Matthias Schulz eröffnet seine erste Spielzeit als Intendant der Oper Zürich. Vielfalt ist das Programm. Mit Blick auf Deutschland sagt der ehemalige Chef der Staatsoper unter den Linden, dass Deutschland einen besseren Rahmen für private Kulturförderung schaffen muss.
English summary: Matthias Schulz begins his first season as Director of Zurich Opera on Sept 19 with a 24-hour opening. He notes less financial pressure than in Berlin and praises Switzerland’s mixed funding model of state aid, ticket sales, and private sponsors. Highlights include Der Rosenkavalier and new accessibility projects.
Der Podcast von BackstageClassical, auch auf ApplePodcast und für alle anderen Player
Mit einer 24-Stunden-Eröffnung am 19. September startet Matthias Schulz in seine erste Saison als Intendant der Oper Zürich. Der frühere Intendant der Staatsoper Berlin erklärt im Podcast von BackstageClassical, dass der finanzielle Druck in Berlin »deutlich höher« gewesen sei als in Zürich. Was er in Deutschland vermisst, ist eine staatliche Förderung privater Kultur-Mäzene. Darüber habe er auch schon mit Friedrich Merz gesprochen.
Grundsätzlich herrsche in der Schweiz ein breiter Konsens über die Bedeutung kultureller Ankerpunkte. Schulz verweist dabei auf das Mischfinanzierungsmodell mit staatlichen Mitteln, Ticketverkäufen und über 11 Millionen Franken aus privaten Geldern.
Seine erste Saison in Zürich bringt Höhepunkte wie den Rosenkavalier in der Regie von Lydia Steier und mit Joana Mallwitz am Pult sowie Initiativen für mehr Zugänglichkeit. Im Exkino finden experimentelle Formate statt, die erfolgreiche Veranstaltungsreihe »Oper für alle« geht weiter und neue Werke wie The Monsters Paradise stehen auf dem Programm.
Hier einige Ausschnitte aus dem Gespräch:
Herr Schulz, Sie kommen aus Berlin und übernehmen nun die Leitung in Zürich. Haben Sie sich im sauberen, reichen Zürich schon eingelebt?
Matthias Schulz: Ich komme ursprünglich ja aus Bayern und habe lange in Salzburg gewohnt.
Sie meinen, Sie sind die Sauberkeit gewöhnt?
Matthias Schulz: Auf jeden Fall kenne und mag ich die Nähe zu Bergen und Seen. Aus Berlin bringe ich zudem einen ganzen Erfahrungsschatz aus den wirklich tollen Jahren, die ich dort gearbeitet habe, mit.
In Berlin herrscht derzeit finanzieller Notstand. Sind Sie ein bisschen froh darüber, dass Sie da weg sind?
Matthias Schulz: Es ist schon so, dass die Budgets in Berlin sehr unter Druck stehen. Und dieser Druck steigt, es wird zusehends schwerer, zukünftige Politikergenerationen und die Gesellschaft davon zu überzeugen, dass das, was wir machen, wirklich wichtig ist. Man darf dabei auch nicht bedeutungsbesoffen sein, sondern muss gut und sehr handfest erklären, warum es uns braucht. Und, ja, in Berlin ist der Druck höher als hier in Zürich, so, dass man sagen kann, dass ich möglicherweise einen Zeitpunkt erwischt habe.
Weitere Intendanten-Interviews bei BackstageClassical
- Intendant der Oper Hamburg: Tobias Kratzer
- Intendantin der Bayreuther Festspiele: Katharina Wagner
- Intendant in Weimar: Valentin Schwarz
- Intendant in New York: Peter Gelb
- Intendant der Oper Dortmund: Heribert Germeshausen
- Nächste Woche Intendantin der Semperoper: Nora Schmid
Ist Zürich denn noch die Insel der Glückseligen? Gerade im Hinblick auf Finanzierungsmodelle und die Rolle privater Sponsoren im Vergleich zu staatlicher Förderung?
Matthias Schulz: Grundsätzlich gibt es in der Schweiz einen extrem hohen Konsens, dass kulturelle Ankerpunkte wie das Opernhaus benötigt werden. Das Opernhaus Zürich hat etwas monolithisches und repräsentiert einen wichtigen Teil der Kunstwelt. Wir sind davon überzeugt, dass Kultur zur Gesellschaft gehört.
Sollte Deutschland sich ein Vorbild am Schweizer Finanzierungsmodell nehmen?
Matthias Schulz: Was die Finanzierung betrifft, bin ich überzeugt, dass es einen fairen Deal braucht: Fixkosten sollten immer staatlich gedeckt sein, da man keine Sponsoren für Stromkosten findet. Variable Kosten sollten sich aus Ticketgeldeinnahmen und privatwirtschaftlichem Engagement speisen. Hier in der Schweiz müssen rund 11 Millionen Franken privat eingeworben werden, gegenüber knapp über 80 Millionen Franken staatlicher Förderung und über 25 Millionen Franken Ticketgeldeinnahmen.
Das klingt, als sei die Schweiz hier einen Schritt weiter als Deutschland, wo die Abhängigkeit vom Staat oft stärker ist.
Matthias Schulz: Ja, das kann man schon so sagen. Ich habe auch in Berlin versucht, Wirtschaftspartner von ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für die Kultur zu überzeugen. Dieses privatwirtschaftliche Engagement ist unglaublich wichtig. In der Schweiz ist der Anreiz etwas zu spenden aber größer, unter anderem weil die Steuerlast generell geringer ist. Ich glaube, dass die politischen Anreize für privatwirtschaftliches Engagement erhöht werden müssen – darüber habe ich in meiner Berliner Zeit auch schon mit Friedrich Merz gesprochen.
Lassen Sie uns über die Saisoneröffnung am 19. September sprechen. Sie sitzen ja selbst am Klavier, um Elina Garanca zu begleiten. Haben Sie schon geübt?
Matthias Schulz: Ja, ich werde heute Abend gleich wieder üben gehen. Ich hatte aber schon einige Konzerte mit ihr, und jetzt im Juli in Lettland, was wirklich eine tolle Erfahrung war. Am 21. September folgt die große Rosenkavalier-Premiere, inszeniert von Lydia Steier unter Joana Mallwitz, mit der Ausstattung von Gottfried Helnwein. Helnweins Zugriff ist erstaunlich, die Inszenierung wird opulent und spannend.
Neben den großen Premieren haben Sie auch viele Seitenarme im Spielplan etabliert…
Matthias Schulz: Ja, das ist wahnsinnig wichtig. Wir planen eine Laborreihe im Bernard Theater mit dem Klangkünstler Simon Steen Anderson, der sich auch auf das Rosenkavalier-Thema beziehen wird. Zudem mieten wir in Oerlikon, einem Wirtschaftsstandort, der als kulturfern gilt, ein ehemaliges Kino, das Exkino. Dort zeigen wir für 200 Leute experimentelles, improvisiertes, auch mal im besten Sinne nicht fertiges Theater. Eine Klassik-Plattform für junge Ensembles und Education-Arbeit. Das Format Oper für alle wird ebenfalls erweitert und umfasst eine Opernübertragung, eine Ballettübertragung und ein Live-Konzert – das hat es so noch nicht gegeben.
Früher war Zürich auch eine Schmiede für Stimmen. Wie wichtig ist Ihnen die Nachwuchsförderung und das Etablieren neuer Stimmen neben den großen Namen?
Matthias Schulz: Wir haben 16 Plätze im Opernstudio, auf die sich rund 300 Leute bewerben. Uns ist es rasend wichtig, vielseitige Sänger zu finden, die nicht nur die fünf wichtigsten Arien singen wollen, sondern sich auch für zeitgenössisches oder barockes Repertoire interessieren. Wir brauchen auf der einen Seite die ganz große Namen, aber auch ganz viel Risiko, ganz viel neue Namen. Das Ensembletheater ist eine Riesenchance, das Publikum dazu zu bringen, uns zu vertrauen, auch unbekannten Namen gegenüber. Wir müssen die Aufmerksamkeit auf viele Schultern verteilen.

