Die Deutsche Oper in Berlin zeigt John Adams‘ »Nixon in China« – und das Feuilleton jubelt. Eine kleine Rezensions-Umschau.
Zum ersten Mal wird John Adams Oper Nixon in China in Berlin gespielt. An der Deutschen Oper verwandeln Franziska Kronfoth und Julia Lwowski von Kollektiv Hauen und Stechen die Oper in einer rasante Polit-Revue mit vielen aktuellen Bezügen.
Peter Jungblut jubelt im BR: »Ein bildgewaltiger Hexensabbat des politischen Irrsinns. Richard Nixon und seine Entourage landen in Peking mit einem Fallschirm, der sehr nach einem Atompilz aussieht. Danach prallen zwei Welten aufeinander: Die Amerikaner gruseln sich beim Kriegsballett der Roten Garden, bei der Besichtigung einer Schweinefarm und in der Volksklinik. Die Chinesen wedeln mit Mao-Bibeln, loben Karl Marx und blenden ihre Gäste mit einer grellen Folklore-Show.«
Für besondere Momente sorgen die Video-Aufnahmen aus dem Foyer der Oper, findet Stefan Drees in der NMZ: »Indem die Regie dem Einsatz des Orchesters einen filmischen Vorspann vorausschickt, wird die gesamte Oper von Anfang als mediales Ereignis gekennzeichnet; und wie in der Filmkunst schließen sich aufgrund dieser von Martin Mallon (Video und Live-Kamera) gestalteten Ebene Wirklichkeit und Erfindung zu einer neuen Einheit zusammen: Live im Foyer des Opernhauses sowie im Auditorium gefilmte Szenen wechseln mit vorproduzierten Backstage-Sequenzen ab (…) So entpuppt sich Mao Tse-tung gleich zu Beginn als Persönlichkeit, die vor ihrer eigenen Macht erschrickt, während Henry Kissinger in Macho-Manier als Actionheld mit Maschinenpistole inszeniert wird.«

Eleonore Büning schreibt im Tagesspiegel: »Ein anderes Highlight ist das klassische Grande Opéra-Ballett im zweiten Akt. Hauen und Stechen verlegen den Plot vom Land in die Stadt und in eine Fabrik. Hier werden Menschen am Fließband geschunden, geschrubbt, geschlachtet und zu Bockwurst verarbeitet.« Wolfgang Schreiber berichtet in der Süddeutschen Zeitung: »Evident wird da die Spiegelung der realen und der medialen Person Mao Zedong – zu sehen in der Riesenmaske des Machthabers und dann in der erbärmlichen Wirklichkeit seines Darstellers, seiner jähen Angst vor der Menschenmasse, die ihn jubelnd als Selfie-Opfer verfolgt, vor der er panisch flieht.« Nicht ganz so jubelnd fällt die Kritik von Clemens Haustein in der FAZ aus: »Totale Überreizung«, heißt es da, »John Adams‘ Oper Nixon in China ertrinkt in Bilderfluten, und die Musik wird zum Soundtrack degradiert.«
Stefan Drees ist dagegen auch musikalisch zufrieden: »Zum wahren Musiktheatererlebnis wurde die gleichermaßen kurzweilige wie exzentrische und gedanklich anregende Inszenierung am Premierenabend jedoch erst durch die großartigen musikalischen Leistungen sämtlicher Beteiligter. Dem Stimmt Wolfgang Schreiber zu: »Richard Nixon und Gattin Pat werden musikalisch stark verkörpert durch Thomas Lehman und die wunderbare Heidi Stober. (…) Im Kontrast dazu steht Mao Zedong, dem Ya-Chung Huang den hellen Tenorglanz gibt, und der um Ausgleich ringende Ministerpräsident Tschou En-lai (weise baritonal: Kyle Miller) sowie die Mao-Gattin Chiang Ch’ing, eine Art höhensichere Königin der Nacht.« Auch Dirigent Daniel Carter wird für seine wuchtigen Klangeffekte gelobt – Theatermusik at its best!
»Diese Nixon in China-Lesart ist eine bildstarke Materialschlacht ohnegleichen«, resümiert der Tagesspiegel schließlich: »Muss man gehört und gesehen haben.«
★★★★☆