Intendant Lars Tietje erklärte, dass das Theater in Bremerhaven wieder die Vor-Corona-Besucherzahlen erreicht habe. Eine CDU-Anfrage im Stadtrat zeigt nun: das stimmt nicht.
Zum Beginn der neuen Spielzeit erklärte Bremerhavens Intendant Lars Tietje, dass sein Haus in der letzten Spielzeit die Besucherzahlen aus den Vor-Corona-Jahren erreicht habe. Doch das entpuppt sich nun als nicht ganz richtig. In einer Antwort auf eine CDU-Anfrage im Stadtrat von Bemerhaven, die BackstageClassical vorliegt, sehen die Zahlen anders aus: Das Musiktheater verlor demnach 9.150 Zuschauerinnen und Zuschauer (von 28.582), das Schauspiel 3.317 (von 19.070), und auch zu den philharmonischen Konzerten und zum Jungen Theater kamen weniger Menschen, allein das Ballett konnte von 8.109 auf 8.211 Zuschauer zulegen.
Wie es zu Tietjes Behauptung kam, die auch in den regionalen Medien verbreitet wurde, ist unklar. Es gibt Stimmen, die vermuten, der Intendant habe in seiner Berechnung die rund 9.000 Besucherinnen und Besucher eines Eishockey-Finales hinzugezählt, bei dem das Orchester die Nationalhymne gespielt hatte. Tietjes Behauptung wirft auch Fragen an den scheidenden Kulturdezernenten Michael Frost auf, der die Statistik geprüft haben müsste, bevor er sie an die Verwaltungsdirektion weiterleitete.
Die neuen Zahlen sind ein weiterer Stein des Anstoßes im andauernden Konflikt zwischen dem Orchester in Bremerhaven und dem Intendanten. Seit diesem Sommer kämpft das Orchester dagegen, dass Tietje den zukünftigen Generalmusikdirektor (GMD) nicht mehr in der Leitungsebene des Theaters ansiedeln will. Außerdem kritisierten die Musikerinnen und Musiker das Auswahlverfahren für den scheidenden GMD Marc Niemann.
Orchester gibt kein Votum zum GMD ab
Die zweite Runde des Bewerbungsverfahrens wurde dieses Wochenende abgeschlossen, aber gegenüber BackstageClassical erklärte das Orchester, dass es sich in Abstimmung mit der Interessensvertretung unisono dazu entschlossen habe, seine Beteiligung »an diesem insgesamt sehr fragwürdigen Verfahren zurückzuziehen und kein Votum mehr abzugeben, unabhängig von der Qualität der Bewerber.« In einem Statement, das BackstageClassical ebenfalls vorliegt, heißt es: »In Anbetracht der inakzeptablen Umstände des aktuellen Findungsprozesses sehen wir uns als Orchester einvernehmlich nicht in der Lage, nach der zweiten Runde nochmals ein Votum abzugeben.«
Derzeit zeichnet sich keine Schlichtung im Streit zwischen Intendant und Orchester ab. Seit Sommer hat es lediglich zwei Treffen gegeben, und das Orchester erklärte, es sei inzwischen sehr viel Porzellan zerschlagen worden. Außerdem kündigte es an, dass es eine offizielle Petition beim zuständigen Ausschuss der Stadtverordnetenversammlung eingereicht habe, um auch von der Öffentlichkeit Unterstützung zu bekommen.