Die Töne gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk werden immer aggressiver, aber die Redaktionen scheinen sich mit der Spardebatte abzufinden. Ein kurzer Zwischenstandsbericht.
Heute trudelte folgende Mail im Postfach von BackstageClassical ein: »Rundfunkgebühren sind nicht mehr zur Mast von Nichtsnutzen in Zukunft. Das wird noch heftiger für Euch. Wir freuen uns … Euer Abstieg beginnt … wie unser Land als ganzes«. Der Absender ist natürlich fake, aber sehr bezeichnend: Ein »Gangbangstudio«, und im Betreff heißt es ebenfalls: »Katja lad ich ein zum Gangbang nach Ennepe«.
Klar, man kann all das als abgedrehte und verwirrte Spinnerei abtun und die Mail in den Span-Ordner verschieben. Man kann sich aber auch einen Moment lang wundern, dass Hass, Beleidigung und Drohungen den kulturellen Diskurs inzwischen ganz selbstverständlich begleiten. Die Stimmung da draußen entspricht offensichtlich immer weniger der Selbstwahrnehmung in den Redaktionen. Inzwischen liegt das Endergebnis eine yogov-Umfrage vor. Demnach lehnen 25 Prozent der Teilnehmenden eine Fusion von 3sat mit arte »ganz« oder »eher« ab, 38 Prozent befürworten sie »eher« oder »voll und ganz« – 37 Prozent haben keine Meinung zu dieser Frage.
Der Rückhalt für das öffentlich-rechtliche Kulturradio und Kulturfernsehen schwindet rasant. Und so wundert es kaum, wenn CDU-Politiker Nathanael Liminski, Staatskanzleichef in NRW und Vordenker der aktuellen Sparmaßnahmen, heute Morgen seine »Reform« im Deutschlandfunk verteidigt. Bei konkreten Nachfragen blieb Liminski indes vage. Wie eine Fusion des Drei-Länder-Senders 3sat mit dem binationalen arte funktionieren soll, in dem neben ZDF und ARD-Redakteuren auch Frankreich ein erhebliches Mitspracherecht hat, und welche 3sat-Formate gerettet werden sollen – auf all das bleibt der Politiker eine Antworten schuldig. Das sei am Ende eine Frage der Sender, sagt er.
Ja, und was sagen die Sender selber? Die bleiben erstaunlich still. Von der 3sat Chefin Nathalie Müller-Elmau war lediglich zu hören, dass sie von den Plänen überrascht sei und ihr die Fantasie fehle, wie eine Fusion aussehen könne. Die dpa meldete, dass das Schweizer Fernsehen sich nicht zur laufenden Rundfunkreform in Deutschland äußern wolle und der ORF aus Österreich hoffe, dass die eigenen Produktionen weiterhin einem internationalen Publikum zugänglich bleiben. Ein wenig wirkt all das, als haben sich alle bereits mit einer Abschaffung abgefunden.
Die Petition gegen die Abschaffung von 3sat, die von einer freien Produzentin ins Leben gerufen wurde, fand großen Anklang. Aber sie ist auch schnell unterschrieben und landete irgendwie in die Ablagefächer der öffentlichen Aufmerksamkeit. Auffällig auch, dass die Spardebatte einfach keine Strukturdebatte werden will. Wir haben an dieser Stelle ausführlich darüber berichtet, wie die Strukturen der öffentlich-rechtlichen Sender sich in den letzten Jahren verändert haben, wie der Mut aus den Redaktionen geschwunden ist, und wie spannende Vorschläge immer weniger Chancen haben, sich durchzusetzen. Reformen wäre durchaus möglich! Noch.
Aber selbst die massivsten Spardebatten scheinen in den Kulturredaktionen derzeit nicht zu einem Umdenken zu führen. Wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen Redakteurinnen und Redakteure. Es kann einen das Unbehagen ergreifen, wenn man sieht, wie Mails von Wut-Menschen immer ungehemmter an Medien-Menschen versendet werden – selbst, wenn diese gar kein öffentlich-rechtliches Medium sind.