In ihren Plänen vermeidet Berlins Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson den großen, strukturellen Wurf. Dabei wäre genau das eine Möglichkeit, um Berlins Kultur langfristig zu sichern.
English summary: Berlin’s culture senator avoids structural reforms while imposing broad funding cuts. Nearly all arts sectors face reductions, risking fewer productions and jobs. Critics argue Berlin needs bold restructuring, such as merging major opera houses, to secure long-term cultural stability.
Das Sparen in Berlin geht weiter, wenn auch im Piano. Im Berliner Doppelhaushalt 2026/2027 sind Kürzungen von insgesamt rund 130 Millionen Euro im Kulturhaushalt vorgesehen. Die Mittel für Kultur sollen im kommenden Jahr um 74 Millionen Euro und 2027 um weitere 56 Millionen sinken. Bereits 2025 war der Etat um 133 Millionen Euro geschrumpft. Damit spart der Senat im Kulturbereich überdurchschnittlich stark.
Berlins neue Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson hält dabei am Gießkannen-Prinzip ihres Vorgängers Joe Chialo fest. Die Kürzungen treffen nahezu alle Sparten. So sollen beim Fonds Digitaler Wandel 6,8 Millionen Euro entfallen, bei der Schaubühne 540.000 Euro, bei der Volksbühne 730.000 Euro und beim Berliner Ensemble rund 600.000 Euro. Auch die großen Opernhäuser und das Staatsballett müssen gemeinsam 6,6 Millionen Euro weniger auskommen. Kleinere Einsparungen betreffen Programme wie das Arbeitsraumprogramm (minus 135 000 Euro) oder den Kunstpreis des Landes Berlin (minus 22 500 Euro).
Der Sparplan hat keine Vision
Trotz der Einsparungen bekräftigte Wedl-Wilson ihr Versprechen, dass keine Häuser geschlossen werden. Personal- und Tariferhöhungen sollen weiter ausgeglichen werden, heißt es aus der Kulturverwaltung. »Wir müssen wirtschaftlich handeln, aber die kulturelle Vielfalt sichern«, sagt die Senatorin. Die gestiegenen Energie- und Sachkosten sollen die Einrichtungen allerdings weitgehend selbst tragen. Wedl-Wilson setzt auf sogenannte »Shared Services«, also gemeinsame Strukturen und Werkstätten, um langfristig Kosten zu senken. Ob das gelingt, soll zunächst eine Unternehmensberatung prüfen.
Wedl-Wilsons Sparplan bleibt dennoch Stückwerk, mit dem zwar schnelle Einsparungen möglich werden, ein perspektivischer Strukturwandel aber kaum angestrebt wird. Um den Haushalt auch langfristig zu entlasten, bräuchte es einen Fahrplan mit strukturellen Visionen, wie einst mit der Opernstiftung. Wie wäre es zum Beispiel, die Intendanzen von Staatsoper und Deutscher Oper zusammenzulegen? Die zwei Häuser bieten sich für unterschiedliches Repertoire an – zwei Chefdirigenten und Intendanzen sind unnötig. Selbst über die Rolle der Orchester ließe sich nachdenken, wenn die Häuser aus einer Mischung von Repertoire und Stagione-Prinzip betrieben würden. Eine Fusion, die mittelfristig für große Spareffekte und vielleicht auch eine klarere künstlerische Zuspitzung sorgen würde.
Fusion von Staatsoper und Deutscher Oper?
Laut Haushaltsentwurf will Berlin auch 2026 weiterhin rund 174 Millionen Euro für seine Opernhäuser bereitstellen – umgerechnet rund 44 Euro pro Einwohner. Für Theater sind 191 Millionen Euro vorgesehen (49 Euro pro Einwohner), für Museen 147 Millionen (37 Euro pro Einwohner). Damit bleibt Berlin im internationalen Vergleich ein Spitzenreiter bei der Kulturförderung, auch wenn die Spielräume enger werden.
In der Praxis bedeuten die Einsparungen weniger Premieren, kleinere Besetzungen und schlichtweg weniger Jobs – vor allem für Freiberuflerinnen und Freiberufler, die in den großen Häusern häufig projektweise beschäftigt werden. Die Schauspielergewerkschaft BFFS rechnet bereits mit einer »dramatisch verschärften Beschäftigungssituation« im Kulturbereich. Gerade auch deshalb ist es eine Frage, warum Berlin nicht an die kostspieligen Strukturen geht, sondern Privilegien, die kaum noch zu erklären sind auf Kosten einer flexibleren Kulturlandschaft aufrecht erhält.
Gefühl von Solidarität
Doch genau das vermeidet Wedl-Wilson. Sie gibt Berlins Kulturschaffenden das Gefühl der Solidarität. Das ist gut und richtig. Aber ein gemeinsames Nachdenken über langfristigere Änderungen würde das nicht ausschließen. Wedl-Wilsons offensichtliche Strategie ist es, die Institutionen »mitzunehmen«. Auch deshalb scheinen die massiven Kürzungen derzeit auch kaum nicht ein Aufregerthema zu sein. Während im vergangenen Jahr noch Tausende Künstler gegen die Sparpolitik demonstrierten, blieb eine größere Protestwelle diesmal aus.
Die neue Senatorin operiert klüger als ihr Vorgänger Joe Chialo, sie suggeriert ein »Miteinander«, könnte dabei aber auch den Moment verpassen, in der Krise neue Strukturen für die Zukunft zu etablieren. Ihr Sparhaushalt wirkt als würde sie viele Pflaster auf einem Körper mit gebrochenen Knochen kleben. Fraglich, wie lange das noch gut geht.
Der Kulturetat für Berlin wird voraussichtlich im Dezember im Haushaltsgesetz verabschiedet.

