Der Salzburger Festspielfonds und Markus Hinterhäuser haben Abmahnungen verschickt. Warum kritischer Kulturjournalismus jetzt besonders wichtig ist.
English summary: After critical reporting on the Salzburg Festival and Markus Hinterhäuser, BackstageClassical faced two cease-and-desist letters, raising concerns about press freedom. Support is sought to defend investigative journalism.
Kritischer und investigativer Journalismus ist wichtig – gerade in Zeiten großer Umbrüche. Im Bereich der Kultur ist er allerdings selten. BackstageClassical steht für diesen Journalismus: Natürlich schreiben wir auch über leidenschaftliche Aufführungen und denken in großen Gesprächen mit Menschen der Musik über große Themen und ästhetische Ideale nach. Aber wir schauen auch genau hin, blicken hinter die Kulissen, hören Menschen zu, die uns gegenüber Missstände benennen – und gehen diesen auch nach: Wir berichten über Strukturfragen, Sparvorhaben oder Machtmissbrauch. Wir machen das, weil Wandel nur durch Kritik stattfindet, und weil wir fest überzeugt sind, dass Medien genau diese Aufgabe haben: Hinzuschauen, in Frage zu stellen und neue Perspektiven zu debattieren.
Es ist selbstverständlich, dass dieser Journalismus manchen Menschen zu nahe kommt. Kritik ist eben nicht billig, sie muss sich der Gegenkritik stellen, Verteidigungen aushalten und ihrerseits mit Angriffen leben. Das nennt man Debattenkultur! Und die ist wichtig. BackstageClassical glaubt fest an diese offene und freie Gesellschaft, daran, dass ein Medium nur durch Rede und Gegenrede funktioniert. Ich schreibe Ihnen all das aus einem aktuellen Anlass:
Abmahnungen aus Salzburg
Nach meiner kritischen Berichterstattung über die Salzburger Festspiele und Markus Hinterhäuser hier bei BackstageClassical haben der Intendant und der Salzburger Festspielfonds mir zwei Abmahnungen zukommen lassen, in dem sie den Streitwert auf einmal 70.000 und einmal 30.000 Euro beziffern. Ich habe auf Grund einzelner Punkte den Eindruck, dass es in diesem Fall auch darum gehen könnte, mir die Berichterstattung zu erschweren.
Mich hat der Umstand irritiert, dass der Rechtsanwalt, der Markus Hinterhäuser und die Salzburger Festspiele in dieser Sache vertritt, der Gleiche ist, der auch den Dirigenten Teodor Currentzis in seiner Kritik an meinen Recherchen über seine russischen Verbindungen vertreten hat.
Am Anfang der Intendanz von Markus Hinterhäuser war ich begeistert von seiner Aufbruchstimmung, habe mich öfter mit ihm getroffen und ausgetauscht. Es ist für mich unverständlich, wie dünnhäutig Hinterhäuser inzwischen auf Kritik an seiner Arbeit regiert. Ich habe das als Kulturjournalist in dieser Form noch von keinem Intendanten erlebt.
Was ist kritischer Journalismus wert?
Nach Erhalt einer Abmahnung gibt es verschiedene Möglichkeiten, zu reagieren. Man kann erklären, die bemängelten Äußerungen nicht mehr zu tätigen – in der Regel geht das mit einer Erstattung der Anwaltskosten des Abmahnenden einher. Oder man unterschreibt nicht. In diesem Fall kann der Gerichtsweg eingeschlagen werden. So oder so entstehen bereits im Vorfeld außergerichtliche Kosten – egal, wie der Fall ausgeht. Ich glaube fest daran, dass Journalismus nur eine Chance hat, wenn man Fehler eingesteht (was im aktuellen Fall auch geschehen ist), gleichzeitig aber auch für seine Haltung kämpft. Und ich finde es wichtig, dass strittige Fragen im Zweifelsfall von Gerichten verhandelt und entschieden werden – das ist zuweilen eben auch Teil der öffentlichen Meinungsbildung innerhalb einer Demokratie.
Problematisch ist, dass dieser Weg oft kostspieliger (und nervenaufreibender) sein kann als gleich nach der ersten Anwalts-Post einzuknicken. Große Medienhäuser haben für diese Fälle eigene Rechtsabteilungen. Freie Journalistinnen und Journalisten oder junge Seiten wie BackstageClassical stehen mit derartigen Angriffen oft allein da und erwägen schon aus Kostengründen, auf eine Verteidigung zu verzichten. Das aber würde jede Form des kritischen Journalismus demontieren. Gerade die Kultur mit ihren oft hohen moralischen Ansprüchen muss eine freie und gerechte Diskussionskultur aufrecht erhalten.
Genau dafür ist BackstageClassical angetreten. Und wir sehen, wie erfolgreich wir Sie mit unseren Themen als Leserinnen und Leser gewinnen. Aber es gibt eben auch Momente, in denen Haltung nicht immer billig ist. Und deshalb bitte ich Sie heute, uns zu unterstützen. Helfen Sie BackstageClassical mit Ihrer Spende. Helfen Sie uns, weiter zu recherchieren, ganz unterschiedliche Meinungen zu veröffentlichen und tiefgreifende Debatten zu führen. Helfen Sie uns, unsere Standpunkte – notfalls auch vor Gericht – zu verteidigen. BackstageClassical ist mehr als eine Seite und mehr als seine Redaktion – BackstageClassical ist eine Gemeinschaft all jener, die offene Debatten innerhalb der Kultur für wichtig halten. Unterstützen Sie uns dabei, unsere Texte zu verteidigen.
Erklärung meines Rechtsanwalts, Christopher Langlotz:
»Es gab zwei Abmahnungen bezogen auf zwei Texte, die bei BackstageClassical.com erschienen sind. Insgesamt betrafen diese Abmahnungen 10 Punkte. Herr Brüggemann hat sich in drei Punkten zur Unterlassung verpflichtet – die betreffenden Aussagen wird er nicht öffentlich wiederholen. Damit ist mein Mandant dem Salzburger Festspielfonds und seinem Intendanten so weit entgegengekommen, wie es ihm möglich war. Zu den einzelnen Punkten kann mein Mandant derzeit im Hinblick auf ein mögliches gerichtliches Verfahren keine näheren Angaben machen. Ob es darüber eine gerichtliche Auseinandersetzung geben wird, liegt derzeit allein in der Hand des Salzburger Festspielfonds und seines Intendanten. Wir hoffen allerdings, dass es dazu nicht kommt und der Salzburger Festspielfonds die Freiheit auch einer kritischen Berichterstattung respektiert.«
Hier die aktuelle Berichterstattung über unseren Fall im ORF oder im Standard.