Die GEMA wird reformiert. Das sorgt für Unmut bei Komponisten. Aber was ist mit den Interpreten? Und wäre es nicht Zeit, zusammenzuhalten? Gedanken von Shoko Kuroe.
English summary: The GEMA reform sparks debate among composers, but what about performers? The discussion pits artists against each other instead of uniting them. Small concerts vital for new classical music may suffer from increased fees. Performers, crucial for bringing compositions to life, are often treated as „users“ rather than key contributors. The reform must not create further divisions but instead support more performances of contemporary works.
Derzeit läuft die GEMA-Reform. Trotz einiger Forderungen nach »Solidarität« und »Aufschrei« führt die öffentliche Diskussion in Richtung einem Kampf »Jeder gegen Jeden«: U-Komponisten gegen E-Komponisten, Davidsbündler gegen Philister, Urheber gegen Nutzer, Erfolgreiche gegen Erfolglose. Ein grundlegenderes Problem hinter dem Reformvorhaben wird dabei verdeckt: Umgang mit Machtverhältnissen zwischen den als Einzelkämpfer agierenden Künstlern und den mit Finanzkraft und Algorithmen ausgestatteten Wirtschaftsriesen der Branche.
Naturgemäß wünschen sich die meisten Komponisten und Komponistinnen von E-Musik, dass ihre Werke in Fachkreisen anerkannt und von renommierten Ensembles, Dirigenten und Solisten auf großen Bühnen aufgeführt werden. Die Spitze kann jedoch in der Kunst – unabhängig davon, ob es sich um E- oder U-Musik handelt – nur dann existieren, wenn auch eine breite und solide Basis vorhanden ist.
Wenn Veranstalter Gebühren abwälzen
Wenn zeitgenössische Klassik oder Neue Musik nur im Rahmen entsprechender Festivals gespielt wird, bekommt sie in gewisser Weise Eventcharakter. Leuchtturmkonzerte sind wichtig. Nachhaltig wird die Musik aber erst, wenn sie auch niedrigschwellig gespielt werden kann.
Das sind z.B. Konzerte, die von engagierten Menschen eines Kulturvereins ehrenamtlich organisiert werden, in einem Saal mit 100 Sitzplätzen und 50 Zuhörern. Wenn bei solchen Konzerten überhaupt geschützte Werke aufgeführt werden können, ist der Eintritt meistens gering oder sogar frei. Zum einen, um Interessierte dazu zu bewegen, zu kommen, zum anderen, um die GEMA Gebühr, die nach Saalgröße und Eintrittspreisen gestaffelt ist, bezahlbar zu halten. Hierbei geht es nicht um die Maximierung des Profits, sondern um die Minimierung des Verlustrisikos. Niemand wird davon reich.
Solche Konzerte an der Basis sind aber mitnichten Privatvergnügen, sondern wichtige Orte der Musikvermittlung. Chopin und Beethoven sind auch deswegen allgemein bekannt, weil sie überall gespielt werden. Meisterwerke der zeitgenössischen Klassik verdienen ähnliche Sichtbarkeit.
Die Rolle der Interpreten
Außerdem brauchen Komponisten und Interpreten Freiräume zum künstlerischen Experimentieren ohne kommerziellen Erfolgsdruck. Manche aktuelle Werke sind so progressiv, dass ihre Bedeutung erst viel später erkannt wird. Andere Werke, die noch auf der Suche sind und daher noch nicht vollendet klingen, können wegweisend für spätere Werke sein. Manche Werke mögen zwar tatsächlich durchschnittlich sein – aber auch sie sind Mosaiksteine in der lebendigen und sich entwickelnden Musikgeschichte.
Die Inkassoregelung würde diese Basis besonders hart treffen, denn dann würden die Komponisten der aufgeführten Werke finanziell praktisch leer ausgehen, es sei denn, die GEMA-Tarife würden so reformiert, dass künftig auch im Basisbereich hohe Gebühren anfallen, was wiederum die Veranstalter belasten würde.

Eine Besonderheit der zeitgenössischen Klassik ist die Arbeitsteilung zwischen Komponist und Interpret. Der Komponist schreibt die Noten. Der Interpret studiert das Werk auf seinem Instrument ein und spielt es. Erst dann wird die Musik für das Publikum hörbar. Das ist ein anderes Verfahren als bei den Musiksparten, wo der Komponist seine Musik digital am Computer direkt als Audiodateiproduziert. In der klassischen Musik ist das Label einer CD-Produktion auch nicht unbedingt identisch mit dem Notenverlag.
Keine weiteren Spannungen
Auch wenn der Interpret als Vermittler zwischen Komponist und Publikum unverzichtbar ist, ist er im Sinne der GEMA ein »Nutzer«. Das GEMA-System für Live-Konzerte ist so konzipiert, dass der Veranstalter die GEMA-Gebühr trägt. Doch schon heute suchen manche Veranstalter nach Konstruktionen zur Kostenminimierung: Sie ziehen die GEMA-Gebühr faktisch von den Künstlergagen ab oder lassen die Musiker quasi als Veranstalter auftreten.
Die GEMA-Reform darf nicht zu weiteren Spannungen zwischen den verschiedenen Akteuren in der zeitgenössischen Musikszene führen. Die Einstudierung von zeitgenössischer E-Musik (oder Kunstmusik, wie sie künftig bei der GEMA heißen soll) ist arbeits-, zeit- und kostenintensiv. Es geschieht aus Überzeugung und aus Liebe zur Musik. Musikerinnen und Musiker, die zeitgenössische Werke spielen, wollen, dass diese großartige Musik gehört wird, dass sich die Klassik weiterentwickelt und lebendig bleibt. Lasst uns doch gemeinsam für mehr Aufführungen zeitgenössischer Werke eintreten.