Schoner nicht nach München

April 17, 2024
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Intendant der Bayerischen Staatsoper: Serge Dorny (Bild: Bayerische Staatsoper)

Wird Serge Dornys Vertrag verlängert? Als Nachfolger wurde Viktor Schoner aus Stuttgart gehandelt – der dementiert nun.

Die Situation an der Münchner Staatsoper bleibt unklar. Heute hatte die Abendzeitung spekuliert, dass Viktor Schoner, derzeit Intendant der Staatsoper in Stuttgart, Favorit von Kulturstaatsminister Markus Blume sein könnte. Wird Blume den Vertrag des amtierenden Intendanten Serge Dorny (Wegbegleiter von Gerard Mortier) vielleicht nicht verlängern und stattdessen Viktor Schoner (Wegbegleiter von Nikolaus Bachler) den Vorzug geben? Offensichtlich handelt es sich wirklich nur um reine Spekulation. Auf dem Nachrichtendienst X twitterte die Pressestelle der Stuttgarter Staatsoper jedenfalls: »Viktor Schoner ist nicht im Gespräch mit dem Bayerischen Kunstministerium.«

Post der Staatsoper Stuttgart

Trotzdem bleibt die Frage: Was ist denn da los in München? Verzockt sich Intendant Serge Dorny gerade bei seiner Vertragsverlängerung? Warum zögert Kulturstaatsminister Markus Blume? Und warum agiert der Intendant so ungeschickt?

Die Vorgeschichte beginnt damit, dass Blume ausgerechnet den Vertrag des intern nicht unumstrittenen Intendanten am Gärtnerplatz, Josef E. Köpplinger verlängert hat – und zwar ohne besonderen Anlass. Hat das Dorny nervös gemacht? Hat er deshalb öffentlich seine Kandidatur zum Intendanten der Salzburger Festspiele bekannt gegeben? Wollte er Blume so unter Druck setzen? Frei nach dem Motto: »Ich könnte auch einfach abhauen?« Jetzt weiß ganz München: Kann Dorny nicht – Markus Hinterhäuser bleibt Salzburg-Chef.

Trotzdem hat der Staatsopern-Intendant sich diese Woche erneut ins Gespräch gebracht, indem er – wieder ohne Anlass – seine erfolgreiche Bilanz als Presseaussendung veröffentlicht hat: Eine Auslastung von 96 Prozent im ersten Quartal, 86 Prozent des Publikums seien nach einer Umfrage »eher« bis »sehr« zufrieden. Ob das Blume zum schnelleren Handeln veranlassen wird? 

Klar, Dornys Vertrag läuft bis 2026, und er plant schon jetzt für eine Saison, von der er nicht weiß, ob er sie auch als Intendant eröffnen wird. Dornys künstlerische Bilanz lässt sich auch durchaus sehen: Nach radikalem Umkrempeln zu Beginn hat er wieder auf einen kulinarischeren Kurs umgeschwenkt und mit Opern wie Die Passagierin oder Krieg und Frieden auch Mut beweisen und Stücke jenseits des Kernrepertoires zu Erfolgsabenden gemacht. Kein Wunder, dass die lokale Presse dem Intendanten nun den Rücken stärkt. Robert Braunmüller von der Abendzeitung schreibt: »Es wäre an der Zeit, das Pokern zu beenden«, und noch deutlicher ist Egbert Tholl in der Süddeutschen: »Im Grunde ist er (Dorny) ein an Gerard Mortier geschulter Humanist. Inzwischen sucht er das Gespräch, lernte loszulassen. Er holte wieder die Gesangsstars ans Haus.« 

Hier spricht Serge Dorny über alternative Modelle für die Oper

Dorny mischt sich auch erfrischend in Strukturdebatten ein. Im Podcast Alles klar, Klassik? schlug er vor, die Theaterstruktur in Deutschland grundlegend zu überdenken. Muss es überall Ensemblehäuser geben? Und sollten wir nicht über vollkommen neue Preisstrukturen nachdenken? 

Tatsächlich scheinen im Hintergrund aber auch noch andere Konflikte zu schwelen. Da geht es eher um Führungsstil. Die Personal-Fluktuation am Hause ist hoch, einige haben es nicht einmal geschafft, ihren Job am Haus anzutreten, weil es schon im Vorfeld gekracht hat, und BackstageClassical liegt mindestens eine schriftliche Beschwerde über den Führungsstil am Hause vor. Erklärt das Blumes Zögern? Oder geht es hier einfach um einen Machtkampf zweier Alpha-Männer?

Ähnlich dringlich ist die Frage um die Verlängerung von GMD Vladimir Jurowski. Es mag sein, dass er im Orchester nicht nur Freunde hat. Jurowski hat hohe Ansprüche, formulierte ebenfalls im Podcast Alles klar, Klassik?, dass er mehr Leistungserwartung an deutsche Orchesterstrukturen habe (er sieht nicht ein, dass ein Musiker nach dem Vorspiel bis zur Rente auf der gleichen Position spielt). Gerade lobte die New York Times ihn über den grünen Klee. Aber wie Egbert Tholl schreibt, hat auch Jurowski einige taktische Fehler gemacht: Etwa, wenn er einen Solo-Geiger auf der Bühne nicht aus dem Ensemble besetzt, sondern einen Gast verpflichtet. Musikalisch aber hält er mindestens das Niveau, das Kirill Petrenko vorgelegt hat – und das ist allerhand! Auch, wenn Journalisten wie Tholl hier zögerlicher sind, gerade weil Jurowski ein modern denkender Dirigent ist, weil auch er bestehende Strukturen in Frage stellt, ist er der richtige für einen Operndampfer wie die Münchner Staatsoper. Die Abendzeitung spekuliert, dass Jurowski durch Joana Mallwitz ersetzt werden könnte – der musikalischen Qualität der Staatsoper würde das sicherlich nicht helfen.

In diesem Podcast erklärt Vladimir Jurowski das Orchester, das er sich wünscht.

Axel Brüggemann

Axel Brüggemann arbeitet als Autor, Regisseur und Moderator. Er war als Kulturredakteur und Textchef bei der Welt am Sonntag tätig und schrieb danach für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Heute veröffentlicht er u.a. im Tagesspiegel, im Freitag, der Jüdischen Allgemeinen oder in der Luzerner Zeitung. Er arbeitet für Radiosender wie den Deutschlandfunk, den WDR oder den HR. Seine Fernsehsendungen und Dokumentationen (für ARD, ZDF, arte oder SKY) wurden für den Grimmepreis nominiert und mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. Brüggemann schrieb zahlreiche Bücher u.a. für Bärenreiter, Rowohlt, Beltz & Gelberg oder FAZ Buch.

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