Von Klassik Flip-Flops und neuen Kulturmedien  

Juli 14, 2025
4 mins read

Willkommen in der neuen Klassik-Woche

heute amit mehr und weniger Kohle für die Klassik, mit einer neuen Kultur-Medienlandschaft und politischem Engagement!

»Keine Bühne für Gergiev«

Valery Gergiev – umstritten im EU Parlament.

Politik ist nicht so schlecht wie ihr Ruf! Letzte Woche habe ich die deutschen EU-Abgeordneten angeschrieben und nachgefragt, was sie davon halten, dass EU-Gelder ein Konzert mitfinanzieren, das ausgerechnet Putin-Sympathisant Valery Gergiev in Italien geben soll. Die Antworten kamen innerhalb eines Tages und waren eindeutig. Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Sabine Verheyen (CDU) schrieb mir: »Ich fordere die zuständigen Veranstalter und Behörden, einschießlich der Kommission als Hüterin der Kohäsionsmittel, dass sie ihrer politischen und moralischen Verantwortung gerecht werden. Gergiev darf innerhalb der EU keine Bühne geboten werden.« Auch Erik Marquardt (GRÜNE) und Sabrina Repp (SPD) sprachen sich gegen einen Auftritt Gergievs auf. Verheyen und Marquardt wollen überdies Anfragen an die Kommission einreichen, um das Thema noch einmal aufzurollen. »Dass so ein Auftritt auch noch mit EU-Geldern finanziert werden soll, schlägt dem Fass den Boden aus. Die EU-Kommission sollte schnell reagieren und dem einen Riegel vorschieben«, schrieb Marquardt. Der Auftritt am 27. Juli beim Festival Un’Estate da RE wäre der erste West-Auftritt Gergievs seit 2022. 

Die Oper als modernes Multimedium

Die Medienlandschaft für die Klassik ist bekanntlich ein Trauerspiel. Und so ist es kein Wunder, dass viele Kulturinstitutionen sich inzwischen unabhängig von öffentlich-rechtlichen Sendern und alten Medien machen. Sie gründen eigene Plattformen, um ihre Inhalte zu verkaufen oder bekannt zu machen: Was bringen Staatsoper.TV aus München oder das Gewandhaus Radio? Dieser Frage gehe ich in einem ausführlichen Essay nach. Sicher ist: Die alten Medien haben den Kulturjournalismus weitgehend aufgegeben – und Werbung in eigener Sache können die Ensembles selber besser, leidenschaftlicher und klüger machen (bester Beweis ist die Serie das Opern Au-Pair der Bayerischen Staatsoper). Wirklich absurd wird es, wenn die ARD die Aufnahmen ihrer Radio-Ensembles neuerdings kostenlos bei YouTube einstellt, während andere Orchester und Opernhäuser versuchen, ihre Musik auch finanziell auf dem freiem Markt zu verwerten. Es gibt viele Fragen an den medialen Wandel der Klassik-Welt.  

Anzeige

Mehr Kohle für Bayreuth? 

Und noch ein positives Beispiel, dass Journalismus durchaus etwas bewirken kann: Im BackstageClassical-Podcast hat Bayreuth-Intendantin Katharina Wagner nicht nur auf die Kritik von Jonas Kaufmann reagiert, dass Bayreuth auf Grund seines »Werkstattcharakters« unattraktiv sei (»Wir sind ja nicht mehr mit der Pferdekutsche unterwegs, und versuchen durchaus, unseren Künstlerinnen und Künstlern die  Möglichkeit zu geben, sich auch während der Festspiele anderweitig zu präsentieren«). Wagner erklärte auch, dass die Festspiele die Tarifsteigerungen nicht länger aus eigener Tasche bezahlen können. »Wir können aus künstlerischer Sicht nur bis zu dem Punkt sparen, wo es künstlerisch keine Beeinträchtigung gibt«, sagte Wagner. Die dpa nahm unser Gespräch auf, und schließlich äußerte sich auch Bayerns Kulturminister Markus Blume, der Wagners Anliegen für »absolut berechtigt« hält und sagt: »Wir sind selbstverständlich bereit, die Tarifsteigerungen mitzutragen.« Unabhängig davon sei er mit dem Kulturstaatsminister des Bundes, Wolfram Weimer, »in guten Gesprächen« zu den Festspielen.

Gewinnspiel: Bayreuth-Karten mit Geldermann und BackstageClassical

Die Privatsektkellerei Geldermann und BackstageClassical verlosen zwei Karten für die Aufführung Die Meistersinger von Nürnberg am Freitag, den 22.8.2025 sowie zwei Flaschen Festspielcuvée. Wenn Sie mitmachen wollen, senden Sie uns eine Nachricht auf unserem Instagram-Profil (werden Sie gern auch Follower), in der Sie uns kurz erklären, was Sie am Grünen Hügel begeistert. Einsendeschluss ist Donnerstag, der 17. Juli, der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Glück!    

Anzeige

Rotstift in Leipzig und Stuttgart

Keine schlechten Nachrichten diese Woche? Leider doch. Der Rotstift kreist weiter. Besonders in Stuttgart und in Leipzig. Für den fast Zwei-Milliarden-Umbau an der Stuttgarter Oper soll Geld bei den Übergangsspielstätten eingespart werden. Wissenschaftsministerin Petra Olschowski kündigte eine »deutliche Richtungsänderung« und »spürbare Veränderungen« an. Sie lässt prüfen, ob andere Räume in der Stadt, etwa Probestätten, genutzt werden können. Auch bei Büros, Garderoben und Logistikflächen soll gespart werden. In Leipzig sollen nach neuem Haushaltsentwurf Schauspiel und Gewandhaus fast eine Millionen Euro allein 2026 einsparen, erklärt Oberbürgermeister Burkhard Jung

Kein Befreiungsschlag für Essen

Der Zoff am Theater Essen ist nicht wirklich beigelegt. Der Aufsichtsrat hat beschlossen, dass sowohl Intendantin Merle Fahrholz als auch GMD Andrea Sanguineti bleiben werden. Nachdem das Ensemble öffentliche Vorwürfe besonders gegen Sanguineti geäußert hatte, erklärte die Vorsitzende des Aufsichtsrates Barbara Rörig nun, dass die Anschuldigungen nicht justiziabel seien. Die Verträge der beiden würden nicht über 2027 hinaus verlängert, aber eine Entlassung sei durch die Vorwürfe nicht gerechtfertigt.  Mehr hier.

Anzeige

Personalien der Woche

Der Kulturmanager und Cellist Thomas Schmidt-Ott wird ab September 2025 Mitglied der Direktion und Künstlerischen Leitung der Komödie am Kurfürstendamm in Berlin. Das gab das Theater am Dienstag bekannt. Schmidt-Ott ist derzeit noch Direktor des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin (DSO). Außerdem hat er immer wieder Texte für BackstageClassical verfasst. +++ Die US-amerikanische Regisseurin Lydia Steier übernimmt ab November 2026 die Intendanz der Ruhrtriennale. Das teilte das nordrhein-westfälische Kulturministerium am Dienstag mit. Steier, Jahrgang 1978, wird damit die bislang jüngste Intendantin des internationalen Festivals der Künste. Sie folgt auf Ivo van Hove und verantwortet die Spielzeiten 2027 bis 2029.

Und wo bleibt das Positive, Herr Brüggemann?

Ja, wo zum Teufel bleibt es denn? Vielleicht ja hier! Die deutschen Theater verzeichnen einen deutlichen Aufschwung: In der Spielzeit 2023/24 besuchten erstmals seit der Pandemie wieder mehr als 20 Millionen Menschen die Bühnen des Landes. Aber es gibt nur wenig Bewegung im Repertoire: Auf Platz eins stehen Opern von Mozart, Die Zauberflöte, Die Hochzeit des Figaro und Don Giovanni. Auch beliebt: Werke von Giacomo Puccini, Giuseppe Verdi und Richard Wagner. Zu den meistgespielten Opern zählen Klassiker wie La Bohème, Carmen sowie Hänsel und Gretel.

Wenn Sie sich für die Sommerpause rüsten und BackstageClassical indirekt unterstützen wollen, dann schauen Sie doch Mal in unserem Shop vorbei. Wie wäre es mit einer »Labung biet ich dem lechzenden Gaumen«-Flasche zu den Wagner-Festspielen oder mit einem BackstageClassical-Cap? Ach ja: In die Mailänder Scala kommt man nicht mehr mit Schlappen – aber ansonsten kommt man mit BackstageClassical Flip-Flops auf jeden Fall locker durch den Sommer (natürlich können Sie auch einfach so spenden:-))!   

In diesem Sinne: Halten Sie die Ohren steif

Ihr

Axel Brüggemann

Axel Brüggemann

Axel Brüggemann arbeitet als Autor, Regisseur und Moderator. Er war als Kulturredakteur und Textchef bei der Welt am Sonntag tätig und schrieb danach für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Heute veröffentlicht er u.a. im Tagesspiegel, im Freitag, der Jüdischen Allgemeinen oder in der Luzerner Zeitung. Er arbeitet für Radiosender wie den Deutschlandfunk, den WDR oder den HR. Seine Fernsehsendungen und Dokumentationen (für ARD, ZDF, arte oder SKY) wurden für den Grimmepreis nominiert und mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. Brüggemann schrieb zahlreiche Bücher u.a. für Bärenreiter, Rowohlt, Beltz & Gelberg oder FAZ Buch.

Fördern

Artikel auf BackstageClassical sind kostenlos. Wir freuen uns, wenn Sie unabhängigen Klassik-Journalismus fördern.

Mehr aktuelle Artikel

Milo Rau in Sturmmaske bei der Pressekonferenz der Wiener Festwochen

Lieber Milo Rau,

als die Welt noch in runden Kreisen drehte, war es gut, dass jemand wie Sie uns hin und wieder aus dem Gleichgewicht geschrien hat. Sie haben die Bühne zum Gerichtssaal und das

Junge Dirigenten unter Druck

In Köln läuft der German Conducting Award. Dirigent Patrick Lange sitzt in der Jury und berichtet live vom Wettbewerb. Ein Podcast über die Zukunft des Dirigentenberufes. 

Lieber Igor Levit,

es ist kein Geheimnis, dass wir noch nie wirklich Freunde waren. Dabei würde ich vieles, was Sie sagen sofort unterschreiben: Kampf dem Antisemitismus. Jawoll! Kampf den Diktaturen. Na logo! Und mehr Ökologie

CDs zu retten ist kein Heldentum

Eine ehemalige BR-Mitarbeiterin will 175.000 CDs des Senders vor der Zerstörung retten. Sie wird als Heldin gefeiert. Dabei ist ihr Kampf so unnütz wie aussichtslos. 

Verramscht die ARD hochwertige Klassik? 

Im Fernsehen ist kaum Platz für Klassik, aber nun starten die ARD-Orchester eine Offensive bei YouTube. Auf Monetarisierung wollen sie dabei verzichten. Darüber müssen wir reden.  

Liebe Kristin Okerlund,

ich kannte Sie nicht, und ich werde Sie leider auch nicht mehr kennenlernen. Sie sind am Freitag gestorben – plötzlich und unerwartet. Und alle, wirklich alle, weinen um Sie: Piotr Beczała, Andreas

Opus-Pokus

Heute mit viel Weltpolitik in der Klassik, mit Strukturfragen zu den Bayreuther Festspielen, GEMA-Gedanken, dem OPUS KLASSIK und lustigen Briefen 

Liebe Anu Tali,

Sie sind sicherlich eine großartige Dirigentin. Ihr Lehrer war Jorma Panula, der finnische Dirigenten-Yoda. Sie haben ein eigenes Orchester gegründet und waren Musikdirektorin in den USA. Warum, zum Teufel, haben Sie zugesagt,

Don't Miss