Hat der König von Salzburg sein Sommerprogramm bewusst durchsickern lassen? Oder ist alles doch ganz anders als wir hören? Wir schreiben Markus Hinterhäuser auf jeden Fall schon Mal den Text für seine Programm-Präsentation. Mit Augenzwinkern.
English summary: Before the official Salzburg Festival program announcement, Markus Hinterhäuser’s summer plans are causing a stir. After firing his drama head amid disputes, leaks reveal a mix of old collaborators, short operas, and quirky picks. Grand operas are out, making way for niche works, bold choices, and loyal allies. A kind of satire.
Kurz vor der geplanten Programmpräsentation der Salzburger Festspiele hat Markus Hinterhäuser noch schnell seine Schauspielchefin rausgeworfen – vorausgegangen waren lange und wohl auch laute interne Streitereien. Derweil dringen aus dem steinernen Festspielberg die ersten Gerüchte über das Sommer-Programm 2025. Ist das gezielte Desinformation, oder ein bewusstes Leak? Wie auch immer: In alter Verbundenheit zum Intendanten schreibt BackstageClassical Markus Hinterhäuser schon Mal den möglichen Text für seine Programmpräsentation. Aber wer weiß: Vielleicht kommt auch alles ganz anders.
Liebe Freunde,
Euch mag diese diese gekritzelte Kinderkrone auf unserem Jahresprogramm ein bisschen erstaunen, aber es ist ein Motto für unsere Zeit. Letztes Jahr war die Welt bei uns noch »aus den Fugen«, heuer wissen wir: Rettung bringen nur die Autokraten! Und deshalb an dieser Stelle erst einmal ein ganz lieber Gruß an meine Landesregierung.
Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, »Le roi c‘est moi!«, oder wie mein Freund Opi von News einst titelte: »Der König von Salzburg« – damit meinte er MICH! Gut, oder? Wer daran zweifelt, den schmeiße ich raus! Also: »Poka-Poka und Пока-пока, liebe Marina Davydova!«
Machen wir uns nichts vor, die Zeiten der intellektuellen Super-Demokraten sind vorbei! Heute regieren echte Kerle, so wie Donald Trump, Viktor Orban oder ich! Von Königen lernen, heißt, sich von qualifizierten Verrätern zu trennen und sich mit linientreuen Jasagern zu umgeben. Wer braucht schon Wissen oder Leidenschaft, wenn Loyalität vorhanden ist? Meine Mitarbeiter sind Kampfesbrüder – niemals würde einer von ihnen einer Gazette wie BackstageClassical meine Programmpläne durchstechen, jeder weiß: Das wäre sein sicheres Ende!
Nun also zu meinem tollen Programm für den kommenden Festspielsommer. Schluss mit feministischen Weiber-Experimenten! Und Schluss mit political correctness. Ah, da fällt mir ein: Kennen Sie den schon? »Als er aufwacht, sagt er Otze – Otze! … statt Uschi«, verstehen Sie? … Na, auch egal.
Also ich hole dieses Jahr meine alten weißen Männer-Buddies zurück an die Salzach: Peter Sellars, mein alter Onkel aus Amerika, kassiert noch Mal so richtig ab, wenn er irgendwas mit Mahlers Lied von der Erde und Schönbergs Erwartung zusammenschustert – unter dem Titel One Morning Turnes Into Eternity. Klingt klug, das ist das Wichtigste! Esa-Pekka Salonen wird diesen Kram dirigieren.
Und weil meine Salzburger Festspiele ohne Sellars und meinen anderen Kumpel, Krzysztow Warlikowski, so langweilig wären wie ein Besuch im Café Bazar ohne Pöbelei, habe ich einfach Warlis Macbeth noch Mal aufgenommen (damit das nicht ganz so einfallslos und hilflos aussieht verbunden mit dem konzertanten Macbeth von Salvatore Sciarrino).
Überhaupt: Lasst uns die Leute doch nicht mit zu langen Opernwerken quälen! Die Aufmerksamkeitsspanne von Donald Trump, Marlene Svazek oder mir ist eben nicht für Wagner, Strauss oder einen XXL-Mozart geschaffen! Der postmonderne Eklektizismus damals war doch auch nicht schlecht, und deshalb gibt es in Salzburg nun auch nen Vivaldi-Smash-Up, den wir Hotel Metamorphosis nennen – von meinem good old Aussie-Buddy Barrie Kosky. Applausgarantie! Und, hey: Mozart zertrümmern wir gleich mit, wenn Raphaël Pichon Zaide oder der Weg des Lichtes dirigieren wird.
Da fällt mir noch ein Witz ein: Kennt Ihr den schon? »Was ist Dubai-Schokolade? – Eine zertretene Mozartkugel!« Gut, oder?
Wie? Große Oper? Nö, gibt es dieses Mal nicht! Wir haben keinen Bock mehr auf diese ewigen Schwanzvergleiche mit anderen Opernhäusern. Ich brauche diesen Druck nicht, die beste Aida, den besten Figaro oder die beste Salomé auf die Beine zu stellen. Statt mich mit Salzburg, Mailand, Wien oder Paris zu vergleichen verstecke ich uns lieber in der Nische und mache mich so unvergleichbar – und dadurch unangreifbar! Ist das nicht genial?! Bin ich selber drauf gekommen! Deshalb eröffnen wir diesen Sommer auch mit Händels Giulio Cesare und holen dafür – nein, falsch geraten: Nicht Kirill Serebrennikow, sondern den anderen Russen – Ätschmann Bätschmann : Dimitri Tschernjakow!
Okay, einen richtig großen Opernschinken für unser Klunker-Publikum, der musste dann doch irgendwie sein: Andrea Chenier mit dem Dirigenten, von dem ich wusste, dass er niemals »Nein« sagen würde: Marco Armiliato. Aber damit nicht zu viel Freude aufkommt, gibt es das nur konzertant! Ebenso wie Mitridate mit Adam Fischer.
Na, und dann brauche ich auch noch was Angesagtes für das Hippie-Feuilleton. Da habe ich Mal geguckt, was bei den anderen so angesagt ist und bei uns auch schon lief und bin auf Ulrich Rasche gestoßen –Sie wissen schon: Räuber in München und so! Habe ihn (liegt nahe!) für Maria Stuarda eingeladen, zusammen mit diesem anderen Typen: Antoniello Manacorda. Und auch das ist für das Feuilleton: Wir entdecken auch dieses Jahr wieder vollkommen neu, was die anderen schon seit einigen Jahren entdeckt haben. Maxime Pascal wird die Drei Schwestern dirigieren – Regie: Yevgeni Titov, Bämmmm! Ich sehe jetzt schon die Hymnen von Opi und Wolfgang Schreiber!
Und klar, meinem Hofschreiber Helmut Mauró, dem habe ich auch einen kleinen Gefallen ins Programm geschmuggelt. Damit der gute Teo nicht weiter mit seiner Russen-Combo MusicAeterna und VTB-Unterstützung durch China tingeln muss, hole ich den Gott persönlich, mein Idol, diesen Supermann Teodor Currentzis auch dieses Jahr wieder her – konzertant natürlich, damit der Skandal nicht so groß wird. Und klaro, ganz im Sinne des Weltfriedens mit Castor et Pollux. Ein guter König ist eben ein nibelungentreuer König.
Teo! Tito! Dimitri! Das passt! Aber wehe, Ihr begehrt auf, Jungs, dann tanzt Ihr schneller die Marina als Ihr Hinterhäuser buchstabieren könnt!
So, meine verehrten Bewunderer, der König erwartet jetzt Applaus, Huldigung und Freude. Ach, und das noch: »Ne mentionnez pas Aix en Provence«