Buhs für Roth in Donaueschingen

Oktober 19, 2025
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François-Xavier Roth ( Foto: SWR, Brunner)

Eröffnung der Donaueschinger Musiktage: Der SWR feierte sich selbst, Roth kämpfte mit seinem Schatten, und die Musik versuchte, sich dazwischen einen Raum zu schaffen.

English summary: Opening of the Donaueschinger Musiktage 2025: Under the motto “75 years of SWR,” the broadcaster celebrated itself while chief conductor François-Xavier Roth faced loud controversy. Between applause and boos, the music—precise yet cautious—struggled to find space amid loyalty, tension, and self-affirmation.

Die Donaueschinger Musiktage 2025 stehen unter dem Zeichen »75 Jahre SWR« – eine Partnerschaft, die man feiert, als wäre sie ein Garant für kulturelle Beständigkeit. Am Freitagabend begann das Festival in den Donauhallen mit einem Festakt, in dem SWR-Programmdirektorin Anke Mai von der Bedeutung dieser Zusammenarbeit sprach – als Bekenntnis des SWR zur zeitgenössischen Musik.

Das ist schön gesagt. Nur fällt einem dabei schwer, nicht an die Rolle des SWR als Teil der ARD zu denken und daran, wie in dieser Zeit Kulturformate im öffentlich-rechtlichen Programm zusammengestrichen, fusioniert, auf Sendeplätze nach Mitternacht verbannt wurden. Ein wackliges Bekenntnis also, zumal von jener Institution, die landauf landab »Synergien« als Argument für den Rückbau benutzt.

Mai erinnerte auch daran, dass seit 1950 – angefangen mit Hans Rosbaud – immer der Chefdirigent des SWR bzw. zuvor SWF die Musiktage eröffnet habe. Von Teodor Currentzis ist das nicht bekannt. Und so trat also François-Xavier Rothauf, der aktuelle Chefdirigent – ein Name, der seit Wochen mehr für Schlagzeilen sorgt als für Musik.

Der schwierige Auftakt

Das SWR-Sinfonieorchester wurde zu Beginn mit freundlichen Bravorufen begrüßt. Als Roth erschien, mischten sich sofort Buhrufe darunter – laut, deutlich, nicht überhörbar. Die im September wieder aufgeflammten, dann hastig wieder »eingefangenen« Vorwürfe gegen ihn hatten die Debatte um seine Berufung neu befeuert. Auch einige Komponist:innen, deren Werke das Orchester einst uraufgeführt hatte, zeigten zuletzt ihre Empörung.

Das Konzert begann also auf dünnem Eis. Kulturpolitisch klappernd, könnte man sagen. Mark Andres Uraufführung »Im Entfalten. Dem Andenken an Pierre Boulez« legte sich wie ein Nebel über die Causa Roth: leise, schön, fast zu schön. Eine Musik, die alles andere vergessen machen wollte. Nur gegen Ende, als unverfremdete Klaviertöne wie knackende Äste durch den Klangnebel brachen, war kurz ein Hauch von Realität zu spüren.

Getreue Bravorufe

Turgut Erçetins »There recedes a silence, faceting beyond enclosures« für Klarinette und Orchester folgte mit Carl Rosman als Solisten. Seine Klarinette – ein schwebendes, irrlichterndes Instrument, begleitet mal vom Solo-Cello, mal von der mikrotonalen Harfe – stand im Mittelpunkt. Dazwischen spielte das Orchester feine, satte, ja fast konventionelle Klangströme. Eine stille Hommage an Mozarts Klarinettenkonzert, mit einer fast anrührenden Reprise für Solo-Klarinette und Solo-Cello. Viel Applaus vor der Pause, vor allem für Andre und Erçetin. Roth überließ ihnen den Applaus – seine beste Tat an diesem Abend. Musikalisch war das, was er bot, präzise. Alles sauber, gut gearbeitet. Doch eben das Fragezeichen über seiner Personalie war überdeutlich.

Nach der Pause Imsu Chois »Miro«, eine Farb- und Zustandsstudie, handwerklich ordentlich, aber erstaunlich konventionell im Vergleich zu den Werken zuvor. Musik, die jedem Kulturorchester zur Ehre gereicht, aber keinem den Puls hebt.

Zum Schluss dann Philippe Lerouxs »Paris, Banlieue« für Orchester und IRCAM-Elektronik. Schon der Auftritt Roths wieder begleitet von Buhrufen – woraufhin er sich vor dem Dirigat kurz umwandte, wohl Richtung Elektronikpult, was aber auch wie eine stumme Ansage an seine Buhenden wirkte. Dann begann das Stück: französisch-spektral, bassgesättigt, kurz faszinierend, bald ermüdend. Die Flexaton-Orgien und Freeze-Sounds wirkten wie Relikte einer vergangenen Avantgarde. Statt Pariser Glanz blieb Pariser Staub.

Buhrufe für Leroux und Roth, Bravorufe der Getreuen – ein Ritual. Ein Abend zwischen Loyalität und Lähmung, Feier und Fassade. So also begann Donaueschingen 2025: Der SWR feierte sich selbst, Roth kämpfte mit seinem Schatten, und die Musik versuchte, sich dazwischen einen Raum zu schaffen. Ein Auftakt, der alles enthielt – nur keinen Aufbruch von Festival und Chefdirigent.

Eine ausführlicher musikalische Kritik der Donaueschinger Musiktage von Georg Rudiger gibt es hier.

Alexander Strauch

Alexander Strauch wurde 1971 in München geboren. Als Komponist liegt ein Schwerpunkt im Bereich des Musiktheaters. Seine Kammer- und Orchestermusik wurde u.a. von Christoph Poppen, Radovan Vlatkovic, Christopher Robson, Carin Levine, Moritz Eggert u.a. Aufgeführt. Strauch war u.a. Stipendiat der Cite internationale des Arts in Paris und des Kuenstlerhauses Villa Concordia in Bamberg und ist Traeger des Musikfoerderpreises der Landeshauptstadt Muenchen.
Alexander Strauch ist Autor von NMZ – Bad Blog of Musick und schreibt immer wieder für die Neue Musikzeitung (nmz).

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