Das ignorieren wir nicht einmal! 

Juni 26, 2025
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Désirée Nosbusch beim Opus Klassik 2024 (Foto: ZDF, Pflug)

Beim Opus Klassik versucht eine kriselnde Branche, die gesunde Klassik mit in den Abgrund zu reißen. 

English summary: The Opus Klassik is like a musical car crash—painful to watch, but impossible to ignore. It’s a dying industry’s desperate attempt to stay relevant, handing out awards that no longer reflect where classical music is thriving: in orchestras, festivals, and the artists themselves.

Eines meiner Lieblingszitate von Karl Valentin ist: »Des ignoriern ma net amoi!«. Warum, verdammt triggert es mich jedes Mal aufs Neue, wenn die Gewinnerinnen und Gewinner des Opus Klassik bekannt gegeben werden? Letztlich ist dieser Preis ein bisschen wie ein Verkehrsunfall der Musikbranche: Man will nicht hinschauen – aber irgendwie kann man es auch nicht lassen. Man fährt etwas langsamer, schüttelt erschrocken den Kopf und fährt dann vorsichtiger weiter durch das eigene Tagesgeschäft.

Immerhin: Jonas Kaufmann und Lang Lang gehen dieses Mal (bislang) leer aus! Was mich wirklich irritiert und schon fast mitleidig werden lässt, ist, wie hilflos und willkürlich die »Jury« da ihre Preise verteilt. International versteht das längst kein Mensch mehr. Englands Musikkritiker Norman Lebrecht schreibt zu Recht: »Der Opus Klassik ist einfach nur diffus, und es ist schwer zu sagen, wer da ausgezeichnet wird.«

Anschluss verpennt

Offensichtlich hat da eine ganze Branche seit Jahren nicht begriffen, dass ein »Weiter so« mit aufgesetzten Scheuklappen das eigene Ende bedeutet. Aber genau das zeigt dieser Preis der einst so stolzen (und überheblichen) Major Labels nun in aller Härte. Immerhin: Die Phono-Fuzzis scheinen inzwischen begriffen zu haben, dass der Erfolg der Klassik längst an anderen Orten zu Hause ist – und sie zögern nicht, diese Plätze nun zu annektieren, um ihr eigenes Image damit aufzupolieren. Und so wurden hektisch  neue Kategorien jenseits der Platten-Industrie erfunden. Aber wenn dann ausgerechnet das Mozartfest Würzburg für das ‚Innovative Konzert‘ ausgezeichnet wird und The World of Hans Zimmer als Tournee des Jahres – dann spricht das schon wieder Bände. Und, ja: Da ist ein wirklich guter Komponist wie Jüri Reinvere, aber er wird in der ZDF Gala wohl kaum eine Rolle spielen, und seine Auszeichnung zeichnet eher die Auszeichnenden aus als den Ausgezeichneten. Nein: Es ist nicht mehr cool, den Opus zu bekommen. Er ist in der Welt der funktionierenden Klassik einfach nichts mehr Wert. Im Gegenteil: Er stellt Dich öffentlich in seinem oberflächigen Glitzerkleid bloß. 

Ebenso wie der fatale Glaube, dass die Übertragung der Gala im ZDF wirklich eine Werbung für die Klassik ist. Es ist eher ein Ritual, so als würde der MDR jedes Jahr eine Folge Ein Kessel Buntes senden. Die Opus-Übertragungen sind die jährliche Chance für ein breites Publikum geworden, zuzuschauen, welche Strategien des Klassik-Managements in den letzten Jahren krachend gescheitert sind. Beste Dirigentin: Joana Mallwitz? Beste Konzerteinspielung aller Konzerteinspielungen des letzten Jahres: Igor Levit  und  Christian Thielemann mit Brahms? Wirklich? Wen will die Jury hier eigentlich verarschen?

Erfolge an anderen Stellen

Der Opus Klassik hat ein für alle Male den Anschluss verpasst. Er ist nicht erneuerbar. Ein vollkommen neuer Preis mit vollkommen neuen Playern und vollkommen neuen Medien muss her. Das liegt auch daran, dass die großen Labels keine Antwort mehr auf ihre eigene Zukunft haben. Schauen wir doch, was Sony in den nächsten Monaten und Jahren auf dem Feld der Klassik noch herausbringen will. Beim Cellisten Hauser (warum wird der eigentlich nicht ausgezeichnet?) weiß man längst nicht mehr, ob das noch ernst gemeint ist, oder eine Satire wie der geniale Kino-Kalauer »Der letzte Takt« über den Untergang eines isländischen Aufschneider-Cellisten. 

Was die Leute beim Opus nicht verstanden haben: Die neue Klassik ist lebendig wie selten, sie hat sich vielleicht etwas verkleinert, ist vielleicht weniger auf Hochglanz poliert – aber sie ist längst abgesprungen vom sinkenden Schiff der so genannten Majors. Die Transformation des Klassik-Marktes hat vor Ort, bei den Orchestern, den Opernhäusern, den Festivals längst begonnen – und sie hat auch das Publikum erreicht. Innovationen finden nicht mehr im Plattenmarkt, sondern bei den Klassik-Künstlerinnen und Künstlern selber statt, die müde sind, sich von irgendwelchen Platten-Verträgen in einem Mainstream, der längst keiner mehr ist, knebeln zu lassen. 

Und all das ist, was mich am Opus Klassik am meisten irritiert: Dass eine sterbende Branche noch immer die Hybris hat, die Regeln zu bestimmen. Und es ärgert mich kolossal, dass mich das jedes Mal wieder so sehr aufregt, dass ich das net amoi ignorieren kann!

In einer vorigen Fassung haben wir geschrieben, dass das Mozartfest Augsburg ausgezeichnet würde, es ist aber Würzburg.

Axel Brüggemann

Axel Brüggemann arbeitet als Autor, Regisseur und Moderator. Er war als Kulturredakteur und Textchef bei der Welt am Sonntag tätig und schrieb danach für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Heute veröffentlicht er u.a. im Tagesspiegel, im Freitag, der Jüdischen Allgemeinen oder in der Luzerner Zeitung. Er arbeitet für Radiosender wie den Deutschlandfunk, den WDR oder den HR. Seine Fernsehsendungen und Dokumentationen (für ARD, ZDF, arte oder SKY) wurden für den Grimmepreis nominiert und mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. Brüggemann schrieb zahlreiche Bücher u.a. für Bärenreiter, Rowohlt, Beltz & Gelberg oder FAZ Buch.

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