Die Sopranistin Chen Reiss über den Krieg Israels, den Brexit und die Kultur. Warum Beethoven uns Hoffnung geben kann.
Gestern hat Chen Reiss gemeinsam mit dem Orchester Wiener Akademie unter Martin Haselböck Beethovens Neunte in Wuppertal aufgeführt – die große 200. Jubiläums-Gala des Beethovenhauses Bonn. Im Gespräch mit Axel Brüggemann spricht Chen Reiss über Beethoven, ihre Zeit als Soldatin in der israelischen Armee, über die aktuelle Situation in Israel, darüber, was der Brexit für die Klassik bedeutet und warum wir gerade in dieser verrückten Welt die Musik von Beethoven brauchen. (Hier der Podcast für alle Formate)
Hier die wichtigsten Statements des Podcasts:
Chen Reiss’ Großeltern sind 1939 in letzter Minute als Juden vor den Nazis aus Ungarn nach Israel geflohen. »Sie haben ihre ganze Familie im Holocaust verloren und mir immer wieder über die Geschichte erzählt. Heute denke ich, dass ich in einem Horror-Film lebe: Ich spüre, was sie auch gespürt haben müssen. Ich spüre die Vorurteile über Juden, den Hass. Und ich bin in der Situation, mein Recht auf Leben schützen zu müssen. Ich mache mir Sorgen über die Zukunft meiner Kinder. Eigentlich über die Zukunft alle Kinder: Es beginnt gerade mit dem Hass auf Juden – aber es wird weiter gehen.«
Reiss selber wurde in der Armee ausgebildet, ebenso wie ihr Vater und ihre Geschwister. Sie sagt: »Mein Bruder ist jetzt im Militär. Er wurde am 8. Oktober einberufen, ist sieben Monate an der Front und musste mit 30 Jahren sein Studium der Psychologie unterbrechen. Jetzt befindet er sich seit sieben Monaten in einer lebensbedrohlichen Situation. Das Leben vieler Israelis ist an einem Tag zerstört worden. Wir kämpfen um unsere Existenz. Ich bin sicher, dass unser Militär alles tut, um menschlich zu bleiben und so wenig Zivilisten wie möglich zu verletzen. Ich habe für die aktuelle Situation auch keine Lösung. Aber ich weiß, dass beide Seiten – Israel und Gaza – eine neue Regierung brauchen. Leute, die nicht korrupt sind, sondern einfach nur sehen, was gut für die Menschen ist.«