Lieber Klaus-Michael Kühne,

Oktober 30, 2025
1 min read
Der Mäzen Klaus-Michael Kühne (Foto Kühne Foundation)

Sie haben vor einiger Zeit einen hübschen neuen Firmensitz in meiner Heimatstadt Bremen gebaut. Blick auf die Weser. Innenstadtlage. Nur eines fehlt: Ein Mahnmahl vor Ihrem Prunkbau. Ihre Spedition ist  reich geworden, weil sie enteignete Möbel von Juden transportierte, aus 65.000 Wohnungen! Die erste Fuhre von Amsterdam hatte 22 Armsessel an Bord, in denen Großväter Ihren Enkeln vorlasen, 105 Betten, in denen Menschen Liebe machten, 363 Tische, an denen Familien aßen. Auch ein Grammphon war dabei – und zwei Kinderwagen. Besitz von niederländischen Juden. Sie wurden von den Nazis ins KZ geschickt. Kühne & Nagel brachte ihre Möbel nach Bremen. 

Sie wollen daran ungern erinnert werden. Sie finanzieren lieber andere Erinnerungen. Ihre Millionen investieren Sie nicht in Vergangenheitsbeweältigung. Sie versenken lieber Endlos-Knete in den HSV und wollen Hamburg für 300 Millionen Euro ein neues Opernhaus geben. 

Ich finde es falsch, dass ausgerechnet Sie den Leuten jetzt Opernsessel hinschieben wollen, dessen Firma den Juden den letzten Stuhl unter dem Hintern weggezogen hat. Für mich sind Sie ein dämonisches Phantom der Oper!

Kühne & Nagel hat seinen offiziellen Firmensitz heute in der Schweiz. Die taz hat errechnet, dass Sie in Deutschland jährlich rund 1,7 Milliarden Steuern zahlen müssten. Das wäre nicht nur  ein Opernhaus für Hamburg, sondern auch eines für Bergen-Belsen, für Buchenwald, für Dachau und für Sachsenhausen und – warum denn nicht? – für Amsterdam! Nein, Herr Kühne, Ihr Opern-Geschenk ist kein Geschenk, sondern ein Ablenkungsmanöver.

Mich freut nur eines: Der HSV steht vier Plätze hinter Werder Bremen! 

Zum Video – hier entlang.

Axel Brüggemann

Axel Brüggemann arbeitet als Autor, Regisseur und Moderator. Er war als Kulturredakteur und Textchef bei der Welt am Sonntag tätig und schrieb danach für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Heute veröffentlicht er u.a. im Tagesspiegel, im Freitag, der Jüdischen Allgemeinen oder in der Luzerner Zeitung. Er arbeitet für Radiosender wie den Deutschlandfunk, den WDR oder den HR. Seine Fernsehsendungen und Dokumentationen (für ARD, ZDF, arte oder SKY) wurden für den Grimmepreis nominiert und mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. Brüggemann schrieb zahlreiche Bücher u.a. für Bärenreiter, Rowohlt, Beltz & Gelberg oder FAZ Buch.

Fördern

Artikel auf BackstageClassical sind kostenlos. Wir freuen uns, wenn Sie unabhängigen Klassik-Journalismus fördern.

Mehr aktuelle Artikel

Niemand Schuld in Essen

In einer Pressemitteilung erklären nun auch die Essener Philharmoniker, dass Sie keine Schuld an der Absage des Violinkonzertes von Clara Iannotta haben.

Lieber Kirill Petrenko,

normalerweise höre ich beim Joggen Podcasts: Apolkalypse & Filterkaffee, Pod Save America oder Ronzheimer. Um zu wissen, was läuft ist in der Welt. Aber als ich mir neulich die Schuhe gebunden habe,

Der konservative Claudia Roth 

Während Friedrich Merz Kompromisse schließen muss, versteht Wolfram Weimer Kultur als Wohlfühlecke für konservative Hardliner. So verpasst er die Chance, die Kulturpolitik zu entpolitisieren.  

Verpassen Sie nicht ...