Das Land Bayern ist bereit, die massiven Tarifsteigerungen mitzutragen – der Bund ist da zurückhaltender. Vor allen Dingen brauchen die Festspiele aber eine neue Gesellschafterstruktur.
English summary: The Bayreuth Festival faces possible insolvency by 2028 due to rising labor costs of €1.2 million annually. Bavaria is willing to help, but federal support remains uncertain. The current shareholder structure—requiring equal funding from federal, state, city, and private partners—blocks flexibility. A reform making Bavaria sole owner is under discussion. Without swift change, the festival may become unplayable.
Derzeit geistert ein erstaunlicher Satz durch das Bayreuther Festspielhaus: »Es könnte sein, dass die Bayreuther Festspiele 2028 spielunfähig sind.« Und es ist etwas dran an dieser Angst. Die Festspiele haben durch die anstehenden Tarifsteigerungen jährlich rund 1,2 Millionen Euro Mehrausgaben – und es ist unsicher, ob diese Summe von den Gesellschaftern gedeckt werden kann.
Das Problem ist nicht neu. Bereits im BackstageClassical-Podcast vor der letzten Festspieleröffnung erklärte Festspielleiterin Katharina Wagner, dass sie nicht wisse, wie sie die Tarifsteigerungen gegenfinanzieren soll. Als Reaktion erklärte sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder damals gegenüber der dpa bereit, einzuspringen. Inzwischen hat auch Bayerns Kulturminister Markus Blume Solidarität bekundet. Einziger Haken: Laut Gesellschaftsvertrag kann das Land seine Zuschüsse nur dann erhöhen, wenn auch der Bund seine Zuschüsse in gleicher Höhe steigert. Blume erklärt mit Blick auf Berlin: »Wer die Zuschüsse in den nächsten Jahren weiter eingefroren hält, würde die Bayreuther Festspiele schleichend austrocknen.« Die Situation ist brenzlig, werden die Mehrausgaben nicht kompensiert, kann Bayreuth seinen laufenden Betrieb ab 2028 nicht mehr bezahlen.
Wolfram Weimer bleibt vage
Noch ist ungewiss, ob der Bund seine Gelder erhöhen wird. Auf Anfrage von BackstageClassical hält Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sich bedeckt: »Der Bund hat seit dem Jahr 2024 bereits erhebliche zusätzliche Haushaltsmittel für die Finanzierung der Bayreuther Festspiele aufgebracht, um die Lücke, die durch den Rückgang der Förderung seitens der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e.V. entstanden ist, zu schließen«, heißt es in der Antwort des Ministers. Diese Lücke werde der Bund auch langfristig absichern, aber was einen Tarifausgleich betrifft, bleibt Weimer vage. Ihm sei bewusst, dass die allgemeine Preisentwicklung sowie die Tarifsteigerungen eine Herausforderung für die Festspiele bedeuten, und er wolle sich »in den Beratungen zum Haushalt 2027 selbstverständlich für Leuchtturmeinrichtungen wie die Bayreuther Festspiele« einsetzen. Eine verbindliche Zusage, mit der die Festspiele solide planen können, hört sich anders an.
Derzeit zahlen der Bund und das Land Bayern je rund 2,4 Millionen Euro an die Festspiele. Dabei legt das Land sich stets auf zwei Jahre hinaus fest, der Bund muss die Gelder jährlich neu im Haushalt bewilligen. Auch das führt zu einer planerische Unwucht.
Katharina Wagner selber hat bereits erhebliche Sparmaßnahmen eingeleitet. Ende 2023 wurde unter anderem die Verkleinerung des Festspielchores vorgenommen. Und beim Jubiläum zum 150-jährigen Bestehen der Festspiele 2026 wurden die 10 Produktionen plus Rienzi auf nur noch sechs Produktionen plus Rienzi geschrumpft. Außerdem werden durch die Umsetzung des KI-Rings mit Christian Thielemann rund 600.000 Euro an Probeaufwand gespart. Insgesamt wurde der Jubiläumssommer um fünf Millionen Euro abgespeckt. »Das war nötig, um überhaupt spielfähig zu bleiben«, erklärt Katharina Wagner auf BackstageClassical-Anfrage.
Problematische Gesellschafterstruktur
Der Interims-Geschäftsführer der Festspiele, Heinz-Dieter Sense, steht vor allen Dingen vor einem strukturellen Problem. Die derzeitige Gesellschafterstruktur koppelt nicht nur die Förderungen von Bund und Land aneinander, es bedarf ebenfalls der Steigerung der Förderung der dritten Partei – von Stadt und der Gesellschaft der Freunde. Und hier sieht die Situation noch viel brenzliger aus.
Die Stadt Bayreuth ist – wie viele andere Kommunen in Deutschland – mit einem gigantischen Spardruck konfrontiert. Besonders bei den so genannten »freiwilligen Leistungen« wie der Unterstützung der Bayreuther Festspiele werden die Spielräume eng.
Noch angespannter ist die Situation bei der Gesellschaft der Freunde. Sie musste 2023 ihren Gesellschaftsanteil bereits von 29 Prozent auf 13 Prozent absenken, weil sie nicht genügend Geld eingenommen hatte. Was allerdings verwunderte, war, dass am Ende des Jahres plötzlich doch wieder Geld vorhanden war: Eine Millionen Euro, mit der die Gesellschaft der Freunde unter ihrem Vorsitzenden Georg von Waldenfels plötzlich die Förderung von Projekten außerhalb der Gesellschafterstruktur an inhaltliche Bedingungen knüpfen wollte.
Wie geht es weiter mit der Gesellschaft der Freunde?
Die Festspiele stehen vor einer verfahrenen Situation: Selbst wenn das Land Bayern und der Bund ihre Anteile erhöhen, könnte die klamme Finanzlage in Bayreuth und bei der Gesellschaft der Freunde dieser Erhöhung einen Strich durch die Rechnung machen. Wenn Stadt und Freunde bei den Erhöhungen nicht mitziehen, würden eventuell auch die 1,4 Millionen von Land und Bund nicht fließen können. In diesem Fall wären die Festspiele 2028 tatsächlich spielunfähig.
Es muss in dieser Krisensituation neben der Aufbringung der Gelder also auch darum gehen, die Gesellschafterstruktur möglichst so zu ändern, dass die Gesellschafter, die zahlen können (und wollen) auch zahlen dürfen. Die wohl praktischste (und in Bayreuth von vielen favorisierte) Möglichkeit wäre es, wenn das Land alleiniger Gesellschafter der Festspiele würde und diese als Staatsbetrieb weiter geführt würden. Bund und Stadt könnten sich dann – je nach Möglichkeiten – innerhalb von jährlichen Projektbeteiligungen engagieren. Aus der Bayerischen Regierung ist hinter den Kulissen offenbar bereits Zustimmung zu diesen Überlegungen zu vernehmen.
Doch auch für eine Neuordnung der Gesellschafterstruktur bräuchte man das Votum aller Beteiligten. Und das wird besonders bei der Gesellschaft der Freunde schwierig werden. Denn sie fürchtet um ihren Einfluss bei den Festspielen. Unter dem derzeitigen Vorsitzenden, Georg von Waldenfels ist kaum davon auszugehen, dass die Gesellschaft der Freunde als Gesellschafterin zurücktritt. Dabei könnte das durchaus Vorteile auch für die Förderer haben. Derzeit müssen die Freunde Gelder aufbringen, um innerhalb der Gesellschaft die Grundstrukturen der Festspiele mitzufinanzieren, ohne dabei inhaltlichen Einfluss zu haben.
Zahlungsunfähig 2028?
Die Position eines »normalen« Fördervereins wäre eine andere: Hier könnte die Gesellschaft selber spannende Förderprojekte definieren, etwa die Übernahme eines Bühnenbilds, die Gagen eines besonderen Künstlers oder einer Künstlerin oder die Wiederaufnahme einer ganzen Produktion. Diese Zweckbindung (und die damit verbundenen Privilegien) würde vielleicht mehr Menschen als bisher zur Förderung einladen. Denn es ist für jeden privaten Geldgeber interessanter, die Gage eines prominenten Künstlers zu übernehmen als die Stromkosten.
Nach derzeitigem Stand und im Hinblick auf die rasant steigenden Kosten ist sowohl bei der Bereitstellung des Tarifausgleiches als auch bei der Neuordnung der Gesellschafterstruktur Tempo angesagt. Vor allen Dingen aber guter Wille aller Beteiligten, besonders der Gesellschaft der Freunde. Sie wählt bald einen neuen Vorstand – vielleicht eine ideale Gelegenheit, Bayreuth strukturell wie finanziell in eine sichere Zukunft zu führen.