Das Gerhart Hauptmann-Theater in Görlitz-Zittau will seinen Namen an einen Sponsor verkaufen. Ist das eine gute Idee? Ein Kommentar von Antonia Munding.
Toi Toi-Dixi-Bude, oder Birkenstock-Cabaret – oder doch lieber: Gerhart Hauptmann-Theater? Eine Initiative des Theater Görlitz-Zittau erschüttert die deutsche Kulturlandschaft. Um das chronisch unterfinanzierte Haus vor dem Aus zu retten, will Intendant Daniel Morgenroth den Namen des Theaters verkaufen: Der höchstbietende Sponsor könnte sein Logo fortan nicht nur auf der Frontfassade oder vor den Text-Übertiteln im Saal platzieren, sondern auch auf den Krawatten der Orchestermusiker, den Kragen der Choristen, den Schauspiel-Kostümen oder den Tütüs der Tänzer. Zwingt hier ein Intendant sein komplettes Haus auf den Strich ?
Während einige Kolleginnen und Kollegen einen absurden Scherz, andere eine originelle Performance vermuten, ist Morgenroth die Sache bitter ernst. Im jüngsten Theater-Podcast von Nachtkritik und Deutschlandfunk Kultur verteidigt der Intendant seinen Vorstoß als »Selbstrettungsmaßnahme«, und macht dabei auf einen seit Jahrzehnten schwelenden Notstand aufmerksam. Denn: Görlitz gilt zwar als ärmster Landkreis im sowieso schon armen Bundesland Sachsen – aber laut Prognose der Vorsitzenden des deutschen Bühnenvereins droht der finanzielle Clash im kommenden Jahr auch vielen Theatern in westlichen Bundesländern.
Was sind uns unsere Theater wert?
Was ist der Gesellschaft seine einzigartige Unesco-Welterbe-Landschaft wert? Den ehrenwerten Namen des Görlitzer Lokalhelden und Literaturnobelpreisträger Gerhart Hauptmann würde Daniel Morgenroth am liebsten behalten. Doch wenn er durch den Verkauf alle vier Sparten seines Theaters erhalten könnte – warum sollte in der Hochkultur nicht möglich sein, was in Sport oder Unterhaltungsbranche längst gängig ist? O2- oder Red-Bull-Arena sind nur zwei prominente Beispiele von vielen.
Steffen Mensching, Intendant des Theaters Rudolstadt, warnt indes vor der Kommerzialisierung. Hier beginne die Aushöhlung künstlerischer Freiheit – selbst wenn vertraglich fixiert würde, dass ein Sponsor nicht in den Spielplan eingreifen dürfe. Darüber hinaus glaubt er nicht, dass sich im Landkreis Görlitz-Zittau überhaupt passende Firmen finden ließen. Ob das ansässige Schuhwerk Birckenstock anbeißen würde? Was könnte ihm das Theater bieten? (Hoch-)Kulturelle Aufwertung? Tragische-Aura auf den golddurchwirkten Lederriemen der archaischen Sandalette? Und wie verändert sich bei einem solchen Namenstausch das künstlerische Selbstverständnis? Würden plötzlich mehr antike Heroen (und Heroinen?) die Bühne bevölkern? Immerhin besser als Pantoffel-Helden einer Mac Donalds-Filiale zu sein? Dann doch lieber gleich die Bude schließen! Oder eben schlanker werden und Sparten abbauen? Nein, das käme der Amputation des gesunden Theaterkörpers gleich, der sichere Tod wäre die Folge – davon ist Morgenroth überzeugt.
Auch Kollege Mensching spricht sich für das Stadttheater als einzigartigen Ort kultureller Bildung aus, den es unbedingt zu erhalten gilt. Ein Plädoyer, das dem Rudolstädter Intendanten im Moment leicht von den Lippen gehen dürfte – sein Haus ist bis 2030 finanziell abgesichert. Er kann es sich leisten, auf Hochkultur zu machen und es nach einer toten Theaterikone umzubenennen. Ab 2025 soll es Schillertheater heißen.
Aber kulturelle Teilhabe gehört zum Grundrecht jedes Menschen, und das Theater muss durch staatliche Subventionen geschützt bleiben. Gerade auch als Seismographen der Demokratie, was in diesen Zeiten wichtiger scheint denn je. Im Falle Görlitz wünschte man sie sich unabhängig von parteipolitischen Entscheidungen. Und das betrifft nicht nur AfD oder BSW. Trauriger Weise sind sich die Parteien in ihrer Ignoranz beim Thema Kultur einig. Der Bund müsste Bildung und Teilhabe nochmals ganz neu als Kern-und Herzensthema definieren und dem Theater eine Schlüsselrolle zukommen lassen. Um dann länderübergreifende solidarische Finanzierungsmodelle zu entwickeln, die den ausgebluteten Kommunen helfen. im Ansatz wurde das durch den Solidarität-Pakt und das Kulturraum-Gesetz in Sachsen bereits angegangen. Allerdings reicht das nicht. Die Finanzierung muss hier dynamischer gestaltet werden.
Verantwortung des Ensembles
So fragt der Görlitzer Theaternamen-Verkauf nicht nur nach Kommerzialisierung und Kunstfreiheit, sondern vor allem auch nach den Rahmenbedingungen, die das Theater der Zukunft braucht. Neben der Politik sind auch die Akteure innerhalb des Theaters gefordert, sich neu zu erfinden: Vom Intendanz-Sessel bis zur Bühnen -Technik. Um ökonomischer zu wirtschaften und flexibler zu produzieren wäre der Hunger als Metapher für die kreative Unruhe ein guter Begleiter – für Ressourcen schonende Produktionen, die auch von der Notwendigkeit theatraler Verführung erzählen. Ist eine Ausstattung für 500 000 Euro notwendig oder lässt sich auch mit recycelter Opulenz aus dem Trash der Überfluss-Gesellschaft arbeiten?
Wer repräsentiert das Theater? Wer steht hinter dem Namen? Wer hinter Schiller oder Hauptmann? Es sind die Schauspieler, Musiker Sänger, Tänzer mit ihren Geschichten, in denen die Krisen der Gegenwart auf künstlerische Lösungen treffen, die Trost, Hoffnung, Freude spenden. Nur durch den Esprit, die Leidenschaft seiner Künstler formt sich das Theater zur unverwechselbaren Marke und zum geistigen Lebensmittel für die Menschen der Stadt und der Region.
Immerhin haben die neuen Haustarife vielen Festengagierten inzwischen ein besseres Auskommen gesichert, und die Hunger-Künstler vor dem Dahinsiechen gerettet. Sie jetzt zu entlassen, da man Sparten-Schließung als letzte Möglichkeit sieht, wäre ein Kurzschluss, der das Theater-Sterben nur weiter beschleunigen würde. Dann doch lieber weiter Namen verkaufen! Um die Tanzsparte zu retten, wäre Birckenstock da vielleicht doch gar nicht so schlecht.