Prassen, sparen und lavieren, was das Zeug hält 

Dezember 8, 2025
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Proteste gegen die Sparmaßnahmen in der Oper Stuttgart (Foto: Oper Stuttgart / Facebook)

Willkommen in der neuen Klassik-Woche

heute mit Weimers Ausweichmanövern, Sparmaßnahmen von Berlin über Stuttgart bis nach Wien, mit einer fragwürdigen SWR-Doku und FIFA-Spukgeschichten aus den USA. 

Weimers Wirren 

Wolfram Weimer zu Gast bei ttt-Moderatorin Siham El-Maimouni. (Foto: ARD)

Es ist schon etwas befremdlich, wie Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sich gestern in der aktuellen Sendung von ttt gewunden hat: Auf der einen Seite kultiviert er seit Amtsantritt ein rechtes Provokations-Vokabular (Stichwort »Zwangsgebühren«), auf der anderen wundert er sich über die Aggressivität der AfD-Propaganda gegen ihn. Weimer scheint nicht einzusehen, dass die Geister, die er selber rief, bereit sind, die Kultur, wie wir sie kennen, zu zerstören. Für BackstageClassical durfte ich dem Kulturstaatsminister in der aktuellen ttt-Sendung ebenfalls sagen, was mich stört: Dass er das Amt lieber als Kuschelecke für enttäuschte Merz-Wähler betreibt als sich um die konkreten Grundbedingungen für Kultur (etwa einen Tarifausgleich für die Bayreuther Festspiele) zu kümmern. 

Sparen nach Plan?

In Berlin spart Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson große Summen im Piano – überall ein bisschen. Nun ist auch Wien dran: 7,6 Prozent des Kulturhaushaltes sollen gekürzt werden. Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler ist es ebenso gelungen, die Streichungen weitgehend lautlos über die Bühne zu bringen (ich habe die Kürzungspolitik der beiden Städte einmal miteinander verglichen). Und sie scheint einen klaren Plan zu verfolgen – Kultureinrichtungen, die ihre Arbeit besonders eng mit den Menschen vor Ort verbinden, bleiben weitgehend verschont, gekürzt wird dort, wo Kultur auch ohne staatliche Förderung überleben kann, oder bei Hochglanz-Veranstaltungen wie dem Schönbrunn-Open-Air der Wiener Philharmoniker. Dessen Vorstand protestiert nun zwar lautstark, allerdings ohne zu merken, dass sich sein Orchester in den letzten Jahren vielleicht einfach zu wenig gewandelt und dadurch an Bedeutung verloren hat.

Keine Salzburger Innovationen

Auch in Salzburg werden die Wiener Philharmoniker irgendwie aufs Abstellgleis gestellt: Konzerte mit Riccardo Muti und Christian Thielemann – so wie sie in Wien andauernd auf dem Programm stehen. Die Opern-Premiere mit Carmen (Asmik Grigorian) müssen die Wiener dem Utopia-Orchester von Teodor Currentzis überlassen und dann werden sie ausgerechnet von Joana Mallwitz noch einmal in Mozarts Così fan tutte geleitet. Puhhh… Okay, Hinterhäuser hat mit Peter Handke und Elfriede Jelinek zwei Nobelpreisträger gewonnen (letztere schreibt allerdings auch gerade für Hamburg eine Oper), und wer gedacht hat, dass er nun auf dem Tisch des Triangel steht und seinen Kritikern zuruft, was für »Blunzn« sie seien, weil er sich neu erfindet, hat geirrt: So ziemlich alle seiner good old boys kehren zurück, inklusive Igor Levit, Matthias Goerne oder Romeo Castellucci.  Mehr als einen kurzen Brief ist all das kaum kaum wert. Noch im Dezember tagt das Kuratorium, dann soll es unter anderem um das Verhalten des Festspiel-Intendanten gehen.

SWR schweigt über Recherchemethoden

Es ist befremdlich, wenn ein kritisches TV-Journal nicht auf kritische Fragen anderer Journalisten antwortet. BackstageClassical hat von verschiedenen Betroffenen gehört, dass das vom SWR produzierte ARD-Magazin Report Mainz bei seinen aktuellen Recherchen über sexuelle Übergriffe in der Klassik-Szene selber eher unsensibel vorgehen soll. Außerdem verwunderte es einige Opfer, dass ihnen gesagt wurde, dass zwar Recherchen über Hochschulen und Klassik-Institutionen geplant seien, wohl aber nicht über die Verfehlungen des SWR-Chefdirigenten François-Xavier Roth. Auf Anfrage von BackstageClassical zum Umgang der Redaktion mit Opfern sexueller Gewalt hieß es vom SWR lediglich, dass man zu »laufenden Recherchen grundsätzlich keine Auskunft« gebe. Bleibt zu hoffen, dass der Sender seine journalistische Glaubwürdigkeit in diesem Fall nicht wieder so verspielt, wie er es im eigenen, unkritischen Umgang mit den Russland-Beziehungen seines Ex-Chefdirigenten getan hat. 

 

Wellber will Opern-Millionen

Gespräche mit Omer Meir Wellber sind Wirbelstürme für das eigene Denken: Der neue GMD in Hamburg ordnet die Welt weitgehend unkonventionell – und provoziert immer wieder damit, jenseits aller Klischees zu kreisen. Ich habe ihn zum Podcast getroffen. wir streiten über den Hamburger Opern-Mäzen Klaus-Michael Kühne (Wellber will seine Opern-Millionen unbedingt haben), er spricht über seine Hoffnungen im Nahostkonflikt (»Mein Optimismus rührt daher, dass wir nicht zu dem Status quo zwischen der Hamas und Netanyahu zurückkehren können.«) und über die kulturellen Schwierigkeiten in den USA unter Donald Trump. Eine unbedingte Hörempfehlung!    

Sparproteste in Stuttgart

Stuttgarts GMD Cornelius Meister hat den Redaktionen diese Woche einen Brandbrief geschrieben: Er verweist auf eine Petition, die sich gegen Sparmaßnahmen im Kulturbereich wendet. Es wird argumentiert, dass der Kulturförderetat von rund 49 Millionen Euro weniger als ein Prozent des städtischen Haushalts ausmache und Einsparungen den Gesamthaushalt kaum entlasten würden. Die Petition verlangt von der Stadt, die im Doppelhaushalt 2026/27 vorgesehenen Kürzungen im Kultur-, Bildungs- und Inklusionsbereich zurückzufahren, um nachhaltige Schäden für Stuttgart zu verhindern.

Proteste gegen die Sparmaßnahmen in der Oper Stuttgart (Foto: Oper Stuttgart / Facebook)

Personalien der Woche

So wie früher: Die Bayreuther Festspiele 2026 sind in Rekordzeit ausgebucht. Die Tickets für das Jubiläum waren schnell verkauft, und damit ist das Krisengerede der letzten Jahre offensichtlich vom Tisch. Für mich ein Grund, einmal meine eigene Bayreuth-Geschichte zu hinterfragen – und zu hoffen, dass auch Wolfram Weimer erkennt, dass die Festspiele von Katharina Wagner auf seine raschen Entscheidungen angewiesen sind. +++ Gute Wahl: Matthias Schloderer, derzeit am Theater Regensburg, wird neuer Kaufmännischer Geschäftsführer an der Hamburgischen Staatsoper und vervollständigt damit das Team von Tobias Kratzer und Omer Meir Wellber. +++ Der Sender arte bringt am Ende des Strauss-Jahres noch einmal verschiedene Sendungen über den Walzerkönig Johann Strauss – auch für uns Anlass, seine Wirkung in einem Essay noch einmal Revue passieren zu lassen. +++ Die Geigerin Carolin Widmann durfte ihren Geigenkoffer nicht mit an Bord einer Lufthansa-Maschine nehmen und brachte ihr Baby, eine Giovanni Battista Guadagnini in ihren Armen sicher ans Ziel. Das ist natürlich einen Brief von Brüggi wert. 

Und wo bleibt das Positive, Herr Brüggemann?

Ja, wo zum Teufel bleibt es denn? Vielleicht ja hier! Tiefer kann die FIFA nicht sinken: Nachdem Gianni Infantino US-Präsident Donald Trump in einer endlosen Schleimspur einen »Friedenspreis« der FIFA überreicht hatte, sang Andrea Bocelli sein übliches Trump-Ständchen. Wir haben ihm bereits einen Brief geschrieben, als er im Weißen Haus »Time to say goodby« angestimmt hat. Schlimmer kann es bei der WM kaum werden (zumal Deutschland und Österreich durchaus machbare Gruppen zugelost bekamen). 

Tja, so klingen sie wohl, die guten Nachrichten in schwierigen Zeiten. Aber nein, eine gute Nachricht habe ich doch noch: Vielen Dank für Ihre Weihnachts-Spenden, die uns letzte Woche erreicht haben (wenn Sie ebenfalls noch mit einer Spende für unseren Journalismus dabei sein wollen, bitte hier entlang). Danke auch für Ihre Weihnachtseinkäufe in unserem BackstageClassical-Shop. Wir freuen sehr über Ihre Solidarität und Hilfe, und – auch das ist eine gute Nachricht – werden im kommenden Jahr bei BackstageClassical weiterhin fleißig und unabhängig die Nachrichten im Weinberg der Musik für Sie ernten. 

In diesem Sinne: Halten Sie ihre Ohren steif

Ihr

Axel Brüggemann  

Axel Brüggemann

Axel Brüggemann arbeitet als Autor, Regisseur und Moderator. Er war als Kulturredakteur und Textchef bei der Welt am Sonntag tätig und schrieb danach für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Heute veröffentlicht er u.a. im Tagesspiegel, im Freitag, der Jüdischen Allgemeinen oder in der Luzerner Zeitung. Er arbeitet für Radiosender wie den Deutschlandfunk, den WDR oder den HR. Seine Fernsehsendungen und Dokumentationen (für ARD, ZDF, arte oder SKY) wurden für den Grimmepreis nominiert und mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. Brüggemann schrieb zahlreiche Bücher u.a. für Bärenreiter, Rowohlt, Beltz & Gelberg oder FAZ Buch.

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