NORDLICHT: So geht Talentförderung: Die Königliche Oper in Stockholm geht in die fünfte Runde des Opernformats »Short Stories«
English summary: The Royal Opera in Stockholm presents the fifth edition of „Short Stories,“ an innovative opera format. Three composer-librettist duos create 20-minute operas, supported by a singer ensemble, orchestra, and full production resources. This initiative fosters new talent, expands audiences, and explores opera’s future. Launched in 2016 by dramaturg Katarina Aronsson, it quickly became a success. Participants range from established composers to promising newcomers. Libretti receive special attention, with writers from diverse backgrounds. The upcoming edition features three contemporary stories. While not without risks, „Short Stories“ enriches artists and audiences alike.
Die Idee ist so simpel wie folgenreich: Drei heimische Komponisten-Librettisten-Paare bekommen jeweils 20 Minuten Zeit, ein Sängerensemble, ein 16-köpfiges Orchester, die Ressourcen der Gewerke und PR und obendrauf den guten Namen der Königlichen Oper Stockholm. Heraus kommt ein kurzweiliger Abend Musiktheater, ein anhaltend großer Publikumserfolg, neue Zielgruppen im Haus und vielleicht der Anstoß zu einer Karriere als Opernkomponist oder -librettistin. Und nebenbei ist das Ganze ein Labor, wie die Oper der Zukunft aussehen könnte.
Die Idee zu Short Stories hatte Katarina Aronsson, langjährige Dramaturgin an der Kungliga Operan, die das Format 2016 aus der Taufe hob und selbst überrascht war vom Erfolg. Das Publikum kaufte im Nu alle Tickets weg in der Rotundan, der kleinen Spielstätte, und auch die seitdem mittlerweile dritte künstlerische Leitung des wichtigsten schwedischen Opernhauses hat Short Stories übernommen: Im Mai kommt die bereits fünfte Auflage heraus.
Die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler kann sehr verschieden laufen: Manche Komponisten sind schon ziemlich renommiert und haben sich bisher nicht ans Musiktheater getraut, andere bekommen aufgrund einer erfolgreichen Opernproduktion an einem kleineren Haus oder im Ausland den renommierten Auftrag. Und natürlich gibt es auch vielversprechende Newcomer.
Besonderes Augenmerk braucht das Libretto, das ja im Musiktheater traditionell unterschätzt wird (nicht nur Strauss und Puccini klagten regelmäßig über schlechte Textbücher). Für Short Stories hat schon mancher Vollprofi auch aus dem Ausland geschrieben, etwa Hermann Schneider, der Linzer Intendant, er verfasste den Text zu Viktor Aslunds Value Creation (2020). Aber es geht auch ganz anders: Wer sehr kreativ schreiben kann wie Alex Haridi, der eigentlich Autor für Jugend- und Drehbücher ist, wird auch mit Aronssons tatkräftiger und geduldiger Hilfe an das Genre Musiktheater herangeführt. Vermutlich ist es eine der besonders schönen Aufgaben für eine Dramaturgin, hier die richtigen Teams zusammen zu führen. Welche Art der Textbehandlung passt zu welchem Musikstil? Manche Paare gibt es natürlich schon, aber Aronsson hat etliche Komponisten-Librettisten-Tandems auch »verkuppelt«.
Dass die Kreativen sich ihr Thema frei aussuchen dürfen, verspricht jedes Mal aufs Neue Unterhaltung, Abwechslung, und, das ist vielleicht das Wichtigste: Man ist am Puls der Zeit damit. In Short Stories findet sich immer auch etwas, das unser Alltagsleben betrifft, vom Publikum als unmittelbar relevant empfunden und gewürdigt wird. In der aktuellen Ausgabe, die nun vorbereitet wird, geht es um einen Psychiatrie-Aufenthalt einer Tochter aus gehobenem Haus (Vildvågel/Wildvogel, nach einer wahren schwedischen Geschichte), das seelische Loch nach einer Geburt (Den ömma modern/Die liebende Mutter), und um eine neue Fassung der Sopran-liebt-Tenor-Konstellation, die wir aus fast jeder Verdi-Oper kennen – hier im Spannungsfeld zwischen Beruf- und Privatleben (Repetitionen/Die Probe – das Libretto kommt eben von Haridi).
Ist die ganze Unternehmung also ohne großes Risiko? Natürlich nicht. Aber: Wenn mal eine Produktion nicht so gut gelingt, und das kann und darf passieren, gibt es ja immer noch zwei andere kurze Opern, die den Abend als Ganzes trotzdem erfolgreich machen können. Nicht zu vergessen: Künstler wie Haridi bringen auch Leute in die Oper, die den Weg sonst nicht dahin finden. Und es gibt noch einen ganz anderen Faktor: »Short stories ist auch innerhalb des Hauses gut«, sagt Aronsson. »Im Sängerensemble finden sich auch Chorsänger:innen, die freuen sich, hier richtig fordernde und tolle solistische Aufgaben zu bekommen.« Und, man konnte es in der Vergangenheit hören, sie sind mit Herz und Seele und richtig guten Stimmen dabei. Das gilt natürlich auch für die Dirigenten, die oft im Hintergrund für das Haus arbeiten und hier mit einer Uraufführung betraut werden: Nicht als Nachwuchs, sondern als erfahrene Künstler, die dem Autorenteam auch Feedback geben können in Sachen Sing- und Spielbarkeit, Wirkung und Klang.
Bühne frei also für Wildvogel, Die liebende Mutter und Die Probe. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren, die Premiere am 29. Mai ist selbstredend jetzt schon ausverkauft.
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