Bremens Theaterintendant Michael Börgerding ist tot. Ein Nachruf von Axel Brüggemann
English summary: Michael Börgerding, General Director of Theater Bremen, has died after a brief illness. Known for his humanity and connection with artists, he revitalized the theater, fostering innovation and community. Despite successes, his tenure faced challenges in dialogue and public discourse, leaving a sense of unfinished potential.
Michael Börgerding, der Generalintendant des Theater Bremen ist tot. Er starb nach kurzer, schwerer Krankheit. Die Nachricht – das gebe ich zu – nimmt mich ziemlich mit. Michael Börgerding und ich haben so einige Scharmützel ausgefochten, und ja: Wir sind dabei (auf beiden Seiten) nicht immer ganz klug vorgegangen.
In den letzten Wochen haben mir Menschen aus dem Theater Bremen immer wieder über den Gesundheitszustand des Intendanten berichtet, und ich bin ins Grübeln gekommen: Wie kann es eigentlich gelingen, kulturelle Kämpfe leidenschaftlich und polemisch auszukämpfen – gerade dann, wenn die rhetorischen Grenzen auf beiden Seiten ganz woanders liegen? Uns beiden ist das leider nicht gelungen. Und der Tod von Michael Börgerding ist in diesem Sinne auch eine Mahnung, das es ein Trauerspiel ist, wenn Kultur-Debatten die Ebene des Dialoges verlassen.
Egal, mit wem man am Theater Bremen sprach: Michael Börgerding galt allen als zutiefst menschlicher Intendant. Als jemand, der die Bedürfnisse der meisten seiner Künstlerinnen und Künstler verstand – als einer, dem die Stimmung am Hause wichtig war. »Michael Börgerding war ein Chef auf Augenhöhe und hat die Menschen bei ihrem Tun und mit ihrem Engagement immer ernst genommen. Alle. Er hat das Haus mit Besonnenheit vorangebracht, auch nach zwölf Jahren Intendanz immer neue Ideen verfolgt, wie zum Beispiel die Bespielung des Goetheplatzes, und kontinuierlich Uraufführungen in allen Sparten gefördert«, erinnert sich Swantje Markus, Geschäftsführerin des Theater Bremen: »Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind zutiefst bestürzt und werden ihn sehr vermissen. Der Austausch mit ihm, seine Klugheit und sein unendlich großes Herz werden mir sehr fehlen.«
Neustart für das Theater Bremen
Börgerding beerbte 2010 den Kulturmanager Hans-Joachim Frey, der das Theater Bremen mit größenwahnsinnigen Ideen fast zugrunde gerichtet hatte. Börgerding übernahm das Haus in der Krise: Mit kleinerem Etat und mit großen politischen Zweifeln. Die räumte er schnell aus. Seine Idee war es, aus einem lustvollen Ensemble heraus in die Stadt zu wirken. Keimzelle blieb dabei stets das Schauspiel: Börgerding internationalisierte das Ensemble, entwickelte eine eigene Sprache, mit der er ein neues Publikum erreichte (und ein altes Publikum verlor). Er reetablierte das Bremer Ballett. Allein die Opernsparte schien ihn, den Schauspiel-Mann, wenig zu interessieren.
Michael Börgerding war das, was man einen Dramaturgen-Intendanten nennen kann. Ein liebenswerter Kopf-Mensch. Das war auch in seinen regelmäßigen Essays, die er für die Programmhefte des Theaters verfasste, und mit denen er seine Leserinnen und Leser gern überforderte, zu lesen. Oft waren es schwerverdauliche Geistes-Ritte durch philosophische Traktate, die er gern zitierte, um daraus so etwas wie seine eigene Theaterästhetik (und die Bedeutung seines Theaters für eine Gesellschaft) abzuleiten. All das erschwerte allerdings auch oft eine wesentliche, sinnliche Komponente des Theaters: den offenen Dialog innerhalb einer Stadtgemeinschaft.
Michael Börgerding leitete das Theater Bremen 13 Jahre lang. Er zog einen energischen und wichtigen Schlussstrich unter die unsägliche Ära von Hans-Joachim Frey, aber er vermochte es nicht immer, das (auch politisch inzwischen geschwächte) Theater Bremen wieder zu jener Bedeutung zu verhelfen, die es einst unter Kurt Hübner hatte. Dabei war diese Zeit sein großes Vorbild, auf das er mit der Adaption des alten Logos mit Pfeil gern verwies.
Das Ensemble als Familie
Michael Börgerding war der Familienvater des Theater Bremen. Wer sein Haus oder seine Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter kritisierte, wurde selten in einen Dialog verwickelt, sondern galt als »Nestbeschmutzer«. Börgerding war ein Netzwerker, der sein Haus vor allen Dingen auch strategisch verankerte. Ihm schien die Sicherheit in der lokalen Kulturpolitik oft wichtiger als der offene Diskurs mit seinem Publikum. Das Theater Bremen wuchs unter ihm zu einer eingeschworenen Familie, die der Intendant immer wieder gegen alle Kritik schützte. Das war ehrenwert. Und das war auch das Zeugnis menschlicher Größe.
Michael Börgerding und ich waren auf vielen verschiedenen Ebenen aneinander geraten. Wir hatten sicherlich eine vollkommen unterschiedliche Auffassung darüber, wie ein öffentlicher Diskurs über Kunst aussehen soll. Und wir haben es bis zum Ende nicht geschafft, einen gemeinsamen Diskursraum zu finden. Irgendwann war es uns dann wohl auch egal. Nun ist Michael Börgerding tot – und mir wird klar: Wir haben eine Chance verpasst.
Michael Börgerdings Tod und die Dispute, die uns begleitet haben, lehren mich heute vor allen Dingen eines: Es sollte nie zu spät sein, miteinander in Gespräche zu kommen. Die Welt der Kunst ist sicherlich auch eine Welt von eingeschworenen Gemeinschaften, aber sie ist eben auch dafür da, exemplarisch miteinander zu streiten. Diese Chance haben wir verpasst. Der Tod von Michael Börgerding macht mich traurig. Er hinterlässt – auf so vielen Seiten – den Eindruck des Unvollendeten.