Das DSO wird für sein Konzept »Jedes Konzert mit einer Komponistin« gefeiert – und kritisiert. Hier spricht Marlene Brüggen über ihr Pionierprojekt, über Kritiker und Komponistinnen der Zukunft.
Marlene Brüggen ist Head of Artistic Planning beim DSO in Berlin, sie hatte unter anderem die Idee dazu, in jedem Programm des Orchesters mindestens ein Werk einer Frau zu spielen spielen. Nun hat sie ein Symposium organisiert, das am 2. Juni um 15:00 in Berlin stattfindet: Kultur für alle, von allen und mit allen – Feministische Musikpolitik.
Im Podcast Guten Morgen, Marlene Brüggen (hier für alle Formate) spricht sie über Anfeindungen von Gegnern feministischer Programmplanung, aber auch vom Abenteuer, neue Werke zu entdecken. Zuvor hatte bereits Thomas Schmidt-Ott über die Historie der Frauenfeindlichkeit in der Musik geschrieben.
Marlene Brüggen über Kritik
»Wir treffen mit den Konzerten ein Thema, das die Menschen wahnsinnig emotionalisiert. Kritiker sagen: Es solle nicht um Quoten, sondern um Qualität gehen. Andere kritisieren, dass wir den Gender-Wahn ausrufen und sagen, dass wir als Orchester für so etwas nicht zuständig seien. Letztlich hat jeder Mensch etwas zu diesem Thema zu sagen, das gesamte Gender-Thema scheint die Gesellschaft zu emotionalisieren. Ich verstehe, dass derzeit eine Machtverschiebung stattfindet, die manchen Menschen vielleicht Angst macht. Aber wir versuchen, diese gefühlten Wahrheiten wissenschaftlich zu widerlegen. Wir müssen aber auch feststellen: Gerade in der Klassik scheinen die jahrhunderte alten Werte noch sehr fest verankert zu sein. Es hat sich in unserer Branche nur sehr wenig geändert. Um so wichtiger ist es für uns, auch hier Bewegung in die Sache zu bringen.«
Marlene Brüggen über den Safe-Space
»Klassik ist sicherlich für viele ein Safe-Space und gerade in einer unsicheren Welt ein Ort, an dem man doch bitte einfach nur »schöne Musik« hören will. Uns ist aber auch wichtig, dass die Musik auch ein Safe Space für alle ist: Sowohl für diese Menschen, aber eben auch für alle anderen Menschen, die auch zu uns kommen dürfen. Das ist, was ich mit gesellschaftlichen Entwicklungen meine: Wir sind eben nicht mehr in den 60er Jahren. Die Welt dreht weiter.«
Marlene Brüggen über das Abenteuer
»Wir unternehmen in unseren Programmen eine Entdeckungsreise. Unter männlichen Komponisten haben wir in den letzten Jahrhunderten viele Werke nach ihrer Qualität selektiert – und es kristallisierten sich Mozart, Beethoven und Co. heraus. Bei Frauen hat dieser Prozess nie stattgefunden – auch auf Grund der patriarchalischen Strukturen innerhalb der Gesellschaft. Ich finde, es ist eine wichtige und tolle Aufgabe, diesen Selektionsprozess wieder anzustoßen. Und ja, es gehört dazu, das wir dann auch Mal ein Werk aufführen, das einen vielleicht nicht so anspricht, das sich auch perspektivisch nicht durchsetzen wird. Aber das gehört zu diesem Abenteuer eben auch dazu.«
SYMPOSIUM – ›Kultur für alle, von allen und mit allen‹
So 02.06.24, 15 – 18.30 Uhr, Musikinstrumenten-Museum, Curt-Sachs-Saal
mit Vorträgen und Podiumsdiskussion: Dr. Rebecca Wolf Gastgeberin, Dr. Thomas Schmidt-Ott Keynote, Nicola Bramkamp Vortrag, Prof. Dr. Susanne Rode-Breymann Vortrag, Prof. Dr. Rebecca Grotjahn Vortrag, Marlene Brüggen Gesprächsgast, Arno Lücker Gesprächsgast, Shelly Kupferberg Moderation