es ist kein Geheimnis, dass wir noch nie wirklich Freunde waren. Dabei würde ich vieles, was Sie sagen sofort unterschreiben: Kampf dem Antisemitismus. Jawoll! Kampf den Diktaturen. Na logo! Und mehr Ökologie will ich auch wagen – so wie Sie.
Aber ich habe Angst vor Ihrem Superlativismus! Wenn Sie Brahms spielen, ist er der einzige Gott, wenn Sie Nick Cave lesen, hat er» das Beste, was je ein Musiker über die Musik gesagt« hat, formuliert, und wenn sie das alte Twitter im Zorn auf Elon Musk verlassen, tun Sie das radikal, unwiderruflich – für immer …
… bis Sie einige Monate später ganz selbstverständlich auf X zurückkehren. Sie sind ein Propagandist des Augenblicks, Igor Levit, eine Eintagsfliege für Feuilleton-Sprechblasen. Ihre Postionen sind wie die Tasten Ihres Klaviers: schwarz oder weiß.
Aber Superlativismus ist der Bruder des Egoismus. Leute wie Donald Trump leiden auch darunter. Sie sind stets persönlich vom Lauf der Welt betroffen. Und wenn nicht, schreiben Sie sich selber in die Weltgeschichte ein. Sie sind wie ein Forrest Gump der Musik: Zufällig immer und überall mittendrin, wo gerade Geschichte geschrieben wird!
Sie haben angekündigt, dass Sie mit Alon Ohel, der gerade als Geisel aus der Hamas-Hölle zurückgekehrt ist, vierhändig spielen wollen. Als gäbe es gerade nichts Wichtigeres für ihn, für uns – für die Welt.
Was ist eigentlich aus Ihrer Mutterliebe zu Claudia Roth geworden? Aus Ihrer Freundschaft zu Karl Lauterbach? Wirft sich Ihnen Carsten Brosda noch immer an den Hals – und wie stehen Sie zur seiner Kühne-Oper in Hamburg? Was sagen Sie zu Currentzis in Salzburg? Schweigen Sie etwa, wenn Ihre Meinung Ihre Auftritte gefährden könnte?
Leider wird es auch musikalisch immer unaufregender bei Ihnen. Gerade habe ich die goldenen Plakate des Wiener Musikvereins gesehen, dass Sie inzwischen ausgerechnet Günter Groissböck begleiten. Mensch, lieber Igor Levit, da hatte ich fast ein bisschen Mitleid mit Ihnen. Na, vielleicht kommt Karl Lauterbach ja zum Konzert.
