In einem Anonymen Brief beschwerten sich Mitarbeitende der Theater Eisenach und Meiningen über ihren Intendanten – der antwortet nun mit einem eigenen Schreiben.
Es gibt E-Mails, die uns Journalisten erst einmal erstaunen. Was gestern um 19:00 bei uns in die Posteingänge flatterte, war harter Tobak. Mitglieder des Landestheaters Eisenach und des Staatstheaters Meinigen beschwerten sich über ihren Intendanten, Jens Neundorff von Enzberg: Es herrsche ein »toxisches Arbeitsklima«, hieß es aus Eisenach, es war von Mobbing die Rede und von Grenzüberschreitungen.
BackstageClassical nahm sofort Kontakt auf und schrieb an die anonyme Mailadresse, um den Absender zu verifizieren und die Hintergründe zu klären. Doch bis heute hat auf diese Nachfrage niemand reagiert. Jetzt kam – um kurz vor 19 Uhr – eine Mail von der Pressestelle des Theaters, in der Intendant Jens Neundorff von Enzberg erklärte: »Wir nehmen den anonymen Brief und die Gespräche zum Anlass, weitere Führungsentwicklungsprozesse anzustoßen und gemeinsam zu erarbeiten, wie ein modernes Führungsverhalten am Theater funktionieren kann.«
Meiningen und Eisenach sind nicht die einzigen Theater, an denen die Nerven blank liegen. Ebenfalls in Thüringen sorgte kürzlich der Zoff am Theater Erfurt für Aufsehen, und auch in Kassel wird die Presse genutzt, um interne Prozesse in Gang zu bringen. Erstaunlich ist, wenn das – wie in diesem Fall – nicht über den Betriebsrat oder identifiziere Ansprechpartner geschieht, sondern durch offensichtlich mühsam eingerichtete, anonyme E-Mail-Konten. Abzulesen ist die angespannte Stimmung auch in den offensichtlichen Flüchtigkeitsfehlern, die sich in die Schreiben von Mitarbeitenden und Intendanz gleichermaßen geschlichen haben.
»Der Intendant Jens Neundorff von Enzberg kommt weder seiner Verantwortung, noch seiner Fürsorgepflicht nach. Konkret geht es bei den Vorfällen um strukturelles Mobbing am Arbeitsplatz, Behinderung in der Arbeit, manipulatives Vorgehen gegen Mitarbeitende, fehlende Verantwortungsübernahme, übergriffiges Verhalten sowie permanente Arbeitsüberlastung.«
Mitarbeitende des Theaters Meiningen
Nachdem die Intendanz sich nun ebenfalls an uns gewendet hat und auch der mdr berichtete, hat sich BackstageClassical entschlossen, die Positionen beider Seiten an dieser Stelle zu dokumentieren. Im Schreiben von Mitarbeitenden aus Eisenach wurden Arbeitsverträge beklagt, die entgegen geltenden Tarifverträgen geschlossen worden sein sollen. Das Betriebsklima führte angeblich zu häufigen Wechseln der Mitarbeitenden. Desweiteren wurde beklagt, dass der Intendant sich nur selten von seinem anderen Haus in Meinigen nach Eisenach bewege.
Und auch Mitarbeitende aus Meiningen beschwerten sich unter dem Motto »Schweigen oder nicht Schweigen«, das derzeit das Portal des Meininger Theaters ziert. »Es ist jetzt zum wiederholten Male vorgekommen, daß der Intendant kurz vor der Premiere in den Probenprozess eines Stückes eingreift« heißt es im zweiten Schreiben. Konkret wird bemängelt, dass ästhetische Diskussionen zu spät ausgetragen werde und nicht im respektvoll Miteinander.

Beispielhaft wird eine Produktion von Madama Butterfly benannt: »Wie auch schon in vorangegangenen Produktionen hat der Intendant seine Aufmerksamkeit erst sehr spät, zur ersten Komplettprobe, also eine knappe Woche vor der Premiere, auf die Produktion gerichtet. Dabei hat er festgestellt, dass ihm die Ausstattung nicht gefällt und er hat das in einer sehr unsachlichen und persönlich angreifenden Art der Kostümbildnerin gegenüber geäußert. Damit sind wir absolut nicht einverstanden, denn das wertet auch die Arbeit aller anderen, an der Produktion Beteiligten ab«, heißt es in dem Schreiben.
Der Brief endet mit den Worten: »Wir möchten Herrn Neundorf hiermit auffordern, sich früher mit den von ihm eingekauften Regie- und Ausstattungskonzepten zu beschäftigen und sich gern entsprechend eher als bisher in den Probenprozess einzubringen. Desweiteren erwarten wir von ihm, daß er seine Kritik sachlich und konstruktiv äußert, persönliche Angriffe auf einzelne Personen unterläßt und sich damit an den von ihm selbst eingeführten ‚Wertebasierten Verhaltenscodex‘ hält.«

Der Intendant erklärte, dass man die Kritik ernst nehme und sich offen und transparent mit den aufgeworfenen Fragen der Mitarbeiterführung und der Kommunikation am Landestheater Eisenach auseinandersetze. »Heute wurden daher bereits verschiedene Gespräche am Haus geführt. Weitere Gespräche werden in naher Zukunft folgen, um das Vertrauen wiederherzustellen.« Weiter heißt es: »In diesen Gesprächen wurde deutlich, dass der anonym verfasste Brief nur die Haltung von einigen wenigen Mitarbeitern des Hauses widerspiegelt.«
Schließlich bittet die Intendanz um Verständnis, dass nun »zunächst offene Gespräche jenseits der Öffentlichkeit« geführt würden. »Um uns dann als Team wieder ganz auf die Arbeit konzentrieren zu können – für unser Publikum und für die strukturelle Neuausrichtung des Landestheaters Eisenach.« Tatsächlich scheint ein wenig Ruhe derzeit beiden Seiten gut zu tun.