
Willkommen in der neuen Klassik-Woche
heute amit mehr und weniger Kohle für die Klassik, mit einer neuen Kultur-Medienlandschaft und politischem Engagement!
»Keine Bühne für Gergiev«

Politik ist nicht so schlecht wie ihr Ruf! Letzte Woche habe ich die deutschen EU-Abgeordneten angeschrieben und nachgefragt, was sie davon halten, dass EU-Gelder ein Konzert mitfinanzieren, das ausgerechnet Putin-Sympathisant Valery Gergiev in Italien geben soll. Die Antworten kamen innerhalb eines Tages und waren eindeutig. Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Sabine Verheyen (CDU) schrieb mir: »Ich fordere die zuständigen Veranstalter und Behörden, einschießlich der Kommission als Hüterin der Kohäsionsmittel, dass sie ihrer politischen und moralischen Verantwortung gerecht werden. Gergiev darf innerhalb der EU keine Bühne geboten werden.« Auch Erik Marquardt (GRÜNE) und Sabrina Repp (SPD) sprachen sich gegen einen Auftritt Gergievs auf. Verheyen und Marquardt wollen überdies Anfragen an die Kommission einreichen, um das Thema noch einmal aufzurollen. »Dass so ein Auftritt auch noch mit EU-Geldern finanziert werden soll, schlägt dem Fass den Boden aus. Die EU-Kommission sollte schnell reagieren und dem einen Riegel vorschieben«, schrieb Marquardt. Der Auftritt am 27. Juli beim Festival Un’Estate da RE wäre der erste West-Auftritt Gergievs seit 2022.
Die Oper als modernes Multimedium
Die Medienlandschaft für die Klassik ist bekanntlich ein Trauerspiel. Und so ist es kein Wunder, dass viele Kulturinstitutionen sich inzwischen unabhängig von öffentlich-rechtlichen Sendern und alten Medien machen. Sie gründen eigene Plattformen, um ihre Inhalte zu verkaufen oder bekannt zu machen: Was bringen Staatsoper.TV aus München oder das Gewandhaus Radio? Dieser Frage gehe ich in einem ausführlichen Essay nach. Sicher ist: Die alten Medien haben den Kulturjournalismus weitgehend aufgegeben – und Werbung in eigener Sache können die Ensembles selber besser, leidenschaftlicher und klüger machen (bester Beweis ist die Serie das Opern Au-Pair der Bayerischen Staatsoper). Wirklich absurd wird es, wenn die ARD die Aufnahmen ihrer Radio-Ensembles neuerdings kostenlos bei YouTube einstellt, während andere Orchester und Opernhäuser versuchen, ihre Musik auch finanziell auf dem freiem Markt zu verwerten. Es gibt viele Fragen an den medialen Wandel der Klassik-Welt.

Mehr Kohle für Bayreuth?
Und noch ein positives Beispiel, dass Journalismus durchaus etwas bewirken kann: Im BackstageClassical-Podcast hat Bayreuth-Intendantin Katharina Wagner nicht nur auf die Kritik von Jonas Kaufmann reagiert, dass Bayreuth auf Grund seines »Werkstattcharakters« unattraktiv sei (»Wir sind ja nicht mehr mit der Pferdekutsche unterwegs, und versuchen durchaus, unseren Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit zu geben, sich auch während der Festspiele anderweitig zu präsentieren«). Wagner erklärte auch, dass die Festspiele die Tarifsteigerungen nicht länger aus eigener Tasche bezahlen können. »Wir können aus künstlerischer Sicht nur bis zu dem Punkt sparen, wo es künstlerisch keine Beeinträchtigung gibt«, sagte Wagner. Die dpa nahm unser Gespräch auf, und schließlich äußerte sich auch Bayerns Kulturminister Markus Blume, der Wagners Anliegen für »absolut berechtigt« hält und sagt: »Wir sind selbstverständlich bereit, die Tarifsteigerungen mitzutragen.« Unabhängig davon sei er mit dem Kulturstaatsminister des Bundes, Wolfram Weimer, »in guten Gesprächen« zu den Festspielen.
Gewinnspiel: Bayreuth-Karten mit Geldermann und BackstageClassical
Die Privatsektkellerei Geldermann und BackstageClassical verlosen zwei Karten für die Aufführung Die Meistersinger von Nürnberg am Freitag, den 22.8.2025 sowie zwei Flaschen Festspielcuvée. Wenn Sie mitmachen wollen, senden Sie uns eine Nachricht auf unserem Instagram-Profil (werden Sie gern auch Follower), in der Sie uns kurz erklären, was Sie am Grünen Hügel begeistert. Einsendeschluss ist Donnerstag, der 17. Juli, der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Glück!

Rotstift in Leipzig und Stuttgart
Keine schlechten Nachrichten diese Woche? Leider doch. Der Rotstift kreist weiter. Besonders in Stuttgart und in Leipzig. Für den fast Zwei-Milliarden-Umbau an der Stuttgarter Oper soll Geld bei den Übergangsspielstätten eingespart werden. Wissenschaftsministerin Petra Olschowski kündigte eine »deutliche Richtungsänderung« und »spürbare Veränderungen« an. Sie lässt prüfen, ob andere Räume in der Stadt, etwa Probestätten, genutzt werden können. Auch bei Büros, Garderoben und Logistikflächen soll gespart werden. In Leipzig sollen nach neuem Haushaltsentwurf Schauspiel und Gewandhaus fast eine Millionen Euro allein 2026 einsparen, erklärt Oberbürgermeister Burkhard Jung.
Kein Befreiungsschlag für Essen
Der Zoff am Theater Essen ist nicht wirklich beigelegt. Der Aufsichtsrat hat beschlossen, dass sowohl Intendantin Merle Fahrholz als auch GMD Andrea Sanguineti bleiben werden. Nachdem das Ensemble öffentliche Vorwürfe besonders gegen Sanguineti geäußert hatte, erklärte die Vorsitzende des Aufsichtsrates Barbara Rörig nun, dass die Anschuldigungen nicht justiziabel seien. Die Verträge der beiden würden nicht über 2027 hinaus verlängert, aber eine Entlassung sei durch die Vorwürfe nicht gerechtfertigt. Mehr hier.

Personalien der Woche
Der Kulturmanager und Cellist Thomas Schmidt-Ott wird ab September 2025 Mitglied der Direktion und Künstlerischen Leitung der Komödie am Kurfürstendamm in Berlin. Das gab das Theater am Dienstag bekannt. Schmidt-Ott ist derzeit noch Direktor des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin (DSO). Außerdem hat er immer wieder Texte für BackstageClassical verfasst. +++ Die US-amerikanische Regisseurin Lydia Steier übernimmt ab November 2026 die Intendanz der Ruhrtriennale. Das teilte das nordrhein-westfälische Kulturministerium am Dienstag mit. Steier, Jahrgang 1978, wird damit die bislang jüngste Intendantin des internationalen Festivals der Künste. Sie folgt auf Ivo van Hove und verantwortet die Spielzeiten 2027 bis 2029.
Und wo bleibt das Positive, Herr Brüggemann?
Ja, wo zum Teufel bleibt es denn? Vielleicht ja hier! Die deutschen Theater verzeichnen einen deutlichen Aufschwung: In der Spielzeit 2023/24 besuchten erstmals seit der Pandemie wieder mehr als 20 Millionen Menschen die Bühnen des Landes. Aber es gibt nur wenig Bewegung im Repertoire: Auf Platz eins stehen Opern von Mozart, Die Zauberflöte, Die Hochzeit des Figaro und Don Giovanni. Auch beliebt: Werke von Giacomo Puccini, Giuseppe Verdi und Richard Wagner. Zu den meistgespielten Opern zählen Klassiker wie La Bohème, Carmen sowie Hänsel und Gretel.

Wenn Sie sich für die Sommerpause rüsten und BackstageClassical indirekt unterstützen wollen, dann schauen Sie doch Mal in unserem Shop vorbei. Wie wäre es mit einer »Labung biet ich dem lechzenden Gaumen«-Flasche zu den Wagner-Festspielen oder mit einem BackstageClassical-Cap? Ach ja: In die Mailänder Scala kommt man nicht mehr mit Schlappen – aber ansonsten kommt man mit BackstageClassical Flip-Flops auf jeden Fall locker durch den Sommer (natürlich können Sie auch einfach so spenden:-))!
In diesem Sinne: Halten Sie die Ohren steif
Ihr
Axel Brüggemann