Tan Dun erhält den Beethoven Friendship Award in Bonn. Der Komponist liest in Beethovens Musik die Botschaft von Freiheit und Weltfrieden. Ein Podcast von BackstageClassical.
English summary: Tan Dun receives Bonn’s Beethoven Friendship Award. Hearing Beethoven’s 6th Symphony in Hunan’s rice fields in 1973 changed his life, inspiring him to unite Eastern ritual and Western art. He sees Beethoven as a symbol of freedom, peace, and the universal spirit of music.
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Der chinesische Komponist und Dirigent Tan Dun wird mit dem Beethoven Friendship Award des Beethoven-Hauses Bonn geehrt. Die Auszeichnung erinnert an das legendäre Freundschaftsglas, das Ludwig van Beethoven 1816 seinem Jugendfreund Franz Gerhard Wegeler schenkte, und ist mit zwölf seltenen Weinen verbunden. Der 68-Jährige, bekannt für seine Musik zwischen fernöstlicher Ritualtradition und westlicher Avantgarde, sprach aus Anlass der Preisverleihung über die prägende Bedeutung Beethovens für seine künstlerische Laufbahn.
Beethoven in den Reisfeldern von Hunan
Seinen ersten Kontakt mit Beethovens Musik erlebte Tan Dun 1973 in den Reisfeldern seiner Heimatprovinz Hunan – ein Moment, den er bis heute als Schlüsselerlebnis bezeichnet. »Ich arbeitete im Schlamm, um zu lernen, wie man Reis pflanzt, als plötzlich über einen Lautsprecher Beethovens 6. Sinfonie erklang«, erinnert sich der Komponist im Podcast von BackstageClassical. Das Stück wurde damals vom Philadelphia Orchestra gespielt, das den Besuch des US-Präsidenten Richard Nixon in China begleitete.

»Das war ein vollständiger Schock«, sagt Tan Dun. Während der Kulturrevolution sei Beethovens Name zwar bekannt gewesen, doch seine Musik habe nicht öffentlich erklingen dürfen. »Gerade das Verbot machte sie faszinierend. Sie war zu stark, zu emotional, zu gefährlich – weil sie zu viel Freiheit ausdrückte, zu viel Geist.«
Vom Musikschamanen zum Weltbürger
Vor diesem Erlebnis habe er als junger Musiker vor allem traditionelle Musikrituale bei Beerdigungen und Hochzeiten begleitet. Nach dem Hören Beethovens habe er beschlossen, »ein Musikschamane jener Art zu werden, der zur Welt spricht«. Beethoven sei für ihn ein Symbol dafür, dass Musik Vergangenheit und Zukunft verbinden könne: »Er macht uns zu Weltbürgern des Geistes.«
Mit der Öffnung Chinas für westliche Musik nach 1973 begann für Tan Dun und viele seiner Generation eine neue Epoche. »Es war, als würde sich eine spirituelle Tür öffnen«, sagt der heute in New York lebende Komponist. »Viele junge Menschen begannen, sich der klassischen Musik zuzuwenden und sich für Freiheit und Geist zu begeistern. Heute ist China eine der größten Bühnen für klassische Musik weltweit.«

Musik als Sprache der Einheit
Tan Dun sieht in Beethovens Werk nicht nur musikalische Größe, sondern eine universelle Botschaft von Frieden und Einheit. »Seine Musik vereint Natur, Philosophie, Kultur und persönlichen Geist«, betont er. »Der Zweck von Musik ist Seelenkommunikation – sie ist eine Sprache des Friedens.«
Mit Blick auf die aktuellen globalen Spannungen ruft er dazu auf, Beethovens Botschaft ernst zu nehmen: »Wir leben in einer grenzenlosen Ära. Die ganze Welt ist eins. Alle Menschen werden Brüder – und Raum und Zeit werden relativ.«
Inspiration aus Zahl und Symbol
Den Beethoven Friendship Award empfindet Tan Dun auch als Anstoß für die eigene Arbeit. Die Zahl Neun, so der Komponist, verbinde ihn nicht nur mit Beethovens Neunter Sinfonie, sondern habe auch in der chinesischen Kultur hohe symbolische Bedeutung. »Im Chinesischen bedeutet jiu sowohl ’neun‘ als auch ‚Wein‘ und ‚Ewigkeit’«, sagt er. Dieses Motiv habe ihn zu seinem dreisätzigen Coral Concerto inspiriert.
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