In Köln läuft der German Conducting Award. Dirigent Patrick Lange sitzt in der Jury und berichtet live vom Wettbewerb. Ein Podcast über die Zukunft des Dirigentenberufes.
English summary: At the German Conducting Award in Cologne, juror Patrick Lange discusses the rising pressure on young conductors. Social media and fast careers demand quick success, while traditional paths fade. Despite change, practice and experience remain vital for artistic growth.
Patrick Lange ist Juror beim German Conducting Award in Köln. Im Podcast von BackstageClassical beleuchtet er die neuen Herausforderungen im Beruf des Dirigierens. Die Jury des Wettbewerbs ist mit Dirigierenden, Managern und einer Komponistin besetzt und bringt unterschiedliche Blickwinkel auf das Repertoire und die Kandidaten mit.
Beschleunigung und digitaler Druck
Dirigent Patrick Lange, der selbst den klassischen Weg über Chöre und Assistenzstellen (etwa bei Claudio Abbado) gegangen ist, stellt fest, dass sich die Karrierewege insgesamt stark beschleunigt haben. Der Markt fordert heute oft »frische junge Namen«, und soziale Medien spielen eine wachsende Rolle, da sie Reichweite und damit Aufmerksamkeit schaffen. Diese Dynamik führt dazu, dass die junge Generation unter einem »unfassbaren Druck« steht, schnell Erfolge zu erzielen.
Die klassische »Ochsentour«, das langsame Hocharbeiten an Stadttheatern, sei in ihrer früheren Form kaum noch existent. Dennoch hält Lange die Erfahrung aus der Praxis für unersetzlich. Ohne »Bodenhaftung« sei es schwierig, ein reiner Weltstar zu sein. Lange bekräftigt, dass das Dirigieren ein »Ausbildungsberuf« sei, in dem man gute wie schlechte Erfahrungen machen und lernen müsse.
Wandel im Ideal: GMD weniger attraktiv
Es zeige sich die Tendenz, dass die feste Stelle als Generalmusikdirektor (GMD) an einem Haus für jüngere Dirigenten möglicherweise nicht mehr so erstrebenswert ist. Dies liege daran, dass diese Position viel Arbeit mit nicht-musikalischen Dingen (wie Planung, Bürokratie und Gewerkschaften) mit sich bringe, was nicht weniger geworden sei. Gleichzeitig betont Lange, dass das kontinuierliche Arbeiten mit einem festen Klangkörper weiterhin immensen Lernzuwachs für beide Seiten biete.
Interpretatorische Trends: Weniger Spezialisierung, mehr Vielfalt
Im Bereich der musikalischen Interpretation beobachtet Lange eine »Modeerscheinung«, bei der Dirigenten krampfhaft versuchen, Werke »anders« zu machen, teils unter Ablehnung der Tradition. Er räumt ein, dass extrem »überenergetisierte« Interpretationen kurzfristig beeindrucken können, jedoch glaubt er, dass diese Tendenz sich über kurz oder lang erschöpfen wird und sich eine gewisse Normalität wieder einstellen könnte.
Ein positiver Gegentrend sei die neue Vielfältigkeit: Im Gegensatz zu früheren Generationen, die sich stark spezialisierten (etwa als Experte für historische Aufführungspraxis oder Wagner-Spezialist), zeige die junge Generation wieder den Mut, ein breites Repertoire abzudecken. Lange sieht dies als großes Geschenk und betont, dass musikalische Geschichte eine große Kette ist.
Erfolge in der Ausbildung
Hinsichtlich der Ausbildung stellt Lange fest, dass sich die Möglichkeiten für junge Dirigierende verbessert haben. Während frühere Generationen im Studium kaum Zeit mit echten Live-Orchestern verbrachten und sich primär auf Klaviere und Theorie stützten, zeigen die aktuellen Wettbewerbsteilnehmer eine große „Selbstverständlichkeit“ und Souveränität vor dem Orchester und scheinen nicht eingeschüchtert zu sein. Dies zeige, dass sich die Ausbildung dahin gehend geändert habe, dass nun mehr praktische Möglichkeiten geboten werden.