Der Vertrag von Andris Nelsons als Gewandhauskapellmeister soll bis 2032 verlängert werden. Leipzig hat lange um diese Entscheidung gerungen.
English summary: Andris Nelsons will remain Gewandhauskapellmeister in Leipzig until 2032, entering a third term. Despite internal debates and criticism, the orchestra chose continuity. Joint projects with Boston will continue.
Es war längst beschlossene Sache, wir hatten bereits im Mai berichtet, nun ist es auch offiziell: Andris Nelsons bleibt Gewandhauskapellmeister bis 2032 und tritt damit seine dritte Amtsperiode an.
Vorausgegangen ist offenbar eine grundlegende Debatte im Orchester und in der Stadtpolitik: Nelsons ist ein teurer Chef, das Gewandhaus hat ihn nicht exklusiv, und ob das Orchester unter ihm wirklich an Glanz gewonnen hat, wird unterschiedlich bewertet. Nelsons scheint seinem Ensemble in Boston mehr verbunden zu sein als jenem in Deutschland, und überhaupt: Ist die Geschichte mit ihm nicht auserzählt?
Das Gewandhausorchester selber hatte zwischenzeitlich die Fühler in andere Richtungen ausgestreckt, hatte hier geflirtet und dort geflirtet – und am Ende offensichtlich doch kalte Füße bekommen und sich (in einer Orchester-Abstimmung) auf das Bekannte geeinigt. Nun soll es mit Nelsons weiter gehen – bis 2032, vier Jahre länger als der amtierende Intendant Andreas Schulz beim Orchester bleiben wird.
Und darin liegt die eigentliche Krux: Tatsächlich hätte Leipzig die Chance gehabt, 2027 (wenn Nelsons Vertrag ausgelaufen wäre) seine Klassik-Szene grundlegend neu zu ordnen. In den letzten Monaten haben unter anderem die etwas verunglückten Ausschreibungen der Stellen des Opernintendanten und des Gewandhaus-Geschäftsführers für allerhand Unruhe gesorgt und gezeigt, dass Leipzigs Klassik-Institutionen nicht optimal geordnet sind. Neben dem Gewandhauskapellmeister gibt es einen Opern-GMD, ebenso gibt es an beiden Häusern, an denen das Orchester spielt, unterschiedliche Intendanzen.
Wäre es nicht ein guter Zeitpunkt gewesen, diese unzeitgemäße (und kostspielige) Posten-Aufteilung neu zu sortieren? Leipzigs Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke fehlte der Mut dafür, sie vertraut nach allen Abwägungen offensichtlich mehr auf die Strahlkraft von Nelsons und hofft auf seine internationale Wirkung. Nun heißt es also: Weiter wie bisher.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Gewandhausorchester und dem Boston Symphony Orchestra soll weiter laufen, gemeinsame Projekte, wie zuletzt beim Schostakowitsch-Festival sollen dabei im Mittelpunkt stehen. Zudem soll die Zusammenarbeit der Ausbildungszentren beider Orchester (Mendelssohn-Orchesterakademie und Tanglewood Music Center) weiter intensiviert werden.
Außerdem will Nelsons mit der Ernennung von Gewandhauskomponistinnen oder -komponisten fortfahren. Parallel dazu wird die Präsenz von Schlüsselwerken im beliebten Kanon des Gewandhausorchesters gestärkt, auch im Rahmen der intensiven Fortführung der Zusammenarbeit mit der Deutschen Grammophon. Verschiedene Aufnahmeprojekte, beginnend mit dem Abschluss des Mendelssohn-Zyklus, sowie Sibelius und Dvořák sind in Planung.

