am letzten Tag dieses Jahres wollen Sie Ihre Klarinette zur Seite legen. Keine öffentlichen Auftritte mehr. Schluss. Ende. Ausgeblasen.
Alle Interviews, die Sie geben, hören sich an, als würde Ihr Instrument darüber mehr Tränen verdrücken als Sie.
Was Ihre Musik ausgemacht hat: Sie stand immer mitten im Leben. So wie Sie. Manchmal sieht man Sie durch Ihre Heimatstadt Lübeck schlendern. Wir haben uns da zum letzten Mal für einen Podcast mit Kindern getroffen. Denn das liegt Ihnen auch am Herzen: Der Nachwuchs. Die musikalische Bildung.
Ich habe nochmal ein altes Video von Ihnen angeschaut: So ernst, so versunken in der Musik – nein: so ganz und gar Musik! Da waren Sie jung. Und Ihr Spiel war anders bei anderen! Weich. Verspielt. Leicht. Offen. Perfekt, weil menschlich.
Dass Sie jetzt aufhören, zeigt, dass Sie Perfektionistin sind. Sie werden sicher nicht mehr jeden Tag spielen, haben Sie einer Zeitung verraten, fast entrüstet über die Frage: »Natürlich nicht!« Schluss mit dem Hochleistungssport.
Der Mann, mit dem Sie eine Ihrer schönsten Aufnahmen gemacht haben (Webers Klarinettenkonzerte), ist 89 Jahre alt und dirigiert noch immer: Herbert Blomstedt. Sie stehen mit beiden Beinen im Leben. Die Musik hat Sie immer mehr gebraucht als Sie die Musik. Für eine Karriere ist das sehr gesund. Nun fangen Sie mit 66 Jahren nochmal neu an. Sie werden nun zuhören. Das Leben genießen. Vielleicht werden Sie weich, wenn Ihre Klarinette zu laut weint. Aber es gibt kein Müssen mehr. So klingt Freiheit.

P.S.: Ja, ja, ja – der Karajan und die Frauensache gehören auch zu Ihrer Karriere, aber Sie haben die Welt in diesen Dingen längst verändert.

