»Ich muss gehen, weil ich fremd bin«

September 18, 2024
1 min read
Intendant Dominique Meyer (Foto: Staatsoper, Pöhn)

Der Intendant der Mailänder Scala, Dominique Meyer, ist Opfer der italienischen Kulturpolitik – nun kritisiert er das Vorgehen der Regierung Meloni. 

Dominique Meyer muss die Mailänder Scala im Februar verlassen. In einem Interview mit Gert Korentschnig in der Österreichischen Zeitung Kurier rechnet er nun auch mit Italiens Kulturpolitik ab. 

Eigentlich sollte Meyer um fünf weitere Jahre verlängert werden, aber Georgia Melonis damaliger Staatssekretär, Vittorio Sgarbi, wollte den damaligen Chef der RAI, Carlo Fuortes, nach Mailand holen – der war zuvor Opernintendant in Rom. Zuvor hatte Italiens neue Rechts-Regierung ein Gesetz beschlossen, nach dem Ausländer mit 70 Jahren keine italienische Kulturinstitution mehr leiten dürfen. Davon ist nun auch Meyer betroffen. Inzwischen ist klar, dass Fortunato Ortombina nächster Scala-Intendant werden wird.

»Ich habe mich Mailand mehr als jeder italienische Intendant um das ganze italienische Repertoire bemüht«, sagt Meyer, »und das kulturelle Erbe gepflegt. Und dann musst du gehen, weil du fremd bist. Das macht mich sehr traurig.«

Hörenswert: Der Podcast über Populisten und die Kultur – mit Ádam Fischer und Fabio Luisi

Das Absurde ist, dass Sgarbi inzwischen nicht mehr in der Regierung sitzt und Fuortes nicht nach Mailand, sondern nach Neapel geht. Selbst Sgarbis Nachfolger, Gennaro Sangiuliano, ist nicht mehr im Amt – Er musste soeben wegen einer Affäre mit einer Influencerin seinen Hut nehmen. »Der Aufsichtsrat der Scala wollte meinen Vertrag zumindest bis Ende 2026 laufen lassen, auch das hat die Kulturpolitik verhindert. Das stellt das ganze System der Scala in Frage und ist auch sehr gefährlich«, sagt Meyer nun.

Er befürchtet, dass die Politik die bürgerliche Mitsprache am Haus unterwandert: »Der Aufsichtsrat der Scala besteht zu 50 Prozent aus Vertretern von Firmen, die neun Millionen Euro zahlen, um am Tisch zu sitzen. Die werden nun durch das Chaos der Kulturpolitik übergangen.«

Kritik gibt es auch an den Strukturen der italienischen Kulturpolitik: »Aus Angst vor Korruption gibt es in Italien so viele Regeln, die alles nur kompliziert machen«, sagt Meyer. »Dazu kommen die Gewerkschaften, die sind nicht böse, mischen aber überall mit. Wenn zum Beispiel zwei Akte einer Oper zusammen länger als 90 Minuten dauern, muss es dazwischen eine Pause geben, darauf bestehen die Gewerkschaften. Allein dadurch kommen alle 30 Minuten später nach Hause, das macht keinen Sinn und ist nur teuer.«

Von der Scala wird Dominique Meyer nun die Leitung des Chamber Orchestra in Lausanne übernehmen. Die Übergabe an seinen Nachfolger in Mailand läuft bereits: »Ich habe beschlossen, dass die Zusammenarbeit mit Fortunato Ortombina gut ist«, sagt Meyer, »also wird sie gut sein.«

BackstageClassical

BackstageClassical bringt Ihnen Debatten und Nachrichten aus der klassischen Musik. Die Seite ist kostenfrei. Bestellen Sie unseren Newsletter oder unterstützen Sie unseren unabhängigen Musikjournalismus durch Ihre Spende.

Fördern

Artikel auf BackstageClassical sind kostenlos. Wir freuen uns, wenn Sie unabhängigen Klassik-Journalismus fördern.

Mehr aktuelle Artikel

Nast bleibt bei den Wiener Symphonikern

Nach erfolgreicher Arbeit, der Intendant Jan Nast bleibt fünf weitere Jahre in Wien English summary: Jan Nast’s contract as Artistic Director of the Vienna Symphony has been extended to 2032. Since 2019

Lieber Peter Noever,

man muss einfach auch mal sehen, wenn man ein Spiel verloren hat. Jetzt kommen Sie noch Mal mit dem ollen Currentzis um die Ecke, dem Sie den Orden Ihrer lächerlichen Ösi-Kurie anheften

Klassik zwischen Sparen und Klotzen

Der Newsletter: Heute mit dem Trick, leise zu sparen, Sting an der MET, zwei neuen Opernhäusern und allerhand positiven Nachrichten aus der Welt der Klassik.  

Berlin spart ohne Struktur

In ihren Plänen vermeidet Berlins Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson den großen, strukturellen Wurf. Dabei wäre genau das eine Möglichkeit, um Berlins Kultur langfristig zu sichern.

Wotan ist tot

Der neuseeländische Bassbariton Sir Donald McIntyre ist mit 91 Jahren in München verstorben.

Lieber Sting,

als ich Sie vor 20 Jahren für den Stern besucht habe, erklären Sie mir: »Der Rock liegt im Sterben«. Damals haben Sie den elisabethanischen Minne-Musiker John Dowland entdeckt. Sie waren ausgebrannt und

So soll Hamburgs neue Oper aussehen

Spektakuläre Terrassen an der Elbe: Die Bjarke Ingels Group (BIG) aus Kopenhagen hat den internationalen Wettbewerb für den Neubau der Hamburger Oper am Baakenhöft in der HafenCity gewonnen.

Werdet wieder sexy – arm bleibt ihr sowieso

Die deutsche Kulturpolitik steht unter Spardruck, der Mut zu Reformen fehlt. Beim Hauptstadtkulturgespräch des VBKI wurde deutlich: Zukunftsfähig bleibt Kultur nur, wenn sie sich öffnet – für neue Finanzierungswege, neue Zielgruppen und

Verpassen Sie nicht ...