Während die deutsche Hauptstadt überall ein bisschen spart, scheint Österreich Prioritäten zu setzen: Gewinner ist Kultur, die sich nahe an den Menschen bewegt.
English summary: Vienna trims culture spending more strategically than Berlin. While both face cuts, Vienna shields community-focused arts and the independent scene, reducing funding mainly for commercial or less essential projects. Berlin applies broader cuts, but Vienna signals clear priorities for culture that directly serves its people.
Die Sarah Wedl-Wilson von Wien heißt Veronica Kaup-Hasler. Während Berlins Kultursenatorin 74 Millionen für 2026 einsparen muss, sind es bei ihrer Kollegin in Österreich immerhin noch 26 Millionen – in Prozenten bedeutet das: Berlin muss rund 10 Prozent einsparen, Wien immerhin noch 7,6 Prozent seines Kulturbudgets.
Was beiden Kulturpolitikerinnen dabei gelingt, ist, dass sie die Kürzungen weitgehend lautlos abwickeln. Hinter den Kulissen wurden viele Gespräche mit den Institutionen und ihren Leiterinnen und Leitern geführt, außerdem wurden klug jene Gelder gestrichen, von deren Kürzung erst einmal niemand betroffen ist. In Wien fällt das Kürzen auch deshalb noch etwas leichter, da man hier einfach keine neuen Projektkosten für das kommende Jahr ansetzt. 2025 wurden immerhin 9,5 Millionen für das Strauß-Jubiläum und 9,5 Millionen für ein neues Zentrum für Kinderkultur ausgegeben.
Kultur, die Menschen erreicht
Und noch einen Unterschied gibt es: Während in Berlin unter Wedl-Wilson noch weitgehend mit dem Rasenmäher gespart wird, also alle Institutionen bluten müssen, scheint Wien seine Kürzungen politisch zu sortieren. Die Wiener SPÖ-Regierung hält besonders an jener Kultur fest, die direkt in die Stadtgesellschaft wirkt – zum Teil auf Kosten der etablierten Hochglanz-Kultur. Während 250.000 Euro für das Schönbrunn-Open-Air der Wiener Philharmoniker gestrichen werden, bleibt die Förderung des Prater Picknicks der Wiener Symphoniker bestehen – hier hören besonders Familien am letzten Schultag traditionell eine Melange aus Klassik und Pop auf der Kaiserwiese vor dem Riesenrad. Auch die Ausgaben für die Freie Szene und andere verwurzelte Institutionen wie Festwochen, Volkstheater oder Kindertheater Dschungel bleiben bestehen, ebenso wie das Gratisangebot des Kultursommers. Kaup-Hasler setzt klare Zeichen: Wer sich nicht wandelt, gerät unter die Räder.
Und noch einem Kriterium scheint Wiens Kulturpolitik zu folgen: Staatliche Kulturunterstützung fließt dorthin, wo ein freier Markt sich nicht etablieren kann; wo Förderung also dringend nötig ist. Auch deshalb sind die Vereinigten Bühnen Wien mit ihren Musicalbühnen, dem Raimundtheater und dem Ronacher von den Kürzungen besonders betroffen. Sie werden in Zukunft noch zusätzlich Konkurrenz bekommen, wenn 2027 das »Theater im Prater« der ATG Entertainment eröffnet. Hier wird offen die Frage gestellt, wie viel Staatsgeld kommerziell erfolgreiche Formate erwarten können. Etwas geringer fallen dagegen die Kürzungen am ebenfalls zu den Vereinigten Bühnen gehörenden Theater an der Wien aus, hier muss Hausherr Stefan Herheim wohl auf eine Premiere und eventuell auch auf Kammeropern verzichten.
Noch nicht am Ende
Wenn Kaup-Hasler von einem »blauen Auge« spricht, bedeutet das auch, dass dieses Auge in den kommenden Jahren noch anschwellen und etwas dunkler werden kann. Schon jetzt müssen Konzerthaus und Musikverein kürzen, und viele andere Institutionen bangen um den Ausgleich ihrer strukturbedingten wachsenden Ausgaben, etwa durch Lohnsteigerungen. Und die Flexibilität durch den Wegfall der Sonderausgaben wird es im Haushalt 2027 nicht geben.
Derweil heißt es aus dem Berliner Büro von Sarah Wedl-Wilson, dass man bereits in »intensiven Gesprächen«, auch über strukturelle Einsparungen für die kommenden Kürzungs-Runden sei. Wien scheint bereits einen klareren Plan dafür zu haben, welche Kultur man in Zukunft eher leisten – und welche man sich selber überlassen will.

