Heute diskutieren die Ministerpräsidenten über die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Geplant ist auch eine Fusion von arte und 3Sat. Aber die scheint allein technisch unmöglich.
Die Zahlen sind imposant: Über 140.000 Menschen haben eine Petition gegen die Fusion von 3sat und arte unterschrieben, 13.000 Menschen haben in Online-Kommentaren gegen den Staatsvertragsentwurf protestiert, der jetzt von der Ministerpräsidentenkonferenz verhandelt werden soll. Konkret geht es darum: Der Kultursender 3sat soll mittelfristig mit arte fusionieren, Spartensender wie ZDFneo oder One von der ARD stehen zur Disposition, die Info-Programme ARD alpha, ZDFinfo, Tagesschau 24 und Phoenix sollen auf zwei Angebote reduziert werden, und von den derzeit 69 öffentlich-rechtlichen Radioprogrammen sollen lediglich 53 überleben.
So laut die öffentliche Debatte um diese Vorschläge ablief, so offen bleibt: Wie soll die geplante Streich- und Fusionsorgie überhaupt umgesetzt werden? Einer der Köpfe hinter dem Staatsvertragsentwurf ist CDU-Politiker Nathanael Liminski. Er ist Staatskanzleichef in NRW. Gefragt, wie er sich eine Fusion von 3sat mit arte konkret vorstellt und welche Sendungen unbedingt gerettet werden sollten, bleibt er wortkarg. Die „Details“ seien am Ende „eine Frage der Sender und Redaktionen“, sagt er, da wolle er sich nicht einmischen.
Das Puzzle arte und 3Sat passt nicht zusammen
Bei einem genaueren Blick scheint eine Zusammenlegung der beiden Kulturkanäle weitgehend unmöglich. Das liegt vor allen Dingen an den Konstruktionen der Sender: 3sat ist ein Gemeinschaftsprogramm, zu dem sich der ORF aus Österreich, der SFR aus der Schweiz und Deutschland zusammengeschlossen haben. So werden etwa die Moderatorinnen und Moderatoren der Sendung kulturzeit paritätisch aus den drei Ländern rekrutiert. Und natürlich hat auch jedes Land ein Mitspracherecht im Programm. Wenn allein Deutschland hier aussteigt, blieben viele Fragen für Österreich und die Schweiz offen.
Noch komplexer ist das Konstrukt bei arte. Hier wird das Programm gemeinschaftlich zur einen Hälfte von den ARD-Sendern und dem ZDF, zur anderen von Vertretern aus Frankreich gemacht. Konkret bedeutet das: Jede Dokumentation wird zunächst von einem deutschen Sender in einer nationalen arte-Runde abgesegnet, um dann in die Runde mit Vertretern beider Länder zu gelangen – erst danach wird sie ins Programm gehoben.

3sat und arte sind also ebenso wenig kompatibel wie ein Puzzleteile des Louvre in einem Puzzle des Brandenburger Tors. Es ist schlicht undenkbar, dass Programme, die in Österreich, der Schweiz und Deutschland entwickelt werden, bei arte durchgewinkt werden. Man sieht das heute bereits am Geo-Blocking der einzelnen Sender in den jeweils anderen Mitglieds-Staaten. So sind in Österreich nur wenig arte-Inhalte abrufbar. Es widerspricht dem Auftrag von arte, eine kultzurzeit mit Themen aus Wien und Zürich zu übernehmen. Das bedeutet, das Gerede von einer 3sat-Fusion wäre in Wahrheit das Ende des Senders.
Warum sind die Proteste der Sender so leise?
Und so verwundert es auch nicht, dass das Schweizer Fernsehen sich derzeit nicht zur laufenden Rundfunkreform in Deutschland äußern will und der ORF lediglich seine Hoffnung formuliert, dass die eigenen Produktionen weiterhin einem internationalen Publikum zugänglich bleiben.
Überhaupt ist es merkwürdig, dass der Protest innerhalb der Sender relativ still blieb. Haben die Senderleitungen den Kulturkahlschlag etwa schon einkalkuliert? So wäre immerhin die zögerliche Haltung von 3sat -Chefin Nathalie Müller-Elmau zu erklären, von der lediglich zu hören war, dass sie von den aktuellen Plänen überrascht worden sei und dass ihr die Fantasie fehle, wie eine Fusion konkret aussehen könnte.
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All das wirft die grundsätzliche Frage auf, ob unsere Fernsehsender überhaupt reformierbar sind. In Zeiten, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade von Parteien wie der AfD unter Beschuss gerät, wären Selbstbewusstsein, Transparenz und Offenheit besonders wichtig. Stattdessen scheint in vielen Redaktionen Panik zu herrschen. Und so entwickeln irgendwelche Kommissionen andauernd immer neue Punkte-Pläne, nach denen Dokumentationen, Filme und andere Programm-Elemente bereits im Vorfeld auf ihre Akzeptanz beim Publikum überprüft und bewertet werden sollen. Das Ergebnis ist, dass ausgerechnet das, was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einst stark gemacht hat, strategisch ausgeschaltet wird: die Freiheit im Denken, der Mut zur Kreativität, und die inhaltliche Überraschung.
Radio Bremen, der NDR oder der WDR wurden nur durch starke und furchtlose regionale Redakteure, die Verantwortung für ihre Arbeit übernommen haben, zu herrlichen enfant terribles des Fernsehgeschäfts und haben legendäre Formate vom Musikladen über den Beat Club, von 3nach9 über die NDR Talkshow bis zu Bios Bahnhof geschaffen. Ganz zu Schweigen vom Engagement des WDR für die digitale Musik eines Karlheinz Stockhausen, dem Experimentalstudio des SWR in Freiburg oder dem Asyl, das Radio Bremen einst dem Alte-Musik-Revoluzzer Nikolaus Harnoncourt gegeben hat. All diese Projekte haben das Image des öffentlich-rechtlichen Fernsehens geschaffen – und würden heute wohl kein Gremium der ARD mehr überleben.
Quote oder Bildung?
Stattdessen begibt man sich in eine absurde Quoten-Konkurrenz mit den privaten Sendern und versucht – entgegen dem Staatsvertrag – die eigene Legitimation durch Kochsendungen, Volksmusikabende, Quizshows und endlose Talk-Formate zu begründen. Doch genau diese programmatische Anbiederung funktioniert als Legitimation offensichtlich nicht mehr. Gerade die Kultur wird, wenn sie sich als „niedrigschwellig“ anbiedert, zur Abschaffung freigegeben.
Es ist bezeichnend, dass die großen Protestaktionen gegen den Staatsvertragsentwurf nicht aus den Sendern selber kamen, sondern in erster Linie von Menschen, die auf die Kultursendeplätze im öffentlich-rechtlichen Rundfunk angewiesen sind. So hat die freie Produzentin und Autorin Katja Riha die Petition gegen die 3sat-Abschaffung gestartet, und die prominenten Köpfe in der Öffentlichkeit waren ebenfalls in erster Linie Künstlerinnen und Künstler, die regelmäßig bei 3sat auftreten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Stimmung außerhalb der Sender etwas anders ist.

Eine (nicht repräsentative) Schnell-Umfrage der Seite yogov fällt so aus: 25 Prozent der Teilnehmenden lehnen eine Fusion von 3sat mit arte „ganz“ oder „eher“ ab, 38 Prozent befürworten sie aber „eher“ oder „voll und ganz“. 37 Prozent der Teilnehmenden haben in dieser Sache keine Meinung. Mit anderen Worten: 75 Prozent der Befragten würde eine Abschaffung von 3sat eher wenig stören. Neulich erklärte Mickey Beisenherz in seinem Podcast Apokalypse und Filterkaffee, dass er, wenn er ehrlich sei, 3sat schon lange nicht mehr eingeschaltet habe – und wenn, dann höchstens für die Wiederholung des aktuellen Sportstudios.
So wichtig es scheint, für das Kulturangebot bei öffentlich-rechtlichen Sendern zu kämpfen, so wichtig ist es auch, kritisch mit dem aktuellen Angebot ins Gericht zu gehen. Letzten Sonntag zeigte das ZDF im Hauptprogramm seine Klassik-Show, den Opus Klassik:heute show-Comedian Florian Köster legte die Humor-Latte ziemlich tief, und trotz Anbiederung bei einem breiten Publikum blieb das breite Publikum aus. Die Sendung erreichte eine Mini-Quote von 7,6 Prozent. Grundsätzlich wäre das nicht schlimm und durch den Kulturauftrag gedeckt. Aber wäre diese Quote nicht auch möglich gewesen, wenn man mehr Mut bewiesen und ein anspruchsvolleres Programm gesendet hätte? Hätte die Kultur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr Rückhalt, auch bei jenen, die sie eh nicht einschalten, wenn sie sich nicht einem Mainstream anbiedern, sondern ihrer eigenen Sperrigkeit treu bleiben würde?
Viele Kulturschaffende sind plötzlich verwundert, dass der radikale Kahlschlag von Kulturprogrammen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk so schnell zur Realität wird. Es begann mit subtilen Andeutungen, etwa als Tom Buhrow in Hamburg laut darüber nachdachte, ob man die Rundfunkorchester nicht auf ein Minimum zurückstreichen könnte, oder als Markus Söder zum ersten Mal darüber schwadronierte, 3sat und arte zu fusionieren.
Die ARD fusioniert schon lange
Inzwischen wird in der ARD längst ein Fusions-Konzept verfolgt, nach dem die regionalen Kultur-Radios auf der Abendschiene zusammengelegt werden und die Klassik-Programme am Montag, Mittwoch und am Samstag als Gemeinschaftsprogramm ausgestrahlt werden. Auch musikjournalistische Sendungen werden am Abend gemeinsam von Bayern 2, Bremen 2 und Radio 1 gesendet. Die Kultur im Deutschlandradio und im Deutschlandradio Kultur werden neuerdings von einer Redaktion koordiniert. Und wie die vollkommene Verflachung der Kultur aussieht, kann man derzeit bereits in Berlin hören: Der Kultursender rbbKultur wurde nicht nur in radio3 umbenannt und sendet am Morgen zwischen 6:00 und 10:00 keine Klassik mehr. Stattdessen gibt Morgen-Moderator Jörg Tadeusz sein Klassik-Halbwissen ungeniert zum Besten – inklusive ziemlich vieler Fremdschäm-Momente.

Jetzt geht es offensichtlich erst einmal darum, die letzten Kultur-Räume innerhalb der öffentlich-rechtlichen Sender zu retten. Deshalb sind die Petition und die Kommentare zum aktuellen Staatsvertragesentwurf wichtig. Aber wenn die Einsparungen in letzter Sekunde abgewendet werden, ist es existenziell, dass die Redaktionen sich selber fragen, wie sie ihre Flächen in Zukunft nutzen wollen – und zwar so, dass Kultur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk unangreifbarer wird. Vielleicht wäre mehr Mut zur Tiefe eine der Lösungen.