Hat die Kritik eine Zukunft

November 16, 2024
2 mins read
Immer weniger Kritiken in unseren Zeitungen? (Foto: BC)

Die Sächsische Zeitung antwortet einer Leserin, warum weniger Kritiken gedruckt werden: Weil sie kaum jemand liest. Ein Trend?

Heute ist in der Sächsischen Zeitung in Dresden ein Leserbrief erschienen: »Als lang­jäh­rige Lese­rin ver­misse ich in letz­ter Zeit immer öfter eine Rezen­sion z. B. eines bedeu­ten­den Kon­zer­tes wie der Dresd­ner Phil­har­mo­nie. Nach wel­chen Kri­te­rien wer­den sie ver­öf­fent­licht?««, fragte Inge­borg Rich­ter. 

Und die Zeitung antwortete ihr: »Sehr geehrte Frau Rich­ter, die Säch­si­sche Zei­tung ver­öf­fent­licht immer wie­der Rezen­sio­nen aus allen Musi­krich­tun­gen, dar­un­ter auch klas­si­scher Kon­zerte, zum Bei­spiel der Staats­ka­pelle, der Dresd­ner Phil­har­mo­nie und ande­rer Orche­ster aus der Region. Aller­dings ist Voll­stän­dig­keit nicht das Ziel. (…) Wir wissen heute ziem­lich viel über die Lese­ge­wohn­hei­ten unse­rer Nut­zer, weil die Säch­si­sche ‚Ein­schalt­quo­ten’ sowohl ein­zel­ner Arti­kel der Zei­tung als auch der digi­ta­len Pro­dukte mes­sen kann. Des­halb ist in der Redak­tion bekannt, dass Kon­zert­re­zen­sio­nen nur einen sehr klei­nen Leser­kreis errei­chen. Ver­mut­lich vor allem jene, die das Kon­zert selbst erlebt haben.«

Anzeige

Das ist erstaunlich ehrlich von der Zeitung. Und die Sächsische Zeitung ist ja nicht allein. Viele, besonders große regionale Zeitungen, haben ihre Feuilletons (oder Kulturseiten) inzwischen radikal eingespart. Wo früher drei oder vier feste Redakteure saßen, macht heute ein Redakteur die Feuilleton-Seite »noch eben mit«. Ganz zu schweigen von den prekären Honoraren für freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Selbst in überregionalen Blättern wird für einen Aufmacher-Text in der Kultur gerade Mal 150 Euro gezahlt. 

Immerhin: Die Sächsische Zeitung will seine Kulturberichterstattung nicht radikal streichen. »Des­halb hat die Feuil­le­ton­re­dak­tion eine ganze Reihe von For­men ent­wickelt und öfter ver­öf­fent­licht, die die­sen Leser­kreis beson­ders inter­es­sie­ren dürf­ten. (…) Dazu gehö­ren große Inter­views nicht nur mit Chri­stian Thie­le­mann, son­dern auch mit der Inten­dan­tin der Phil­har­mo­nie. Dazu gehö­ren Künst­ler­por­träts, zum Bei­spiel von Gast­di­ri­gen­ten. Dazu gehört schließ­lich die Vor­stel­lung inter­es­san­ter Pro­jekte wie die Jung­di­ri­gen­ten-För­de­rung, die sich der desi­gnierte Chef der Dresd­ner Phil­har­mo­nie, Sir Donald Run­nic­les, vor­ge­nom­men hat.«

Podcast zum Thema

BackstageClassical

BackstageClassical bringt Ihnen Debatten und Nachrichten aus der klassischen Musik. Die Seite ist kostenfrei. Bestellen Sie unseren Newsletter oder unterstützen Sie unseren unabhängigen Musikjournalismus durch Ihre Spende.

Fördern

Artikel auf BackstageClassical sind kostenlos. Wir freuen uns, wenn Sie unabhängigen Klassik-Journalismus fördern.

Mehr aktuelle Artikel

Liebe Konzertdirektion Adler,

ich weiß, der Klassik-Markt ist kein leichter! Aber, ey: Wie tief müsst ihr denn noch sinken, um Eure Igor-Levit-Karten an die Männer und Frauen zu bringen? Erst muss der arme Mann einen

Eislaufen mit Big P.

Eine Skulptur von Luciano Pavarotti mitten auf dem Eislaufring in Pesaro sorgt für Zoff. Dem Tenor hätte es gefallen, unter Leuten zu stehen.

Petition gegen Kultursparmaßnahmen in Stuttgart

Kürzungen bei Kultur, Bildung und sozialen Angeboten in Stuttgart stoßen auf massiven Protest zahlreicher Einrichtungen – nun wurde eine Petition gestartet. In einer Petition warnen Stuttgarter Kultur- und Sozialakteurinnen und -akteure vor

Wimmelbild vor Weihnachten

Nikolai Rimski-Korsakows Oper »Die Nacht vor Weihnachten« hatte Premiere an der Bayerischen Staatsoper in München: Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski dirigierte, Barrie Kosky inszenierte. Hat das Haus ein neues Weihnachtsstück entdeckt?

Kollaps der musikalischen Ausbildung in Deutschland

Die neue Studie »MiKADO-Musik« warnt vor einer ernsthaften Krise an Musikschulen in Deutschland und Österreich. Fachleute sprechen von einem drohenden »Kollaps« der musikalischen Bildung, wenn Politik und Träger nicht rasch und koordiniert

Liebes Musikhaus Doblinger,

Du bist es ja eigentlich schon lange nicht mehr, das gute alte Wiener Verlagshaus von 1817! Verlag verkauft! Notengeschäft verscherbelt. Und nun droht auch dem Musikhaus im Ersten Bezirk das Aus: Der

Lieber Florian Lutz,

vielleicht erlauben sie mir unter uns zwei Kneipenbrüdern (war schön damals mit Ihnen nach der Carmen), zu versuchen, Ihnen als Außenstehender mal Ihr Haus zu erklären.   Sie sind Intendant in Kassel.

Verpassen Sie nicht ...