Anna Netrebko war das Highlight der Berliner Nabucco-Premiere. Unter den Gästen war auch der Altkanzler. Eine Presserundschau.
Die Nabucco-Premiere an der Staatsoper in Berlin war ein Fest von Anna Netrebko, darin sind sich alle Kritikerinnen und Kritiker einig. »Sie steckt ihre Kollegen weitgehend in die Tasche durch Klarheit und Durchschlagskraft ihrer Stimme«, schreibt Peter Uehling in der Berliner Zeitung, »Wenn sie ihre große Arie zu Beginn des Zweiten Bildes singt, irritiert diese vokale Präsenz im Raum geradezu.« Manuel Brug in der Welt stimmt zu: »Wenn man ihr immer dunkler druckvolles, bisweilen auch ordinäres Brustregister mag, die davon isolierten, sich arg lang einschwingenden Spitzentöne.« Und auch Wolfgang Schreiber in der Süddeutschen findet: »Netrebko entfaltet auf der Bühne die vokale Intensität ihrer Kunst in einer Darstellung, welche in der Inszenierung durch die Italienerin Emma Dante und den musikalischen Furor der von Bertrand de Billy dirigierten Staatskapelle leider eine nur bedingte Deutungshoheit gewinnen kann.«
Tatsächlich scheint alles um den Star-Sopran herum etwas zu schwächeln. Brug schreibt: »Als Ersatz für Daniel Barenboim agiert im Staatskapellengraben Bertrand de Billy. Der dirigiert zunächst tänzelnd, nervös, mit durchsichtiger Delikatesse, was im Verlauf immer schwerfälliger, lärmig grob und geradlinig langweilig wird.« Und Uehling ergänzt: »Man hätte bei der von Verdi nicht übermäßig differenziert instrumentierten Partitur vielleicht weniger auf Klangfarben als auf Rhythmus und Tempo setzen sollen.«
Einhellig vernichtend fällt die Kritik für die ästhetische Nicht-Regie der Italienerin Emma Dante aus. »Bespielt wird nur die vordere Bühnenfläche. Auf der wird meist gestanden und mit den Armen gerudert«, ätzt Brug, und Schreiber attestiert: »Fast alle Bild- und Handlungselemente erscheinen herbeigezwungen: Kriegerische Menschen in Phantasiekostümen (Vanessa Sannino) fuchteln immerzu mit Pistolen (…).« Für die Zeit subsumiert Alexander Cammann: »Derart verspielt sollte Terror in der Oper eigentlich heute dann doch lieber nicht auftreten.« Und so sah es laut Uehling auch das Publikum: »Sie hat am Ende sehr viele Buhs einstecken müssen. (…) Weder wagt das Bühnenbild von Carmine Maringola eine räumlich-zeitliche Ortung des Geschehens noch vermag man anhand der Kostüme von Vanessa Sannino klar Fronten zwischen den Personen auszumachen. Die Inszenierung bietet Bilder, die so schön dann auch wieder nicht sind.«
»Luca Salsi als Nabucco verfügt über die Farbpalette einer Netrebko nicht«, schreibt die Berliner Zeitung, »obgleich auch er mit seinem Bekenntnis zum jüdischen Glauben sehr zu berühren vermag.« Und Schreiber ergänzt: »Im Ensemble überzeugen der grandiose Mezzo der Marina Prudenskaya als Fenena und Luca Salsis auftrumpfender Bariton des Nabucco. Der Zaccaria von Mika Kares’ Basstiefe entbehrt ebenso der Geschmeidigkeit wie der Ismaele des Ivan Magri. Im Ganzen schade – kein gelungener Verdi!«
Die Zeit beobachtet am Rande noch ein anderes Spektakel: »Friede Springer und ihr Vorstandsvorsitzender, der Musikwissenschaftler Mathias Döpfner, lauschen mit zwanzig Metern Sicherheitsabstand zum mit Russland innig verbundenen Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der im taubenblauen Anzug neben seiner Gattin So-yeon Schröder-Kim strahlt.«
★★★☆☆