Die Skandale im Brucknerhaus in Linz sind keine Provinz-Possen, sondern zerstören das grundlegende Vertrauen in Politik und Kultur. Ein Kommentar.
Die aktuellen Skandale um das Brucknerhaus in Linz sind auf vielen Ebenen fatal. Natürlich für das Image der Politik – gerade in Zeiten wachsender Politikverdrossenheit. Dass der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) dem Intendanten Dietmar Kerschbaum vor dessen Bewerbung Insider-Informationen zugesteckt hat, und dass der später offensichtlich sehr vorteilhafte Verträge mit sich selbst abgeschlossen hat, ist schlimm genug. Doch dass Luger genau dieses fast ein halbes Jahr lang abstritt, ist allerdings eine ernsthafte Bankrotterklärung für die Glaubwürdigkeit – sowohl der Kultur als auch der Politik.
Gerade jetzt, da Populisten die staatlich unterstützte Kulturinstitutionen gern als »Feinde des Volkes« markieren (lesen Sie dazu die Analyse des deutschen AfD-Kulturwahlkampfes), ist es höchst gefährlich, dass das Brucknerhaus derartig populistische Polemik gegen den Kulturbetrieb tatsächlich bestätigt. Österreichs FPÖ-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Herbert Kickl, hat gerade die Salzburger Festspiele in einer Wahlkampfrede als »Ort von Heuchlern« und als »Inzuchtpartie« diffamiert – und das, obwohl Festspiel-Intendant Markus Hinterhäuser immer wieder gute Miene zur Rechts-Rechts-Koalition im Bundesland Salzburg gemacht hat, um seine Zukunft zu retten. Es ist diese Rhetorik, der Skandale wie jener am Brucknerhaus in die Hand spielen.
Kerschbaum und Luger spielen der FPÖ in die Hand
Kerschbaum und Luger schaden also nicht nur sich selber, ihrer Institution und ihrer Partei, sondern sind – gerade in dieser Zeit – Gründe, warum Menschen zunehmend Vertrauen in kulturelle Institutionen und ihre politischen Träger verlieren. Luger und Kerschbaum haben durch ihr Verhalten nicht nur sich, sondern ganz besonders dem öffentlichen Bild der Politik und der Kultur geschadet. Es ist kein Wunder, dass SPÖ Spitzenkandidat Andreas Babler, Luger in letzter Sekund zum Rücktritt aufforderte, den der nun auch angekündigt hat. Aber all das kam viel zu spät!
Der Dirigent Franz-Welser Möst hat Recht, wenn er den Oberösterreichischen Nachrichten sagt: »Mich macht betroffen, mit welcher Leichtfertigkeit hier eine Institution beschädigt wurde.« Doch tatsächlich sind die aktuellen Skandale um das Brucknerhaus wohl nur die Spitze eines Eisbergs, der seit vielen Jahren gewachsen ist, und den die Linzer Politik viel zu lange gern umschifft hat. Das einst als Kultur-Leuchtturm geplante Haus ist schon traditionell ein Ort erschreckender Selbstbedienungsmentalität geworden, der von politischer Gutsherren-Mentalität geprägt und als politischer und wirtschaftlicher Einflussraum genutzt wird.
2013, ein Jahr nachdem der deutsche Kulturmanager Hans-Joachim Frey die Intendanz des Brucknerhauses übernommen hatte, wurde Luger Bürgermeister. Damit ist er zum Teil auch mitverantwortlich dafür, wie Frey das Haus vollkommen gegen die Wand gefahren hat. Der damalige Intendant hat inzwischen die russische Staatsbürgerschaft angenommen und arbeitet heute in Putins Lieblingsort in Sotschi. Derzeit plant er einen Opernball in Dubai und einen in St.Petersburg – mit Empfehlungsschreiben von Vladimir Putin (BackstageClassical hat berichtet).
Die Ära Frey muss noch einmal aufgearbeitet werden
Frey ließ damals schon Putins Schattenmann, dem Cellisten Sergej Roldugin freien Lauf am Brucknerhaus in Linz. Auch nachdem man Roldugin im Zuge der Panama-Papiere zwei Milliarden Dollar zuordnen konnte, hielt das Brucknerhaus an ihm fest. Schon damals zeigte sich, dass nicht nur die SPÖ dem Brucknerhaus nahesteht, sondern auch die ÖVP. Das Kanzleramt von Sebastian Kurz soll sich per Anruf für den Verbleib Roldugins in Linz eingesetzt haben. Einer von vielen Fällen, die noch nicht richtig aufgearbeitet sind.
Ebenso wie die Machenschaften des Kultur- und Wirtschaftsforums Linz, das Frey 2013 gegründet hat. Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch Politikerinnen und Politiker haben hier mit dem offiziellen Ziel der Kulturförderung immer wieder Reisen nach Russland unternommen. Einer der Mitbegründer war ÖVP-Mann Christoph Leitl, damals Präsident der Wirtschaftskammer Österreichs und von 2018 an Präsident der Europäischen Wirtschaftskammer. Auf mehrfache Anfrage wollte Leitl bis heute nicht erklären, was genau auf den jeweiligen Reisen mit dem Wirtschaftsforum des Brucknerhauses passiert ist. »Worüber ich nicht reden will«, schrieb ließ er wissen, »sind die Themen Russland, Ukraine und dieser unselige Krieg. Ich habe mich immer um Frieden und Brückenbau bemüht. Jetzt donnern die Kanonen. Und solange sie nicht schweigen, schweige ich.« Fakt ist, dass Leitl noch lange Chef des inzwischen aufgelösten Sotschi-Dialogs war. Hans-Joachim Frey indes sitzt öffentlich mit Sahra Wagenknecht bei einem Salon von Pianist Justus Frantz in Hamburg, der ebenfalls sehr explizit prorussische Positionen vertritt.
Es ist dringend nötig, die Reisen des Wirtschaftsforums, ihre Mitreisenden und die jeweiligen Programme nich einmal in einem Ausschuss zu untersuchen. Überhaupt wäre die Politik in Oberösterreich gut beraten, nicht nur die aktuellen Fälle aufzurollen, sondern sich noch einmal ganz genau anzuschauen, wie das Brucknerhaus überhaupt zum Spielball von Russenpropaganda und Eigeninteressen werden konnte.
Wer soll das Brucknerhaus in die Zukunft führen?
»Das Brucknerhaus braucht jetzt dringend jemanden«, sagt Franz-Welser Möst, »der eine Vision für das Haus hat. Diese Vision fehlt seit langer Zeit. Wir brauchen eine Persönlichkeit, die versteht, wie Linz, beziehungsweise Oberösterreich in kulturellen, künstlerischen Belangen tickt. Das Haus muss dringend neu positioniert werden: als DIE regionale Konzertinstitution mit Potenzial zur internationalen Strahlkraft.«
Kandidatinnen und Kandidaten mit dieser Eigenschaft sind rar gesät. Es könnte einem die Innviertlerin Johanna Moeslinger einfallen, die das Wiener Konzerthaus lange und sehr klug mitgeprägt hat, um sich dann mit einer ökologischen Bäckerei selbständig zu machen. Den Kontakt zur Kultur hat sie nie verloren. Doch wer auch immer am Ende diesen künstlerischen Posten ausfüllen wird – zunächst ist die Politik am Zug. Sie muss durch radikale Vergangenheits-Aufarbeitung dafür sorgen, dass sowohl die Kultur als auch die Kulturpolitik in Linz wieder glaubwürdig werden.