Brucknerhaus-Skandal spitzt sich zu: Wurden SMS verheimlicht?

Oktober 18, 2024
2 mins read
Das Brucknerhaus in Linz (Foto: Brucknerhaus, Stöllinger)

Nachdem bereits Intendant und Bürgermeister ihren Rücktritt erklären mussten, wurde nun ein Interim-Geschäftsführer eingesetzt, da auch Rene Esterbauer seinen Hut nehmen musste.

Das Brucknerhaus im Chaos! Nach der explosiven Freistellung von Geschäftsführer Rene Esterbauer stand die Linzer Veranstaltungsgesellschaft (LIVA) ohne Führung da. Nun wurde Alexander Stefan mit der interimistischen Geschäftsführung beauftragt, ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Aber die Skandale und Negativschlagzeilen reißen nicht ab.

Seit dem vergangenen Freitag ist Aufsichtsratsvorsitzender Meinhard Lukas auf Spurensuche: Was genau Esterbauer vorgeworfen wird, ist auch heute noch unklar. Es geht offenbar um eine Mail, in der die SMS-Korrespondenz zwischen dem zurückgetretenen SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger und dem ehemaligen künstlerischen Leiter des Brucknerhauses, Dietmar Kerschbaum, dokumentiert wird. Die Chats, die Luger in der Brucknerhausaffäre zum Rücktritt gezwungen haben, waren in LIVA offenbar schon längere Zeit bekannt. Sie seien am 16. Juli im Mailsystem der LIVA eingegangen, sagt Aufsichtsratschef Meinhard Lukas. Das blieb aber offenbar ohne Reaktion. »Alles, was wir seither tun, ist es zu klären, wie mit dieser Mail umgegangen wurde«, sagte Lukas bei einer Pressekonferenz am Freitag.

Brucknerhaus als Politischer Spielball

Derweil schlägt Vizebürgermeister Martin Hajart (ÖVP) Alarm: Im Stadtsenat herrsche völlige Unklarheit über die Gründe der Freistellung Esterbauers: »Wir wissen nichts – nur aus den Medien erfahren wir, dass der geschäftsführende Vizebürgermeister Prammer auch den letzten Geschäftsführer freigestellt hat. Jetzt steht die LIVA ohne Führung da!« 

Hajart fordert sofortige Informationen und drängt auf eine Sonderstadtsenatssitzung. »Es müssen endlich Antworten her: Welche Vorwürfe gibt es? Wer wusste wann Bescheid? Und wie sichern wir jetzt das Krisenmanagement?« Dem geschäftsführenden Vizebürgermeister Prammer wirft er Missmanagement vor: »Das haben wir schon unter Luger erlebt! Damals entließ Luger ebenfalls einen LIVA-Geschäftsführer, ohne die zuständigen Gremien zu informieren. Es stellte sich heraus: Luger war der Einzige, der nicht vertrauenswürdig war«

Rückendeckung aus dem Theater

Während das Brucknerhaus im Sturm steht, bleibt Thomas Königstorfer, kaufmännischer Direktor des Landestheaters Linz, ruhig. »Das Brucknerhaus ist für die laufende und kommende Saison gut vorbereitet«, erklärt er. »Die Termine sind bis Sommer 2026 fest geplant, da gibt es keinen akuten Handlungsbedarf.« Königstorfer betont, dass er kurz vor Esterbauers Freistellung noch Kontakt mit ihm hatte. »Esterbauer sagte, das Programm für das Brucknerfest 2025 sei fertig.« Allerdings fehlen Königstorfer genauere Einblicke in die Details.

Großes Rätselraten um Esterbauer

Warum wurde Esterbauer freigestellt? Bis heute gibt es keine offiziellen Erklärungen. Kann Prammer die LIVA aus der Krise führen? Oder ist die Situation bereits außer Kontrolle geraten? Die kommenden Tage werden zeigen, ob das Brucknerhaus wieder auf Kurs gebracht wird oder ob der Skandal um Esterbauer tiefer reicht, als bisher vermutet.

Die Leitungskrise und die ungeklärten Vorwürfe werfen einen Schatten auf die Zukunft der Einrichtung. Doch die Stadtpolitik ist sich uneins über den richtigen Kurs. Während Lukas von einem »großen G’riss« um die Intendanz spricht, wächst die Sorge, dass die Negativschlagzeilen potenzielle Kandidaten abschrecken könnten. Für die Linzer Bevölkerung bleibt die Hoffnung, dass das Brucknerhaus bald wieder zur Ruhe kommt und seine kulturelle Strahlkraft zurückgewinnt. Doch bis dahin sind noch viele Fragen offen – und Antworten rar.

BackstageClassical

BackstageClassical bringt Ihnen Debatten und Nachrichten aus der klassischen Musik. Die Seite ist kostenfrei. Bestellen Sie unseren Newsletter oder unterstützen Sie unseren unabhängigen Musikjournalismus durch Ihre Spende.

Fördern

Artikel auf BackstageClassical sind kostenlos. Wir freuen uns, wenn Sie unabhängigen Klassik-Journalismus fördern.

Mehr aktuelle Artikel

Milo Rau in Sturmmaske bei der Pressekonferenz der Wiener Festwochen

Lieber Milo Rau,

als die Welt noch in runden Kreisen drehte, war es gut, dass jemand wie Sie uns hin und wieder aus dem Gleichgewicht geschrien hat. Sie haben die Bühne zum Gerichtssaal und das

Junge Dirigenten unter Druck

In Köln läuft der German Conducting Award. Dirigent Patrick Lange sitzt in der Jury und berichtet live vom Wettbewerb. Ein Podcast über die Zukunft des Dirigentenberufes. 

Lieber Igor Levit,

es ist kein Geheimnis, dass wir noch nie wirklich Freunde waren. Dabei würde ich vieles, was Sie sagen sofort unterschreiben: Kampf dem Antisemitismus. Jawoll! Kampf den Diktaturen. Na logo! Und mehr Ökologie

CDs zu retten ist kein Heldentum

Eine ehemalige BR-Mitarbeiterin will 175.000 CDs des Senders vor der Zerstörung retten. Sie wird als Heldin gefeiert. Dabei ist ihr Kampf so unnütz wie aussichtslos. 

Verramscht die ARD hochwertige Klassik? 

Im Fernsehen ist kaum Platz für Klassik, aber nun starten die ARD-Orchester eine Offensive bei YouTube. Auf Monetarisierung wollen sie dabei verzichten. Darüber müssen wir reden.  

Liebe Kristin Okerlund,

ich kannte Sie nicht, und ich werde Sie leider auch nicht mehr kennenlernen. Sie sind am Freitag gestorben – plötzlich und unerwartet. Und alle, wirklich alle, weinen um Sie: Piotr Beczała, Andreas

Opus-Pokus

Heute mit viel Weltpolitik in der Klassik, mit Strukturfragen zu den Bayreuther Festspielen, GEMA-Gedanken, dem OPUS KLASSIK und lustigen Briefen 

Liebe Anu Tali,

Sie sind sicherlich eine großartige Dirigentin. Ihr Lehrer war Jorma Panula, der finnische Dirigenten-Yoda. Sie haben ein eigenes Orchester gegründet und waren Musikdirektorin in den USA. Warum, zum Teufel, haben Sie zugesagt,

Don't Miss