Habemus Beethovenhalle!

Dezember 17, 2025
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Beethovenorchester Bonn und Dirk Kaftan (Foto: Engst)

Nach neun Jahren Bauzeit, etlichen Problemen und vielen Katastrophen hat die Beethovenhalle in Bonn wiedereröffnet

Natürlich durfte Beethoven nicht fehlen: Mit drei markanten Akkorden der Prometheus-Ouvertüre von Ludwig van Beethoven eröffnete das Orchester Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung seines GMD Dirk Kaftan den Abend – wie Donnerschläge hallten sie durch den Saal. Man spürte sofort, wie sehr das Orchester nach neun Jahren ohne echte Heimstätte auf diesen Moment hingefiebert hatte.

Mit überbordender Energie und scharf gezeichneten Kontrasten malte Kaftan das Bild des Feuerbringers ebenso feingliedrig wie im anschließenden vierten Klavierkonzert Beethovens. Dafür hatte man mit Fabian Müller einen Solisten aus der Stadt selbst gewonnen, dessen Spiel längst internationale Klasse hat. Müller, in Bonn aufgewachsen, fand mühelos den Schulterschluss mit dem Orchester, besonders im zweiten Satz. Hier musiziert man die Gegensätze zwischen markanten Tutti-Passagen und den lyrischen Antworten des Solisten mit bestechender Klarheit aus. Müller bestach durch sein virtuoses aber nie über Gebühr auftrumpfendes Spiel. Das hatte – ebenso wie das Orchester – Weltklasse-Niveau.

Entfallene Uraufführung

Eine geplante Uraufführung von Sara Glojnarić entfiel aufgrund von mangelnder Vorbereitugszeit, doch ihr Werk Everything, Always bot einen reizvollen Ersatz: ein augenzwinkernder Blick in den kreativen Prozess, der den Entstehungsakt selbst zum Inhalt machte – durchaus witzig, selbstreflexiv und nicht ohne Charme. 

Das große Finale des mehr als vierstündigen Abends bildete Gustav Mahlers Auferstehungssinfonie, programmatisch ideal gesetzt: Wie die Beethovenhalle aus dem Dornröschenschlaf erwachte, so strebt Mahlers Musik der Erlösung entgegen. Dramaturgisch war das klug gedacht, musikalisch war es überwältigend. Der Moment, als Kaftan die ersten Chortöne des Finales – im Pianissimo, sitzend – quasi aus dem Nichts erstehen ließ, erzeugte pure Gänsehaut.

Entstaubter Mahler

Dabei entstaubte er Mahlers monumentale Partitur mit packender Frische: energische Tempi, scharfe Kontraste, ein brillantes, manchmal schnelles synthetisch funkelndes Tutti voller Transparenz und Detailfreude. Kaftan tastete sich an die Grenze zum Sentimentalenheran ohne darüber hinauszugehen und formte aus der Überfülle der überbordenden Partitur klare Linien. Das Beethoven Orchester zeigte dabei höchste Brillanz – tänzerisch im Andante, ungestüm im rustikalen dritten Satz, und zutiefst bewegend im Pathos des Finales, das nie ins Schwülstige abrutschte. Der Bundesjugendchor überzeugt mit makelloser Intonation und kultiviertem Glanz, die Solistinnen Gerhild Romberger und Katerina von Benningsen fügen sich mit Noblesse und Strahlkraft ein.

Die neue Beethovenhalle in Bonn (Foto: Stadt Bonn, Zuca)

Damit fand ein Baudesaster besonderen Ausmaßen einen glücklichen Abschluss. Geplant war einst eine Generalsanierung für 61 Millionen Euro, am Ende standen 221 Millionen auf der Rechnung. Für den ersten Lacher des Abends sorgte dann auch prompt Bonns neuer Oberbürgermeister Guido Déus, der die Hoffnung hegte, dass Verwaltung und Politik aus den Kostenexplosionen dieses Baudesasters lernen mögen. Vor dem Hintergrund, dass er sich gerade für einen geleasten 100.000-Euro-Dienstwagen mit Chauffeur (Kosten: 57.000€ pro Jahr) entschieden hatte, wirkte das nur bedingt überzeugend. Seine Vorgängerin Katja Dörner hatte aus Kosten- und Klimaschutzgründen darauf verzichtet. 

»Ein Ort der Demokratie«

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hob in seiner Ansprache die politische und symbolische Bedeutung der Beethovenhalle hervor – als Ort der Demokratie, des Bürgersinns sowie der internationalen Verständigung und auch NRW-Kulturministerin Ina Brandes war voll des Lobes über die Halle, die Tradition und Zukunft auf überzeugende Weise miteinander verbinde. Sie verglich die Beethovenhalle gar mit der Elbphilharmonie – insbesondere mit Blick auf ihre nun herausragende Akustik. Ob die allerdings tatsächlich zu den »besten des Landes« zählt, wird sich zeigen. Eine architektonische Ikone wie der Hamburger Musiktempel ist die Beethovenhalle auf jeden Fall nicht. Sie bleibt, der denkmalgerechten Generalsanierung und akustischen Ertüchtigung zum Trotz, eine schnöde städtische Mehrzweckhalle.

Generalmusikdirektor Dirk Kaftan hielt die wohl ehrlichste Rede des Abends. Auf ein schlichtes »Danke« folgte ein ebenso befreites wie bewegtes: »Endlich!«. In Kaftans erstem Vertrag stand noch ausdrücklich, dass er 18 Monate ohne Beethovenhalle überbrücken müsse. Aus eineinhalb Jahren wurden einige mehr, doch der GMD führte Orchester und Publikum souverän über die lange Durststrecke. Er steht für ein Programm, das Anspruch und Offenheit verbindet, vielfältig ist und die Nähe zum Publikum sucht. Nun soll er die Beethovenhalle wieder fest in den Herzen der Bonner verankern – am Abend der Wiedereröffnung ist ihm das in überragender Weisegelungen.

»Danke! Endlich.«

Kaftan und sein Orchester versprühten mehr Authentizität als so mancher Redner, obwohl es dem Anlass entsprechend an Reden nicht mangelte. Doch auch hier war es Kaftan, der die klarsten Töne anschlug und kein Blatt vor den Mund nahm. »Was soll das?«, fragte er mit Blick auf die von Pannen und Verzögerungen geprägte Baugeschichte der Halle und die ermüdende Debatte um die vermeintlich elitäre Hochkultur provokant – um sie sogleich mit einem entschiedenen »Trotzdem!« zu beantworten: »Das ist kein Systemfehler, das ist eine Entscheidung.« Eine Entscheidung für gesellschaftliche Teilhabe, betont er, der Staat schaffe soMöglichkeiten. »Für Musiker ist das eine große Verantwortung«, dessen sei man sich bewusst. Doch wie nicht zuletzt das Programm der Eröffnungswoche zeigt, arbeitetet man konsequent daran, Vielfalt und Breitenwirkung mit einem künstlerischen Profil zu vereinen. Das unterstrich der Eröffnungsabend selbst, bei dem 1600 Gäste die frisch sanierte Halle füllten.

Das Konzert zum Nachschauen hier.

Guido Krawinkel

Geboren 1970, Studium der Musikwissenschaften, Französisch, Kommunikations­forschung und Philosophie in Bonn. Parallel erfolgten Praktika und Fortbildungen im journalistischen und kulturpolitischen Bereich, sowie die Ausbildung zum nebenberuflichen Kirchenmusiker (C-Examen). Nach Tätigkeiten in der Tonträgerbranche, im Verlagswesen und beim Rundfunk arbeite ich heute als freier Musikjournalist unter anderem für Nachrichtenagenturen (KNA), Zeitungen (General-Anzeiger Bonn, NMZ), Internetportale (Klassik Heute), Fachzeitschriften (organ, chorzeit, Oper & Tanz, Crescendo) und schreibe Programmhefttexte, u.a. für die Elbphilharmonie, die Bremer Philharmoniker oder die Philharmonie Thüringen Gotha und eine PR-Agentur.

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