Eine neue Studie zeigt, dass Machtmissbrauch nicht der Vergangenheit angehört. Sie soll Signalwirkung auch für andere Hochschulen haben.
Die Musikhochschule München hat auf vielen Ebenen ein schwieriges Erbe: Die historische Last des Nationalsozialismus wird bereits durch den Hitler-Bau symbolisiert, und in jüngster Vergangenheit hat die Hochschule auch Schlagzeilen auf Grund von Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen gemacht. Der ehemalige Präsident Siegfried Mauser wurde dafür rechtskräftig zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die neue Präsidentin Lydia Grün setzt sich seit Amtsantritt intensiv und äußerst verantwortungsvoll mit dieser Vergangenheit auseinander.
Bereits 2015 hat die Hochschule erste Maßnahmen ergriffen, neue Beschwerdewege und ein Netzwerk von Vertrauenspersonen geschaffen. Nun wurde das Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP München) mit einer umfangreichen Studie beauftragt, deren Ergebnis am heutigen Donnerstag vorgestellt wurde. Zusammengefasst hat die Hochschule zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um Machtmissbrauch zu vermeiden, aber noch immer seien erschreckend viele Studierende von Übergriffen betroffen.
Konkret haben fast 90 Prozent der befragten Studierenden angegeben, Machtmissbrauch selbst erlebt, gesehen oder mitbekommen zu haben. Dazu gehören sowohl verbale als auch körperliche Übergriffe.
Lydia Grün erklärte, Diskriminierung und sexualisierte Gewalt seien an der Münchner Hochschule kein Thema der Vergangenheit: »Dass Menschen immer noch Leid erfahren müssen und belastende Situationen erleben, ist alarmierend und macht uns stark betroffen.« Die Präsidentin entschuldigte sich bei den Opfern und kündigte weitere Schritte innerhalb eines Sieben-Punkte-Planes an, in dem unterschiedliche Handlungsfelder benannt wurden. Dazu gehören unter anderen eine neue Organisation der Verantwortlichkeiten, die Überprüfung der bisherigen Strukturen (anonyme Beschwerdewege werden eingerichtet), ein besonderer Blick auf Jungstudierende (der Aufbau einer HMTM Young Academy wurde angekündigt) und eine Evaluation der internen Kommunikation. Außerdem soll ein Fokus auf Studierende aus dem Ausland gelegt werden, die sich verhältnismäßig wenig an der Umfrage beteiligt hatten. Das Thema »Erinnern und Lernen« soll ebenfalls in den Vordergrund gerückt werden. Des weiteren wird die Hochschule ein Zentrum »Kunst & Gesundheit« gründen, um den Fokus auf körperliche und mentale Gesundheit zu legen.
Studentenvertreter Felix Starzonek glaubt, dass von der Studie eine »Signalwirkung für alle Musikhochschulen im deutschsprachigen Raum« ausgehe. Der größte Fehler wäre es, wenn die alten Strukturen weiterhin toleriert und reproduziert würden.
Die Studie der Hochschule umfasste qualitative Interviews und eine Vollerhebung per Fragebogen unter allen Hochschulangehörigen. 512 Personen bzw. 27,8 % der Hochschulangehörigen nahmen an der Vollerhebung teil – darunter rund 23,7 % aller Studierenden, 10,7 % der Jungstudierenden, 37,7 % der Lehrenden und 51,6 % der Beschäftigten in der Hochschulverwaltung.