Wie Berlins neue Kultursenatorin für ABBA kämpfte

Mai 5, 2025
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Sarah Wedl-Wilson (Foto: Mozarteum, Escher)

Sarah Wedl-Wilson wird neue Kultursenatorin in Berlin. Im Podcast redet sie über ihre Kindheit mit der Musik, über ihren Blick auf die Kultur und über ihr Leben zwischen England, Österreich und Deutschland.

English summary: Sarah Wedl-Wilson has been appointed Berlin’s new Senator for Culture. In a podcast, she discusses her musical upbringing, her cultural vision, and life across the UK, Austria, and Germany. Born in Watford in 1969, she grew up in a musical family where classical music was central. She studied violin and later pursued languages and cultural management. Her career led her to top roles in music education and cultural policy. She emphasizes the need for combining artistic excellence with entrepreneurial thinking to ensure culture’s future. Wedl-Wilson is Berlin’s first senator without German citizenship.

Eine gute Wahl! Sarah Wedl-Wilson wird neue Kultursenatorin in Berlin. Die bisherige Staatssekretärin für Kultur übernimmt damit das Amt von Joe Chialo (CDU), der am Freitag wegen geplanter weiterer Kürzungen im Kulturhaushalt zurückgetreten war.

Sarah Wedl-Wilson ist erfahrene Kulturmanagerin und Kennerin der Berliner Kulturszene. Vor ihrem Wechsel in die Senatsverwaltung war sie unter anderem Rektorin der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin sowie Vizerektorin und Interimsrektorin der Universität Mozarteum Salzburg. Seit April 2023 war sie Staatssekretärin für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Berlin. Die 1969 in Großbritannien geborene Wedl-Wilson besitzt die britische und österreichische Staatsbürgerschaft und ist damit die erste Berliner Senatorin ohne deutschen Pass.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) betonte, Wedl-Wilson kenne die fachlichen Herausforderungen des Ressorts und solle die hohe Qualität der Kultureinrichtungen sichern. Die Gewerkschaft ver.di verbindet mit ihrer Ernennung die Hoffnung auf einen Neustart in der Berliner Kulturpolitik.

Wer die Kulturmanagerin besser kennenlernen will: In diesem Podcast erzählte sie noch als Direktorin der Hanns-Eisler Musikhochschule über ihre Kindheit und Jugend mit der Musik, über ihre Biografie und ihre Kultur-Visionen. 

»Musik war ohne Alternative«

Zusammenfassung des Podcasts

Wedl-Wilsons Leben ist untrennbar mit der klassischen Musik verbunden. Geboren in Watford, nahe London, wuchs sie in einer durch und durch musikalischen Familie auf. Ihre Kindheit fand »ohne Popmusik statt«, erinnert sie sich. Als ihre Schwester eine Popplatte zum Geburtstag bekam, war ihre Mutter empört, und auch ihr erstes Album, „Voulez-Vous“ von ABBA, stieß in der Familie nicht auf Zustimmung.

»Musik war für mich keine Wahl, sondern eine Selbstverständlichkeit«, sagt Wedl-Wilson. Auch bei der Instrumentenwahl war der Spielraum begrenzt: Es musste ein Streichinstrument sein, kein Holz- oder Blechblasinstrument. Die Harfe, die sie spielen wollte, war ausgeschlossen. Ihre Mutter, eine Klarinettistin, wollte »auf keinen Fall […] ein weiteres Familienmitglied mit Rohrblättern«. Und so entschied sich Wedl-Wilson für die Geige – ihre Schwester spielte Cello, um das Familienquartett zu ergänzen. 

Auch ihre Schulzeit an einer englischen privaten Mädchenschule war durch hohen akademischen Druck gekennzeichnet. Rückblickend nennt sie diese Erziehung ein „zweischneidiges Schwert“.

Obwohl sie im Geigenspiel gut gewesen ist und Konzertmeisterin in Jugendorchestern war, hatte es „nie wirklich gereicht für diese […] Art von Exponiertheit“, die man als Solist gebraucht. Wedl-Wilson wandte sich den Sprachen zu, insbesondere Deutsch und Französisch. Ein prägendes Jahr verbrachte sie als Sprachassistentin in Siegen, wo sie feststellte, dass die Musik sie »gerettet« habe, indem sie sich sofort in das lokale Musikleben einbrachte.

Ihre Karriere führte sie in das Kulturmanagement. Bei IMG Artists, ursprünglich eine Sportagentur, begann sie im Orchester-Touring und beantwortete Fanpost für Jimmy Galway. Dies war eine »tolle Zeit«, in der sie »irrsinnig viele Leute kennengelernt« hat und die »Räder hinter den Kulissen« dieser großen Klassikwelt. Sie beschreibt die Kulturbranche als einen »Lifestyle«, der ständigen Austausch erfordert, sich aber stark vom »Big Business« der Unternehmerwelt unterscheidet. Unternehmerisches Denken ist für sie jedoch auch als Kulturmanagerin wichtig, um »das langfristige Überleben« zu sichern und flexibel zu bleiben. Wedl-Wilson sieht die Notwendigkeit, den Kulturbetrieb zu hinterfragen und »zukunftsfähig zu halten«, insbesondere durch die Verbindung von künstlerischer Kreativität und finanziellem Verständnis.

An der Eisler Hochschule sah sie es als ihre Aufgabe an, Studierende »vorzubereiten auf einen sehr harten Markt« und ihnen »die Möglichkeit zu geben, dass sie auf dem Markt überleben können« – finanziell und künstlerisch. Es reiche nicht mehr, nur »Genie zu sein«. Neben der musikalischen Exzellenz müssen Studierende lernen, »wie man sich vermarktet«, da sie ansonsten »völlig aufgeschmissen« sind. 

Es gehe darum, »künstlerische Persönlichkeiten auszubilden«, die kritisch denken und ein soziales Gewissen entwickeln. 

Transparenzhinweis: Der Podcast wurde mit Hilfe von KI zusammengefasst

Axel Brüggemann

Axel Brüggemann arbeitet als Autor, Regisseur und Moderator. Er war als Kulturredakteur und Textchef bei der Welt am Sonntag tätig und schrieb danach für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Heute veröffentlicht er u.a. im Tagesspiegel, im Freitag, der Jüdischen Allgemeinen oder in der Luzerner Zeitung. Er arbeitet für Radiosender wie den Deutschlandfunk, den WDR oder den HR. Seine Fernsehsendungen und Dokumentationen (für ARD, ZDF, arte oder SKY) wurden für den Grimmepreis nominiert und mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. Brüggemann schrieb zahlreiche Bücher u.a. für Bärenreiter, Rowohlt, Beltz & Gelberg oder FAZ Buch.

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