Die legendäre Universal Edition verlässt ihre Räume im Wiener Musikverein. Verliert sie damit auch ihre Tradition?
English summary: Universal Edition is leaving its historic Vienna Musikverein office after 110 years. Rising rent and strategic shifts drive the move. With expiring rights and composer departures, its future remains uncertain.
In diesen Räumen atmet Musikgeschichte: Acht Zimmer, darunter ein Konferenzraum im Halbstock des Wiener Musikvereins. Seit über 110 Jahren residiert hier die traditionelle Universal Edition. Der Musikverlag, bei dem unter anderem Gustav Mahler und Arnold Schönberg unter Vertrag waren, hat in diesen Räumen Verträge mit Béla Bartók, Kurt Weill, Alban Berg oder Leoš Janáček abgeschlossen, aber auch mit Pierre Boulez oder Wolfgang Rihm.
Nun ist Schluss. Der Verlag wird seinen Stammsitz verlassen und spätestens bis zum 31. Dezember 2025 (intern ist von Ende Juni die Rede) ausziehen. Auf BackstageClassical-Anfrage heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von Musikvereins-Intendant Stephan Pauly und der Vorstandsvorsitzenden des Verlages, Astrid Koblanck: »Im Zuge einer seitens des Musikvereins angedachten Anpassung des Mietzinses für den Mietvertrag von 1914 hat die Universal Edition im Rahmen ihrer strategischen Überlegungen die Entscheidung getroffen, die Mitarbeiter:innen ihrer zwei Standorte (Musikverein und Forsthausgasse im 20. Bezirk) mehrheitlich an einem einzigen Standort zusammen zu fassen. Dieses ist eine einmalige Chance in der Geschichte der Universal Edition.«
Diese Interpretation ist offensichtlich sehr gewagt, denn 110 Jahre lang galt der Mietfrieden zwischen Verlag und Musikverein in dieser 1A-Immobilie. Nun schien der Musikverein Eigenbedarf angemeldet zu haben. In Zukunft wolle man einen Teil der Räumlichkeiten selber nutzen (die Wiener Philharmoniker klagen schon lange über Platzmangel), einen anderen Teil extern vermieten, heißt es auf BackstageClasscial-Anfrage. Die neuen Einnahmen dürften ein Vielfaches der bisherigen Miete betragen.
Der Auszug der Universal Edition aus dem Musikverein ist mehr als nur ein Ortswechsel, er ist das Ende einer Tradition, die den Verlag und seine Reputation geprägt hat. Die Räumlichkeiten stehen für die Glanzzeit des Verlages, der hier Musikgeschichte geschrieben hat (dieser Essay führt eindrücklich vor Augen, welche Bedeutung die Räume für den Verlag haben).
Aber der Umzug passt auch in das Bild eines längst begonnenen Kurswechsels des Verlages. Viele Rechte der Universal Edition sind abgelaufen oder laufen demnächst aus. Es wurden etwa Teilrechte an den Werken Kurt Weills veräußert. Der Verlag hat es versäumt, sich neu aufzustellen – Wolfgang Rihm ist einer der letzten, wirklich großen Komponisten, der unter Vertrag genommen wurde. Musiker wie Georg Friedrich Haas haben dem Verlag den Rücken gekehrt. Das »scodo«-System, in dem sich Komponisten online anmelden können, um dann in einer Art »Print on Demand«-Verfahren ihre Werke unter dem Namen des Verlages zu veröffentlichen, hat die Einmaligkeit der Künstlerinnen und Künstler verwässert.
Auf Anfrage von BackstageClassical, wo der Verlag seine Zelte in Zukunft aufschlagen wird, gab es keine Antwort, und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter scheinen nicht über die konkrete Zukunft ihres Unternehmens informiert zu sein. Auch das Gebäude im 20. Wiener Gemeindebezirk soll aufgegeben werden.