ich haben kein Problem miteinander. Es gab das Tarifvertrags-Problem, für das er sich sehr stark gemacht hat, und mit dem er nun nicht weiter gekommen ist.«
Über die Intendanz in München
»Ich habe mich über die Debatte wirklich geärgert, auch weil die Behauptung eines Journalisten, dass ich im Gespräch sei, vollkommen an den Haaren herbeigezogen war. Es gab tatsächlich keine Gespräche mit der Münchner Kulturpolitik. Oft wird ja die zweite oder dritte Reihe der Politik unterschätzt. München hatte früher einen Mann wie Toni Schmid, der Staatssekretär für Kultur, der die Kunst und die Künstler kannte und langfristige Entscheidungen hinter den Kulissen getroffen hat. So jemand fehlt heute. Ich finde, jetzt sollte man München erst Mal in Ruhe lassen – da steht immerhin noch ein Ring aus. Ansonsten ist es vielleicht ein bisschen wie beim Fußball: In Bayern fliegt man raus, wenn man Zweiter ist, in Stuttgart freut man sich über den zweiten Platz!«