Tobias Kratzer spricht im BackstageClassical-Podcast über seine erste Saison als Intendant, über den Opern-Neubau in Hamburg und die Möglichkeit, Donald Trump im Wahnsinn zu überbieten.
English summary: Incoming Hamburg State Opera director Tobias Kratzer outlines his artistic vision in a podcast, emphasizing inclusivity, quality, and accessibility. He supports the planned opera house rebuild, stresses the need for structural reforms, and sees opera as both a space for beauty and political discourse. For him, visiting the opera—whether for culture or to wear an old suit—is always legitimate.
Hamburg (BC) – Der designierte Intendant der Staatsoper Hamburg, Tobias Kratzer, spricht im Podcast von BackstageClassical über seine Pläne für die erste Spielzeit, darüber, wie die Oper auf Donald Trump reagieren könnte, und warum es legitim ist, ins Theater zu gehen, um seinen alten Anzug Mal wieder auszuführen.
Mit Blick auf den geplanten Neubau der Staatsoper, der durch ein Geschenk des Mäzenen Klaus-Michael Kühne ermöglicht wurde, sagt Kratzer, dass er als zukünftiger Nutzer der Oper sicherstellen wolle, dass sein Haus »der Kunstform Oper und der Institution als solche etwas substantiell Gutes beschert«. Im Vordergrund stünde die künstlerische Qualität. Moralische Fragen, etwa um Kühnes Beweggründe und dessen Umgang mit der historischen Verantwortung seines Unternehmens, seien zu berücksichtigen, aber letztlich gehe es auch darum, dass das Geld des Mäzens der Kunst zugutekomme. Geplant sei für den Neubau ein klassischer großer Saal mit zentraler »Guckkastenbühne«. Kratzer hoffe ebenfalls auf eine »seriöse kleinere Spielstätte«, die dem Haus derzeit fehle und durch die eine große Repertoirelücke geschlossen werden könne, etwa für Kammeropern oder kleinere Barockopern.
Außerdem erklärt Kratzer, dass er strukturelle Veränderungen in deutschen Stadttheatern für generell notwendig halte. Er selber werde das Abosystem in seiner ersten Hamburger Spielzeit allerdings noch nicht antasten, auch wenn die Zahlen deutschlandweit eher rückläufig seien. Als Intendant wolle er auf künstlerischer Ebene Bedingungen schaffen, die er selbst als Regisseur an anderen Häusern gerne vorgefunden habe. Dazu gehöre Planbarkeit, ein sicherer Raum für die Kunst und die Unterstützung der Ideen durch die einzelnen Gewerke.
Den alten Anzug ausführen
Kratzer sieht die Leistung auf der Bühne als zentral an, aber man müsse auch verstehen, dass der Besuch der Oper für viele ein »Gesamterlebnis« sei, zu dem auch die Begrüßung, die Garderobe oder die Gastronomie in der Pause gehöre. »Diese Aspekte« müssten als »Teil der Gesamtinszenierung eines solchen Abends« adäquat mitgedacht werden. Ein wichtiges Ziel sei es, »über die Opernblase hinauszudenken« und Werke auch für Besucherinnen und Besucher relevant zu machen, die bislang selten oder nie ins Opernhaus gegangen seien. Es sei per se legitim, wenn man eine Oper auch deshalb besuche, »um seinen alten Hochzeitsanzug Mal wieder auszuführen« oder seinen Geschäftspartnern zu zeigen, »was es in der Stadt so gibt«.
Kratzer selber favorisiert für seine Spielplanung Werke, die »auf mehreren Ebenen zugänglich« seien, um sowohl Neulinge als auch Kenner anzusprechen. Die Projekte in seiner ersten Spielzeit seien »nicht auf Krawall des Krawalls wegen« angelegt, sondern würden »menschenfreundlich, empathisch und kommunikativ auf das Publikum zugehen«. Die Zeit, das Publikum zu »beschimpfen«, sei vorbei.
Verrückter als Trump?
Zur Rolle der Oper in der heutigen, oft chaotischen Welt sagt Kratzer, Kunst könne »beides sein« – sowohl Ordnung der Gegenwart als auch Ort des Skandals. Kratzer äußert sich zur politischen Dimension der Oper und macht sie am Beispiel der geplanten Uraufführung von Monsters Paradise, einer Komposition von Olga Neuwirth zu einem Text von Elfriede Jelinek, deutlich. Das Stück befasse sich mit »despotischen Herrscherfiguren und politischen Fehlentwicklungen«. Kratzer sieht dieses Werk als »klassischen Stoff für Musiktheater«, gerade weil die Oper in ihrer Sinnlichkeit auf das »komplett irrationale« Verhalten eines Politikers wie Donald Trump reagieren könne, das analytisch kaum noch fassbar sei. Musiktheater sei ein gutes Feld, um derartige, irrationale Ebenen des Menschseins zu fassen – darin sei sie oft besser als die Leitartikelanalyse.
Auch Stücke, die sich nicht direkt mit tagesaktuellen Fragen befassen, könnten durchaus als politisches Statement verstanden werden, indem sie durch Präzision und Genauigkeit im »nichtpolitischen Aspekt dem Chaos etwas entgegenstellen«. So werfe Monsters Paradise auch die Frage auf, ob die Opposition gegen ein »Monster auf dem Thron« nicht selbst »monströse Züge annehmen« müsse (»Hilft gegen ein Monster vielleicht nur ein Monster?«). Die Kunst habe die Möglichkeit die irrationale Sprache der erratischen Politik noch einmal zu überdrehen.
Transparenzhinweis: Axel Brüggemann wird in der kommenden Saison ein Projekt gemeinsam mit dem Philharmonischen Staatsochester der Staatsoper Hamburg entwickeln.
Der Podcast wurde mit Hilfe von KI zusammengefast