Igor Levit und Christian Thielemann legen eine spannungsgeladene Brahms-Einspielung vor – aber an manchen Stellen klappert es.
English summary: Igor Levit and Christian Thielemann deliver a compelling Brahms recording with moments of brilliance, despite occasional flaws. The first movement of Brahms’ Piano Concerto No. 1 is marked by Thielemann’s restrained pacing and Levit’s taut interpretation. Their collaboration with the Vienna Philharmonic shines in lyrical and rhythmic passages, though ensemble precision occasionally slips. Levit excels in Brahms’ late piano works, showcasing refined rubato and melodic clarity. A duet of Brahms’ Waltz Op. 39/15 with Thielemann concludes the recording on a charming note.
Maestoso steht über dem 1. Satz von Johannes Brahms’ wuchtigem erstem Klavierkonzert in d-Moll. Christian Thielemann nimmt das Thema noch etwas langsamer als notiert. Alles ist gestaut in diesem Kopfsatz. Die Dramatik wird bewusst gezügelt, der Fluss gehemmt. Auch Igor Levit hält die Spannung bei dieser ersten Zusammenarbeit mit den Wiener Philharmonikern unter Thielemann.
Die verinnerlichten Passagen gelingen dank Levit und der formidablen Holzbläsergruppe berührend. Wie überhaupt die hohe klangliche Verschmelzung von Klavier und Orchester fasziniert. Nur manches Mal wünscht man sich etwas weniger Pedaleinsatz, um die Akkordbrechungen noch transparenter hören zu können. Die intensivierte Kantabilität im Adagio, die rhythmische Energie des Rondos – verstärkt durch Levits deutliche Artikulation – geben dem Satz ein klares Profil.
Was bei dieser Aufnahme verwundert, sind die gelegentlichen Ungenauigkeiten im Zusammenspiel. Die Viertel in Fagotti und Streichern zu Beginn des Adagios überlappen sich nicht genau. Auch im Andante des 2. Klavierkonzertes in B-Dur ist der Schlussakkord zwischen Klavier und Tutti nicht synchron. Abgesehen von diesen kleinen Problemen im Detail ist Brahms bei Thielemann, Levit und den Wiener Philharmonikern aber in guten Händen.
Im Kopfsatz gelingt eine perfekte Balance zwischen lyrischer Kantabilität und entfesselter Dramatik, das Finale hat tänzerische Leichtigkeit. In Brahms’ späten Klavierstücken op. 116-119 bleiben keine Wünsche offen. Igor Levit modelliert Ecken und Kanten, wählt geschmackvolle Rubati, schält aus Akkorden Melodien heraus und zeigt sich als Meister des Verklingens. Als Zugabe sitzt Christian Thielemann mit am Klavier, um gemeinsam Brahms’ Walzer op. 39/15 zu spielen.
★★★☆☆
Brahms: Klavierkonzerte Nr. 1 und 2, Solowerke op. 116-119, Igor Levit (Klavier), Wiener Philharmoniker (Leitung: Christian Thielemann), 3 CDs, Sony Classical.