English summary: The Tiroler Festspiele Erl, now led by Jonas Kaufmann, praised conductor Gustav Kuhn on his 80th birthday, ignoring past sexual assault allegations and victims. No criticism, just praise—showing no lessons learned.
Die Tiroler Festspiele Erl von Jonas Kaufmann gratulieren dem Dirigenten Gustav Kuhn mit einer unerträglichen Lobhudelei zum 80. Geburtstag und vergessen den Schaden, den er angerichtet hat und die Opfer seiner Übergriffe.
Dass die Tiroler Festspiele dem Dirigenten Gustav Kuhn viel zu verdanken haben, steht außer Frage. Aber um welchen Preis? Kuhn legte all seine Funktionen im Oktober 2018 mit sofortiger Wirkung zurück. Dem war vorausgegangen, dass fünf Musikerinnen in einem offenen Brief sexuelle Übergriffe beklagten, acht männliche Künstler erklärten ihre Solidarität mit den Opfern. 2019 urteilte die Gleichbehandlungskommission des österreichischen Kanzleramts, dass es zweifelsfrei zu sexuellen Belästigungen durch Kuhn gekommen sei.
Unrühmlich auch, wie unter anderem der Sponsor der Festspiele, Hans Peter Haselsteiner, den Journalisten Markus Wilhelm mit Klagen überzog. 18 Prozesse wurden gegen Wilhelm geführt, die letztlich zum großen Teil zu seinen Gunsten ausgegangen sind. Er hatte vor allem die schlechten Arbeitsbedingungen bei den Festspielen kritisiert.
Lobhudelei für einen Täter
Und nun, zu Gustav Kuhns 80. Geburtstag? Da erscheint auf der Seite der Tiroler Festspiele ein lobhudelnder Geburtstagsgruß für den Dirigenten. Man »danke ihm«, heißt es und dass »Leiten« sei für ihn »zumeist ein multifunktionales Engagement für die Musik und das Musiktheater« gewesen. Der Text endet mit dem Absatz: »Vieles von dem, was die Tiroler Festspiele Erl heute ausmacht, wurde in Gustav Kuhns Zeit grundgelegt. Wir danken ihm dafür herzlich und gratulieren ihm zum runden Geburtstag.«
Keinerlei Kritik, geschweige denn Selbstkritik der Festspiele, die inzwischen von Jonas Kaufmann geleitet werden. Gibt es etwa kein Problembewusstsein? Keine Rücksicht auf die damaligen Opfer? Eine derartige Gratulation klingt wie Hohn und Spott und zeigt, dass die Festspiele aus ihrer unsäglichen Geschichte unter Gustav Kuhn nur wenig gelernt haben.
Beethovenfest und Bertelsmann
Dem Kulturbetrieb scheint der Umgang mit sexuellen Übergriffen und autoritärem Verhalten von Führungskräften gerade sehr schwer zu fallen. Gerade hat die Pianistin Shoko Kuroe das Beethovenfest Bonn für seinen Umgang mit der #metoo-Debatte kritisiert. Hier geht es darum, dass Opfer sexueller Gewalt nicht auf dem Podium sitzen, stattdessen mit »Ehrenkarten« zu Zuschauern gemacht werden sollen. Dabei haben sowohl der Veranstalter, das Beethovenfest Bonn mit seiner ehemaligen Intendantin Nike Wagner, die sich für den verurteilten Straftäter Siegfried Mauser einsetzte als auch der Mitveranstalter der Diskussion, die Bertelsmann Stiftung, Aufarbeitungsbedarf: Hier war Kuhn auch dann noch Leiter der Meisterkurse beim Wettbewerb Neue Stimmen, als die Vorwürfe bekannt wurden. Später räumte er auch diesen Posten.