Die Präsidentin der Bühnengewerkschaft Lisa Jopt und der Präsident des Deutschen Bühnenvereins Carsten Brosda debattieren die Situation an Deutschen Theatern – und die Dringlichkeit eines neuen Traifvertrages für die Bühne.
Heikle Themen: Die Präsidentin der Bühnengewerkschaft (GDBA) Lisa Jopt und der Präsident des Deutschen Bühnenvereins Carsten Brosda ringen um die Situation an Deutschen Theatern. Es geht um Kündigungs-Modelle, Berufungsverfahren, die Gagen-Politik, um Willkür und die Verantwortung der Kulturpolitik.
Brosda erkennt, dass Handlungsbedarf besteht, sieht aber bereits Positiv-Beispiele an verschiedenen Häusern. Er will die Ergebnisse der guten Pionierprojekte in die Tarifverhandlungen einbringen. Willkür an deutschen Häusern sieht er nicht, hat aber Verständnis für ein familienfreundlicheres Umfeld an den Theatern. Lisa Jopt fordert besonders das Ende der Kündigungsregel, mehr Gehalt und setzt sich ebenfalls für familienfreundlichere Arbeitsbedingungen an den Häusern ein. (nachzuhören auch im aktuellen Podcast »Alles klar, Klassik« der Liz Mohn Stiftung hier der Podcast für alle Player und für applePodcast)
Hier die wichtigsten Positionen:
Lisa Jopt über die Forderung der Gewerkschaft
»Viele Künstlerinnen und Künstler gehen einem Beruf mit fehlenden Arbeitszeitregelungen nach und leben mit dem Damoklesschwert der »Nichtverlängerung«. Das macht den Menschen an den Theatern Angst und begünstigt den Machtmissbrauch an den Häusern.«
Carsten Brosda über aktuelle Arbeitsbedinugungen
»Theater und Kulturorte müssen als Orte guter Arbeitsbedingungen wahrgenommen werden. Da haben viele Diskussionen der letzten Jahre, besonders was das Verhalten in Führungspositionen betrifft, nicht sonderlich geholfen. Weil es immer wieder Hinweise gab, dass es Arbeitsbedingungen an Theatern gibt, die nicht mehr akzeptabel sind. Am Ende geht es natürlich auch darum, wie die Menschen entlohnt werden, und wie ihre Arbeitsbedingungen sind. Wenn es heute noch so ist, dass man bis 14:00 Uhr bestimmen kann, wie und wann am Folgetag gearbeitet wird, muss das natürlich geändert werden.«
Lisa Jopt über den Verlauf der Verhandlungen
»Es gibt einen Regelbedarf, aber die Schritte, die wir in einem ersten Positionsaustausch gemacht haben, sind für uns als Gewerkschaft noch zu klein. Wir müssen einen Tarifvertrag reformieren, der in den letzten 30 Jahren kaum Verbesserungen gebracht hat. Im Vordergrund stehen für uns neben der Bezahlung die Nichtverlängerungsklauseln, die Gastrechte und die Ernennungskriterien bei Führungspersonal.«
Carsten Brosda über Positiv-Beispiele
»Viele Häuser arbeiten ja längst nicht mehr stur nach dem Normalvertrag (NV) Bühne. Die machen zum Beispiel jetzt schon einen Wochen-Probenplan. Trotzdem gibt es natürlich problematische Zeiten wie Endproben. Da kann sich Arbeit schon Mal verdichten. Man muss dann Grenzen vereinbaren und sehen, wie man das kompensiert. In den Häusern gibt es aber schon viele Lösungen in der betrieblichen Wirklichkeit, und es muss darum gehen, von diesen Erfahrungen zu lernen. Wir wollen als Theater ja ein Ort sein, in dem Kreativität möglich ist. Und ich hoffe, dass wir das ohne folkloristische Tarifverhandlungsroutinen gemeinsam entwickeln können.«
Lisa Jopt über den »Flatrate Vertrag«
»Es gibt viele Situationen innerhalb eines künstlerischen Beschäftigungsverhältnisses, die sehr kritisch sind. Besonders, dass die Beschäftigung jedes Jahr aus künstlerischen Gründen aufgekündigt werden kann. Und dann diese alltäglichen Situationen: »Du ziehst jetzt das Kostüm an, weil der Intendant das so will.« Oder: »Der Intendant inszeniert, da wird jetzt nicht so viel diskutiert. Denn die Dramaturgin ist seine Frau…« All das sind sehr beklemmende Verhältnisse. Und weil das anders werden muss, bekommen wir in der Gewerkschaft auch immer mehr Zuspruch.«
Carsten Brosda über die Frage der Nichtverlängerung
»Die Frage der Nichtverlängerung ist ganz entscheidend, sowohl, wenn es um die Frage von Kunstfreiheit geht, aber auch um die Frage der Sicherheit von Mitarbeitenden. Natürlich gibt es das Argument des Machtmissbrauchs, aber es gibt eben auch die Argumentation, dass man nur durch diese Regelung überhaupt in eine unbefristete Anstellung kommen kann. Meine Sorge ist: Wenn wir die Schraube an dieser Stelle überdrehen, schaffen wir einige der unbefristeten Verhältnisse vielleicht ab. Und das würde die Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch weiter verschlechtern. Ich nehme derzeit auch nicht wahr, dass jemand leichtfertig mit der Nichtverlängerung umgeht.«
Lisa Jopt über neue Modelle
»Wir entwickeln neue Arbeitszeitmodelle, die auf der einen Seite die Flexibilität des Betriebes gewährleisten, auf der anderen aber die Flatrate-Mentalität verhindern sollen. Derzeit gibt es noch zu große Missstände: Man hat zum Beispiel den Anspruch auf anderthalb freie Tage, aber die müssen nicht zusammen gewährt werden. Solche Dinge erschöpfen die Leute. Und das kann so nicht weiter gehen. Unter diesen Verträgen leiden besonders die Familien. Sie haben einen gigantischen Sozialstress. Da müssen wir unbedingt ran.«
Carsten Brosda über Beschwerdestellen
»Uns ist schon viel geholfen, wenn die Häuser die Grundlagen der Verträge ernst nehmen, oft gibt es die vorgeschriebenen Beschwerdestellen gar nicht. Außerdem ist es wichtig, dass es vernünftige Strukturen von Betriebs- und Personalräten gibt, und gerade im kommunalen Bereich ist die Frage, ob im Zuge der Compliance-Fragen eine Berschwerdestruktur etabliert werden kann, die außerhalb der Institution selber liegt. Das ist jedenfalls, was wir empfehlen.«
Lisa Jopt über die Privilegien in Deutschland
»Auch in Zeiten klammer Kassen gilt, dass wir ein Theater bezahlen müssen, wenn wir ein Theater haben wollen. Und zwar in der Höhe, die ein Theater auch wirklich kostet. Tatsächlich sind die Bedingungen in Deutschland, verglichen mit anderen Ländern, nicht die Schlechtesten. Aber es kann ja nicht sein, dass wir argumentieren: Den Anderen geht es noch schlechter, deshalb müssen wir zufrieden sein mit dem, was wir haben. Das ist eine schwache Argumentation.«
Carsten Brosda über die AfD
»Die Sorge, die ich habe, sind Wahlprogramme der AfD. Da werden Zuwendungen an die Verpflichtung gebunden, dass die regionale Identität und das Heimatgefühl einer Region gestärkt wird. Oder dass die Stücke einer deutschen Leitkultur entsprechen. Ich frage mich: Dürften Leute wie Barrie Kosky überhaupt noch an einem deutschen Haus arbeiten? Deswegen steht es jetzt Spitz auf Knopf, und ich unterstütze die Kampagne Theater für Demokratie. Es muss jetzt darum gehen, unsere Freiheit zu sichern, denn es droht etwas grundlegend zu erodieren.«